Predigt zu Lukas 16, 1-8 von Dieter Koch
16,1
Liebe Gemeinde,
was uns da aufgetischt wird, ist ein wahres Schurkenstück. Eine Gaunerkomödie am Sonntagmorgen. Und dazu noch aus dem Munde Jesu? Die Verwirrung über diese Geschichte begleitet die Christenheit seit den ersten Tagen und schon der Evangelist Lukas lässt eine Reihe sehr unterschiedlicher Kommentare dem Gleichnis Jesu folgen. Ein Schurkenstück, ein Schelmenstück, was hat er sich nur dabei gedacht, der Meister aus Nazareth? Wollte er einfach nur unterhalten, oder steckt im Witz dieser Geschichte jenseits aller bürgerlichen Wohlanständigkeit ein scharfer Stich in das Gewebe der Gier,  das schon immer die Wirtschaft ins Laufen brachte? 
Da sehen wir den Geschäftsführer eines global agierenden Agrarhandelskonzerns. Sein Auftrag heißt gute Geschäfte machen, mit scharfem Blick Waren billig einzukaufen, und zielgenau, zu den besten Preisen wieder loszuschlagen. Sein Auftrag ist, das Vermögen seines reichen Patrons zu mehren, indem er klug spekuliert im Warenterminhandel, ein Spekulant mit Nahrungsmitteln also. Alles läuft gut. Der Umsatz stimmt, die Gewinne erst recht. Er steht hoch im Kurs. Die Boni fließen. Da reißt seine Glückssträhne. Seinem Auftraggeber wird hinterbracht, er verschleudere Geld. Nur ist es noch ein Gerücht, eine infame Unterstellung. Vielleicht ist es auch wahr. Jedenfalls er wird verleumdet. Im Haifischbecken lebt es sich nicht ohne Sorge. Da wird getrickst, getäuscht, belogen und betrogen. Schnell ist die Stellung dahin, das schöne Leben, die Villa im Palmenhain, das Glück bei Wein, Weib und Gesang. Der, der noch über ihm steht, bricht den Stab, kündigt seine Entlassung an, fordert die Geschäftsunterlagen. Was tun? Er findet eine smarte Lösung: Sein Job ist verloren. Aber was er kann, das zeigt er nun! Er kennt sich aus im Gewerbe und greift,  gerissen und schlau  wie er ist, zu einer List. Er betrügt seine Firma. Man wird ihm nichts nachweisen, indem er Schuldverschreibungen umwidmen lässt. Er macht die Schuldner seines Bosses zu seinen Komplizen. Das sind keine kleinen Bauern, keine armen Hungerleider. Die, die sind alle mit im Spiel. Konkurrenten, die er nun zu gewinnen weiß! Einer mit solchen Fähigkeiten, kommt unter! Nein, wie ein Bauer zu harken und zu pflügen, gar wie ein Tagelöhner von einem Tag in den anderen leben, harren, gar hungern müssen, das ist unter seiner Würde. Ganovenehre – bei weißem Hemd, Krawatte und Anzug vom Feinsten. Dem einen schanzt er  gut 100.000 Euro zu, dem andern eine halbe Million. 100 Bat Öl, 40, vielleicht 45 Hektoliter Öl, ergeben eine stolze Summe, der Ertrag von 14.000 Olivenbäumen, von 5000, vielleicht 6000 Arbeitstagen, sagen wir mindestens -bei 8,50 Euro Mindestlohn - also 510.000 Euro mit einem Federstrich halbiert, den Konkurrenten in den Schoß gelegt. Die müssen einem doch auf der Stelle ein Vertragsangebot machen. Und so macht er es nicht nur mit einem, nein, er weiß die Bälle zu jonglieren. Einem zweiten überlässt er den Wert von 100 Kor Weizen, das sind bestimmt  36.000 Eimer, 360.000 Kilo feinsten Getreides. Rechne, wer will. Und so geht es fort. Wir sehen, er weiß, was er tut. Wird er auch ohne Abfindung gefeuert, so findet er doch schnell einen neuen Job bei einem anderen Boss.  Als cleverer Manager wird er es zu neuen Boni bringen.
Eine Gaunerkomödie, ein Schurkenstück aus der Welt des großen Business. Wirtschaftskriminalität ist so alt wie die Wirtschaft selber. Es gibt ihn den ehrlichen Kaufmann, aber es gibt auch solche, die nur zum Schein ehrliche Kaufleute sind. Eine Gaunerkomödie aus der Antike, im Munde Jesu erzählt. Seine Hörer hat er zum Lachen gebracht – auch zum Nachdenken?
