22 Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem. 23 Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: 24 Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden’s nicht können.25 Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? 26 Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt. 27 Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! 30 Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.
Herr, segne unser Reden und Hören. Amen
Liebe Gemeinde,
Und jetzt geht auch noch das Licht aus. Ich stehe im Flur auf der 8. Etage des Hotels und will in mein Zimmer. Wieder und wieder habe ich meine Karte durch das Lesegerät gezogen. Die Leuchtdiode blinkt rot statt grün. Mein Zimmer bleibt verschlossen. Ich will aber durch die Tür hinein.
Und jetzt geht auch noch das Licht aus. Ich gebe zu: Es ist spät. Es ist ein schöner Abend gewesen, unser Klassentreffen. Gut gegessen, nicht zu viel getrunken, viele alte Geschichten, manche vergessene Geschichte, Freude aneinander, Staunen, was aus dem einen oder anderen geworden ist, kleinere Angebereien, viel Gelächter und: Meine ganze Lebensgeschichte ist mir an diesem Abend gegenwärtig wie selten. Aber jetzt, spät in der Nacht, ginge ich gerne ins Bett. Und jetzt geht diese Tür nicht auf!
Unser Predigttext spielt mit diesem Wunsch - durch die Tür zu kommen. Und wir spüren die Angst, vor einer verschlossenen Tür zu stehen. Jeder von uns kennt beides. Jeder Konfirmand kennt den Wunsch hinein zu kommen, ein fester, wichtiger Teil seiner Gruppe zu werden, einfach dazu zu gehören. Und schon jeder Konfirmand weiß, wie verletzend, wie gemein es ist, wenn jemand ausgeschlossen ist, draußen gehalten wird, draußen bleiben muss. Was es heißt, vergeblich anzuklopfen. Und was mancher Jugendliche auf sich nimmt, um dazu zu gehören.
Niemand kann den Jüngern und Sympathisanten Jesu vorwerfen, dass sie nichts auf sich nehmen. Sie wollen Jesus begegnen. Sie haben Haus und Hof verlassen. Sie gehen mit mit ihm mit. Sie haben in den Städten und Dörfern ihre Arbeit stehen und liegen gelassen. Sie wollen ihn treffen. Sie wollen ihn hören. Er ist auf dem Weg nach Jerusalem, er geht Schritt für Schritt an den Ort, an dem sich sein Leben am Kreuz vollenden wird, er zieht an den Ort, an dem er für uns Menschen durch seine Auferstehung einen neuen Anfang setzen wird.
“Gibt es auch für mich einen neuen Anfang? Für mich, nur einer unter diesen vielen, die intensiver glauben, frömmer leben, moralischer handeln als ich? Oder werden nur wenige selig?” Es ist die Frage des Buß- und Bettages, die hier einer für uns stellt: “Bin ich festgelegt auf mein altes Leben? Verfolgen mich meine alten Fehler ein Leben lang? Muss ich meine Fehlentscheidungen ein Leben lang mit verlegenen Entschuldigungen wie alte Schulden abstottern?”
Wie gerne hörten wir jetzt ein deutliches “Nein! Musst du nicht! Nein! Deine Fehler werden dich nicht verfolgen. Du bist nicht ein Leben lang festgelegt! Erfinde dich einfach neu!” Aber so einfach geht es nicht. Vielleicht wäre das auch zu billig. Denn Jesus antwortet: “Ringt darum, wetteifert darum, kämpft darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht.”
Und bei mir geht jetzt auch noch das Licht aus. Funktioniert die Tür nicht richtig? Ein Programmierfehler? Oder habe ich die Karte aus Versehen mit meinem Tischnachbarn getauscht? Was soll ich tun? Wohin jetzt gehen? Wen jetzt suchen? Da stehe ich nun vor Tür, nach einem wundervollen Abend, meiner Lebensgeschichte bewusster als sonst, aber auf dem schmalen Magnetstreifen steht das Falsche: die falsche Zimmernummer, die falsche Person, das falsche Leben. Nicht nur die Tür, auch ich bin auf einmal blockiert.
