Predigt zu Kolosser 3,1-4 von Rudolf Rengstorf
3,1-4

Predigt zu Kolosser 3,1-4 von Rudolf Rengstorf

Liebe Gemeinde!

Zwei Nachtgottesdienste feiern wir im Jahr. Zur Christnacht  lädt volles Glockengeläut. Die aus dem Dunkel kommende Gemeinde wird vom warmen Glanz des Christbaums empfangen. Und das hat seinen guten Grund. Weihnachten kommen wir  nach Hause – dahin, wo wir Kinder waren und es immer noch sind als Töchter und Söhne Gottes.

Ganz anders ist das in der Osternacht. Die Nacht draußen  herrscht auch drinnen in der Kirche. Kein Glockenton, kein Licht. Man stolpert eher hinein, hat Mühe, sich zurechtzufinden, Und unheimlich ist, was wir im Dunkeln zu hören bekommen. Sündenfall und Sintflut. Wir -  so wird uns auf die Seele gelegt - leben in einer Welt, die sich von Gott entfernt hat und in der Menschen im Dunkel von Hunger und Kriegen, von Seuchen, unheilbaren Krankheiten verschwinden. Und Gott? Er lässt noch etwas spüren von seiner fürsorglichen Schöpfermacht im Wechsel von Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und Nacht. Kein Wunder, dass viele Mensche sich - wenn irgendwo - dann in der Natur mit Gott verbunden fühlen im Ahnen einer höheren Macht, die das alles in Gang hält und durchwaltet. Andere sehen in dem großen Kreislauf von Werden und Vergehen Gesetzmäßigkeiten, die jeden göttlichen Zauber verloren haben.

Doch egal wie wir zur Natur stehen - das Geheimnis des Menschen vermag sie uns nicht zu entschlüsseln. So gewiss wir für eine Zeitlang an dem Kreislauf von Werden und Vergehen teilnehmen, den Frühling, die Sonne, die länger werdenden Tage genießen, so gewiss fallen wir da auch raus. Weil so vieles unumkehrbar, endgültig, nicht wiederholbar ist bei uns. Und am Ende gilt das für unser Leben als ganzes. Es endet unwiederholbar  im Tod. Undurchdringliches Dunkel kommt auf uns zu und umfängt uns oft genug schon mitten im Leben. Ein Dunkel, auf das kein Sonnenaufgang folgt; eine Aussichtslosigkeit, die uns niemand zu erhellen vermag, weil jeder – auch der Gescheiteste - dem Abbruch des Lebens hilflos ausgesetzt ist.

Und doch erleben wir in der Osternacht, wie das Dunkel immer mehr erhellt wird. Nicht weil draußen die Sonne aufgeht, sondern weil mitten in der Nacht sich ein Licht verbreitet, das  Christus heißt.  Denn er, der das Dunkel unseres Todes geteilt hat, ist da nicht verschwunden. Er hat den Tod hinter sich gelassen und  ist mit unglaublicher Lebenskraft zurückgekehrt  in Worten und Geschichten, die da nicht irgendwo im Dunkel hängenbleiben wie  die Verheißungen, die wir vorhin ja auch gehört haben. Nein. Seine Worte und Geschichten  bekommen immer von neuem Hand und Fuß, begegnen uns mit einer Anschaulichkeit, die keiner Erläuterung bedarf,  und prägen sich Herz und Gewissen  mit einer Dringlichkeit ein, der kaum zu entgehen ist.   So greift  sein Leben nach uns, zieht uns mitten in der Todeswelt in die Auferstehung. Deshalb  blieb  das Licht, das Christus heißt, nicht für sich, sondern es hat sich  über und mit uns in der ganzen Kirche verbreitet. Was  das für unser Leben heißt, nach welchen Konsequenzen das ruft, macht die Epistel für die Osternacht deutlich: 

Seid ihr nun mit Christus auferstanden, so sucht, was droben ist, wo Christus ist,
sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem,
was auf Erden ist. Denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christus in
Gott. Wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werdet ihr auch
offenbar werden mit ihm in Herrlichkeit.

