Predigt zu Lukas 12, 42-48 von Georg Freuling
12,42
Der Besitzer eines großen Landgutes geht auf unbestimmte Zeit auf Reisen. In dieser Zeit muss auf dem Gut die Arbeit weitergehen: Die Tiere müssen versorgt werden, die Felder müssen bestellt werden, die Arbeiter müssen ihren Lohn erhalten.
  Wenn der Herr unterwegs ist, muss einer seiner Diener die Verantwortung übernehmen. Einer muss sich um alles kümmern. Der muss Erfahrung haben. Er muss mit der Arbeit auf dem Gut vertraut sein. Gewissenhaft sollte er sein und gut mit den Menschen umgehen, die dort arbeiten.
  Er wird das Sagen haben auf dem Gut – aber nur auf Zeit. Er wird alleine die nötigen Entscheidungen treffen. Aber es wird der Zeitpunkt kommen, an dem sein Herr zurückkommt und Rechenschaft fordern wird.
  
  Darum geht es in dieser Geschichte. Wie wird dieser Verwalter sich nun verhalten? Wird er sich bewähren? Und wenn nicht – welche Folgen wird das haben? Jesus nennt gleich vier Möglichkeiten:
  Der erste Verwalter ist „treu und klug.“ Er kümmert sich um seine Leute. Recht so! Man kann ihm nur gratulieren: „Selig ist der Knecht, den sein Herr, wenn er kommt, das tun sieht!“
  Der Zweite ist das glatte Gegenteil. Der misshandelt Knechte und Mägde. Er veranstaltet auf Kosten seines Herrn rauschende Feste. Und wenn er wieder einmal betrunken ist, dann zittern seine Leute vor ihm. Er verliert jede Vorsicht. Dann wird er von seinem Herrn böse überrascht. „... er wird ihn in Stücke hauen lassen und ihm seinen Teil geben bei den Ungläubigen.“
  Der Dritte weiß, was von ihm erwartet wird, nimmt es aber offensichtlich nicht so genau. Und auch wenn er nicht so schlimm ist wie der Zweite, auch er wird am Ende böse überrascht: „Viele Schläge“ muss er einstecken.
  Auch der Vierte macht eine unglückliche Figur. Es überrascht, aber er weiß nicht, was Sache ist, was sein Herr von ihm erwartet. Doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Und deshalb bezieht er auch Schläge. Nur weniger.
  
  Liebe Gemeinde, hier ist ganz schön oft von Schlägen, von Prügel die Rede. Mir fällt es deshalb schwer, mich mit diesem Predigttext anzufreunden. Für den Ausblick auf Gottes Ewigkeit wünsche ich mir versöhnlichere Töne.
  Es fällt mir auch deshalb schwer, mich mit diesem Predigttext anzufreunden,
  weil er mir einiges zumutet: Dieser Knecht – damit bin ich gemeint! Gott hat mir etwas anvertraut – mein Leben. Und Gott wird mich eines Tages fragen: Was hast du aus diesem Leben gemacht? Er wird Rechenschaft von mir fordern: Wie hast du gelebt? Genau so wie der Herr in dieser Geschichte von seinem Verwalter Rechenschaft fordert.
  
  Auf diesen Gedanken läuft die Geschichte hinaus. Deshalb gibt es beim vierten Knecht auch diese Unstimmigkeit: Kein Knecht, den sein Herr als Verwalter einsetzt, wird nicht wissen, was von ihm gefordert ist! Er wird wissen, was er zu tun hat. Diese Unstimmigkeit entsteht dadurch, dass dieser Herr im Gleichnis kein anderer als Christus selbst ist, der Rechenschaft von den Seinen fordert. Deshalb wird abgewogen: Zwischen dem, der nach dem Willen seines Herrn handelt, und denen, die dem nicht gerecht werden. Und das dann abgestuft: Der eine handelt fahrlässig, der andere „nur“ nachlässig, der letzte schlicht ahnungslos.
  
  Es geht also um Rechenschaft Gott gegenüber. Es geht darum, dass er das letzte Wort über mein Leben hat. Und wenn dieser Herr im Gleichnis Christus selbst ist, dann stehe ich damit vor der Frage: Reicht das aus, so zu leben, wie ich lebe? Stets bemüht, halbwegs anständig und aufrichtig durch mein Leben zu gehen? Aber auch mit der Erfahrung, dass nicht immer alles nach meinen guten Absichten läuft?
  Unvermittelt identifiziere ich mich dann mit denen, die hier Prügel beziehen. Die tun mir leid. Ist das nicht etwas zu hart?
  
  Diese Geschichte ist hart und anstößig. Dem kann und möchte ich in dieser Predigt nicht ausweichen. Trotzdem möchte ich diese Geschichte ernst nehmen, möchte auf sie hören. Denn sie ist zwar anstößig, aber gerade dadurch gibt sie wichtige Anstöße.
  
  Erster Anstoß: Wenn mein Leben auf Gottes Ewigkeit zuläuft, dann hat Gott das letzte Wort über dieses Leben.
  
  Die Verwalter, die am Ende Prügel beziehen nach der Wiederkunft ihres Herrn, tun mir leid. Ich kann mich mit ihnen identifizieren. Aber ich kann auch einen anderen Blickwinkel einnehmen: Wie ging es eigentlich den Arbeitern auf dem Landgut?  Was würden die dazu sagen?
  Auf unbestimmte Zeit sind sie dem Verwalter ausgeliefert. Sie haben unter seinen Launen gelitten. Wahrscheinlich wurde ihnen ihr Lohn vorenthalten, während es sich der Verwalter gut gehen ließ. Das haben sie durchgemacht ohne die Möglichkeit, sich über ihren Verwalter zu beschweren, denn der Herr war ja unterwegs. Wären die bereit, für ein happy end alles auf sich zu beruhen lassen?
  