Was hindert uns eigentlich, durch die Tür zu gehen? Was hindert uns, den Schritt zu wagen? Was blockiert den Weg durch die Tür ins richtige Leben? Wer macht uns die Pforte eng? Ich glaube, wir sind es selbst. Es fällt uns oft schwer, unseren Glauben ganz selbstverständlich zu leben. Vielleicht hemmen schlechte Erfahrungen unsere Schritte auf andere zu. Manchmal empfinden wir einen zu großen öffentlichen Druck und wir halten mit unseren Überzeugungen, Traditionen und Werten lieber hinter dem Berg. Gern bleiben wir unter uns. Wir sehen die Menschen, die mit dem Evangelium nichts oder nichts mehr anfangen können, mehr als Last denn als Aufgabe. Oft nehmen wir nicht wahr, was andere Menschen an uns befremdet, an unserer Sprache, an unserem Verhalten, an unserem Auftreten. Entspricht unser Leben unserem Auftrag? Es kommt mir manchmal bei uns so vor, als kämen die richtigen Erkenntnisse und Überzeugungen nicht in unserem Leben an, als passten unser Leben und unser Glauben nicht zusammen. Es ist, als stünden wir auch als Kirche vor der Tür und auf unserem Magnetstreifen stünde nicht “getauft”, nicht “gehört zu Jesus Christus”, nicht “zur Hoffnung berufen” - ein verkrampftes, unfrohes Leben. Nicht das Leben von freien Christenmenschen, nicht ein Leben, das Jesu Gegenwart in uns spüren lässt, kein Leben, das sich von Jesu Weg und Lehre hat ermutigen lassen, kein Leben, das andere ermutigt, sich mit uns auf den Weg zu machen.
“Ich glaube wir haben unsere Karten vertauscht”. Das Licht geht an. Ein lachendes Gesicht, ein fröhlicher Wechsel unserer Karten. Ich ziehe den Magnetstreifen durch das Schloss, grünes Licht, die Tür geht auf. Endlich, wie erlöst und befreit. “Danke!”
Manchmal braucht es einen Anstoß von außen, um unsere Blockaden zu lösen. Die äußeren und unsere inneren. Der Evangelist Lukas, der uns unseren Predigttext überliefert, erzählt viele Geschichten, in denen Menschen ihre Blockaden überwinden. Die meisten kennen wir gut.
Der barmherzige Samariter überwindet Glaubensgrenzen und Gleichgültigkeit. Er versorgt das fremde, verletze Opfer, gibt ihm zu essen und zu trinken. Er bekleidet ihn und verschafft ihm eine Herberge. Klassische Werke der Barmherzigkeit. Jesus holt den Zöllner Zachäus von seinem Baum herunter und lädt sich bei diesem unsympathischen Menschen ein. Der Besuch schenkt Zachäus Einsicht in sein Unrecht und die Kraft, Unrecht wieder gut zu machen und von jetzt an gerecht zu leben. Die beständig bittende Witwe bricht das Herz des harten, gleichgültigen Richters. Lukas weiß: Was im Verborgenen vom Glauben gesprochen wird, wird doch den Weg über die Dächer in die Öffentlichkeit finden. Und es tut uns gut, wenn er uns daran erinnert, dass wir einen barmherzigen Vater haben, der Türen wieder öffnet, die wir einmal hinter uns zugeschlagen haben.
Liebe Gemeinde,
sie waren das Letzte, diese Menschen in diesen Geschichten des Lukas. Verabscheute Fremde, Gauner, lästige Witwen, Leisetreter, gescheiterte Existenzen. Ihren Wechsel vom alten ins neue Leben, vom falschen ins richtige Leben kann man sich nicht ohne intensives Kämpfen und Ringen vorstellen. Und doch ist er ihnen gelungen, und doch sind sie nach vorn gekommen, sind aus letzten erste geworden, sind ihre Geschichten für uns wichtig geworden, als Beispiele, die uns motivieren können, als Erfahrungen, die uns wieder nach vorn bringen können, als Ermutigung jetzt selbst fröhlich zu einem freien, mutigen Christenleben zu wechseln und nicht ängstlich, sondern durch sie gestärkt auf die enge Pforte zugehen. Sie wird uns offen stehen. Amen