„Sucht, was droben ist“ Nein,  nicht ein Wolkenkuckucksheim,  nicht den Himmel, den wir  nach Heinrich Heine den Spatzen und Pfaffen überlasen sollen, weil er nur über das irdische Elend hinwegzutrösten sucht. Nein, droben ist, wo Christus ist.  Er ist droben, weil er  mit seinen Worten und Geschichten eine Welt erschlossen hat, die herauszieht aus dem,was uns auf dem Boden der Tatsachen halten .will.  Wo man auf  das pocht, was ist und vermeintlich immer schon war und auch in Zukunft… Nein, da bleibt es eben nicht. Doch  das verschweigen die  so selbstgewissen Realisten.  Auf diesem Boden der Tatsachen hat man sich damit abzufinden, dass Gesundheit  und Vermögen die Hauptsache im Leben sind und alles dafür getan werden muss, dass es auch dabei bleibt. Die Erhaltung des  status quo und der Besitzstände wird auf dem Boden der Tatsachen groß geschrieben. Und in der Kirche  ist das nicht anders. Dass die Volkskirche an Boden verliert, wird mit Sorge verfolgt. Kollekten werden in zunehmendem Maß für die Erhaltung des kirchlichen Betriebs verwendet. Mit diesem Trachten nach dem, was auf Erden ist,  landen wir automatisch immer bei uns selbst. Erst  wir und unsere Interessen. Erst die eigene Gemeinde, und dann mag anderes in Betracht kommen. Erst Deutschland und Europa, erst Abendmland und Christentum. Ja, sind wir denn von allen guten Geistern verlassen? Merken wir nicht, dass  wir Gott so zum lokalen Götzen machen, dem es  egal ist, wenn der größte Teil der Welt und der Menschheit zum Teufel geht?

Nein, wir gehören zu Christus und lassen uns leiten von seinem Leben, dem der Tod nichts  anhaben kann.  Wir wissen, dass wir der Vergänglichkeit nicht entgehen, klammern uns nicht an  die Güter dieser Welt. Im Grund ist das alles  für uns schon gestorben. Denn wir lassen uns immer von neuem von der Frage leiten: Was würde  Jesus jetzt tun? Nicht, was ist opportun, was verschafft mir den größten Vorteil, was rechnet sich? Das ist unter unserem Niveau. Denn wir halten uns an das, was Christus  sagt und lebt und  was er von uns erwartet.. .

Das ist mit Sicherheit  kein Patentrezept für ein  gelingendes Leben. Solange wir den Tod noch vor uns haben, sind  Misserfolge und Rückschläge programmiert. Über Stückwerk  kommen wir nie hinaus. Aber das Dennoch  des Lebens ist uns bei diesem Stückwerk anzumerken, weil wir den Zug haben zu denen, die in der Welt des Todes nichts gelten, aber von Christus ins Leben gerufen werden. Die Mühseligen und Beladenen  - und nicht nur die im eigenen Lande -  spielen bei uns immer eine Rolle. Nicht nur damit, dass wir keine Ruhe geben, in einem der reichsten Länder der Welt Solidarität einzuklagen. Und nicht nur damit, dass wir eine um ihren Bestand fürchtende Kirche daran erinnern, dass sie nur um der Barmherzigkeit willen lebt und sie aufhört, Kirche Christi zu sein, wenn  das nicht mehr ihr Kennzeichen ist. Auch in unserem persönlichen  Umgang und in unserer  privaten Haushalts- und Kontenführung werden die Mühseligen und Beladenen  einen geachteten Platz haben.

Ein solches auf  Christus ausgerichtetes Leben ist in seiner Ganzheit, seiner Schönheit und Vollkommenheit noch verborgen. Wie die Herrlichkeit  Christi noch verborgen ist. Auf die aber alle Welt und Kreatur wartet,  dass sie Himmel und Erde neu und so werden lässt, wie Gott sie  gewollt hat. In unsern Herzen  aber leuchtet das Leben des Auferstandenen  schon, und das  bleibt nicht ohne Folgen! Amen.