  Eines finde ich an diesem Gleichnis interessant: Hier steht nicht im Vordergrund, dass der Verwalter schlecht wirtschaftet, dass er Hab und Gut seines Herrn verschleudert. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wird er seinen Leuten gerecht? Von dem ersten heißt es: Er gibt den Leuten zur rechten Zeit, was ihnen zusteht. Vom zweiten: Er fängt an, die Knechte und Mägde zu schlagen. Das fällt mir auf: Da geht es um Beziehungen.
  Das bedeutet: Gott lässt Wohl und Wehe seiner Menschen nicht kalt. Er steht zu denen, die die ganze Zeit zu kurz kommen ohne Chance, sich zu wehren. Er benennt das Unrecht.
  Diesen Ausblick finde ich wichtig. Auf unserer Welt kommen viele  zu kurz, müssen immer wieder wegstecken. Auf dieser Welt gibt es ungezähltes Leid und Unrecht. Und es gibt die, die sich alles erlauben und dabei denken: Mir kann keiner was.
  Diese Rechnung geht bei Gott nicht auf. Die Geschichte zeigt mir eindringlich: Gott fordert Rechenschaft. Er nennt Recht und Unrecht beim Namen. Es gibt nur einen Gott, nur einen Herrn der Welt. Und der setzt allen vermeintlichen Herren eine Grenze!
  
  Mit diesem Gedanken bin ich dann beim zweiten Anstoß, den ich in dieser Geschichte finde: Leben auf Gottes Ewigkeit hin – das bedeutet, verantwortlich zu leben. Und zwar jetzt schon, in diesem Leben.
  
  Hier in dieser Geschichte geht es für mich nicht um eine Prognose für die Ewigkeit in dem Sinn: Die einen schaffen es vor ihrem Herrn zu bestehen, die anderen nicht. Es geht nicht um einen Ausblick, was dann kommen wird.
  Hier geht um das, worauf es heute, jetzt schon ankommt. Hier geht es darum, was jetzt Sache ist! Jedem Ausblick könnte ich ausweichen, nicht aber der Gegenwart, in der ich jetzt lebe!
  Da stehe ich vor der Frage: Wie lebe ich? Was zählt für mich in diesem Leben?
  
  Diese Geschichte ist für mich ein Anstoß, nicht gedankenlos durchs Leben zu gehen. Sie ist ein Anstoß, verantwortlich zu leben. Darum geht es bei näheren Hinsehen, wenn drei der Knechte am Ende böse überrascht werden.
  Mir fällt auf: Der Verwalter, der Herr im Gleichnis legt ihnen nicht etwa zur Last, dass sie einen Fehler gemacht habe, sondern da stimmt grundsätzlich etwas nicht. Ihr Verhalten schwankt zwischen Fahrlässigkeit, Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit. Das sind keine gewissenhaften Menschen, die einmal Pech gehabt haben, sondern die nehmen von vornherein ihre Aufgabe nicht ernst! Und davor will mich diese Geschichte bewahren.
  
  Vor Gott verantwortlich leben. Behutsam mit dem umgehen, was Gott mir anvertraut hat: mit den Menschen, die mir begegnen, mit den Gaben und Aufgaben, die mir anvertraut sind. Dazu hält mich diese Geschichte an.
  
  Ob mir das gelingt? Reicht das aus, so zu leben, wie ich lebe, wie die meisten von uns leben?  Stets bemüht, halbwegs anständig und aufrichtig durch unser Leben zu gehen? Aber auch mit der Erfahrung, dass nicht immer alles nach unseren guten Absichten läuft? Ich glaube: Ja, das reicht.
  
  Im Laufe der Geschichte tritt es in den Hintergrund, aber Jesus beginnt ja mit dem Knecht, der seine Verantwortung wahr nimmt und ihr gerecht wird. Dieser Knecht steht am Anfang. Am Anfang steht damit einer, der vor seinem Herrn bestehen kann. Und daran möchte ich mich halten. Hat der immer alles richtig gemacht? Wahrscheinlich nicht. Wer verantwortlich lebt, kann und wird auch scheitern. Wer gewissenhaft handelt, weiß zu genau, dass es ohne Fehler nicht geht.
  Vor Gott leben, ihm gegenüber mein Leben verantworten – das ist nicht leicht.  Und dennoch können wir vor Gott bestehen - mit unseren Fehlern, mit unserer Schuld.
  
  Deshalb kann ich mich diesem Ausblick auf Gottes Ewigkeit stellen. Vor diesem Herrn muss ich nicht zittern. Mein Leben läuft auf seine Ewigkeit zu. Bis dahin will ich dieses Leben bewusst leben und nicht gedankenlos. Bis dahin will ich verantwortlich leben - auch auf die Gefahr hin, dass ich versage und Fehler mache. Bis dahin will ich gut umgehen mit der Zeit, die ich habe, will sie teilen mit den Menschen, die mir am Herzen liegen.
  
  Und der Friede Gottes, der höher ist als all unser Denken und Verstehen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn.
Perikope
20.11.2011
12,42