Und heute? Allein der Blick in die Stuttgarter Zeitung vom 2.11.2011 genügt. Da lesen wir im Wirtschaftsteil, S.14: 3 Mitglieder der Geschäftsführung von Olympus sind wegen Veruntreuung in Hamburg vor Gericht. „Die Manager hätten Rechnungen unterschrieben, denen keine Gegenleistungen gegenübergestanden hätten. Den dadurch für Olympus entstandenen Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft auf 640.000 Euro“.  Am selben Tag auf derselben Seite war zu lesen unter der Überschrift: „Werner Schmidt (früherer Chef der BayernLB) belastet seinen Ex-Vorstandskollegen“  vom Gribkowski-Prozeß in München. „Dem 53-jährigen werden Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung beim Verkaufen von Anteilen an der Formel 1 für seinen früheren Arbeitsgeber, die BayernLB, vorgeworfen“.  Es geht um Bestechungsgelder in Höhe von 32,5 Millionen Euro. Gribkowski und Ecclestone, sollen, so die Stuttgarter Zeitung, die Bayern LB um „insgesamt knapp 50 Millionen erleichtert haben“. Am selben Tag, auf Seite 12, stand zu lesen vom Willen Frankreichs auf der Konferenz der G20 in Cannes einen Weg zu finden, die Spekulation mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen einzudämmen. „Eine internationale Datenbank soll Informationen über Produktion und Vorratshaltung sammeln, damit nicht schon Gerüchte über die angebliche Verknappung eines Guts  Preisexplosionen und Hungersnot auslösen können. Mit dem weiter gehenden Vorstoß, die Spekulation mit Nahrungsmitteln durch Mengenbegrenzungen und Margenzahlungen einzudämmen, sind die Franzosen jedoch bisher aufgelaufen.“  Spekulation mit Nahrungsmitteln, das war das Geschäft unseres untreuen Verwalters in Jesu Gleichnis. Und in derselben Zeitung am selben Tag, nun unter der Rubrik Kultur, war auf S.29  vom geplatzten Aufstieg in die Hochfinanz des Spekulanten Jon Corzine zu lesen. Ein Vermögen von 41 Millionen Dollar, im Handel mit Rohstoffen erzielt, wurde an die Wand gefahren, , „die achtgrößte Pleite eines börsennotierten Unternehmens“, ausgelöst durch gescheiterte Spekulationen auf Euro-Staatsanleihen. Und überhaupt der Euro? Das ganze Griechenland-Dilemma. Lug und Trug auf vielen Seiten – und jetzt – 50 prozentiger Schuldenschnitt.  Das kennen wir doch aus Jesu Gleichnis. Nun, man wird sehen.
Liebe Gemeinde, das Gleichnis vom unehrlichen Verwalter, ist ein wahres Schurkenstück. Eine in wenigen Strichen erzählte Gaunerkomödie. Sonst gibt es so was, wenn nicht in der Zeitung bestens inszeniert am Samstagabend im Kino, wenn George Clooney, Matt Damon und Brad Pitt zu Ocean’s Eleven laden. Heute gibt es das am Sonntagmorgen – und Jesus klatscht dazu noch in die Hände, lobt den Gauner und alle lachen mit.
Was will er uns nur damit sagen? Wenn schon die Gauner sich Freunde machen mit dem schnöden Mammon, wie viel mehr dann nicht ihr, ihr Kinder des Lichts, die ihr einen anderen Blick auf das Leben geschenkt bekommen habt, die ihr nicht Geld zusammenzuraffen braucht, aber dafür den Armen etwas vom großen Kuchen zukommen lasst. Die ihr habt, spendet recht! Für Brot für die Welt und die Diakonie, für Bethel und Stetten. Setzt das Geld für das Gemeinwohl ein, legt es an in Genossenschaftsbanken, Bei OikoCredit , im Fairen Handel und und und. Dahin weist Lukas, aber es geht noch um mehr. Im Lob Jesu liegt ein entscheidender Fingerzeig! Nämlich zielgenau, klug und scharfsinnig unsere Gaben einzusetzen. Wenn es schon die Gauner tun für ihren eigenen Vorteil, um wie viel mehr dann nicht ihr für das Wohl und Heil vieler! Entschlossen und klug handeln! Mut zu haben, die Freiheit zu wagen! „Klug sein, das ist die Forderung der Stunde auch für Euch“, so formulierte einer der großen Gleichnisausleger, Joachim Jeremias, die Sinnspitze dieses so amoralischen Gleichnisses (ders., Die Gleichnisse Jesu, S.181) „Ihr seid empört! Lernt daraus“ (ebd.). Ach, es ist leicht, sich an den Skandalen dieser Welt zu laben, aber man muss etwas tun, etwas, wofür man dann auch vor seinem ewigen Richter einstehen kann, etwas, was vor seinem großen Zeugen, unserem Herrn Jesus, auch bestehen kann! Dem das Messer an der Kehle saß, der untreue Verwalter, er wusste sich mit Schläue zu retten. Die Pointe des Gleichnisses Jesu ist ja nicht, uns mit den Kriminellen  dieser Welt gemein zu machen, sondern zu begreifen: „Auch in einer plötzlich aussichtslosen Lage gewinnt der Gewitzte durch einen rücksichtslosen, kühnen Entschluss Freiheit bzw. eine neue Lebensmöglichkeit. ‚Die böse Zukunft kommt in der Erzählung als eine zur Sprache, die in der Gegenwart abgewendet werden kann‘“(C. Kähler, Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie, Tübingen 1995, S.142 unter Verwendung eines Zitates von H. Weder, Die Gleichnisse Jesu als Metaphern,Göttingen,1978, S. 265)
Einer, der zur Erkenntnis kam, dass seinem geliebten deutschen Land das Messer an die Kehle gesetzt ward, tat auch etwas. Ich meine Claus Schenk Graf von Stauffenberg, der Attentäter des 20.Juli 1944. Jetzt endlich wendet sich der Blick heute mit Jesu Gleichnis auf den Volkstrauertag und damit auf die vielen Millionen von Opfern des 2.Weltkrieges und der nationalsozialistischen Diktatur. Inmitten der wiederkehrenden Schrecken leuchtet die Erinnerung auf an viele stillen Helden, die inmitten tiefer Nacht der Welt Menschen blieben, einfache Menschen, die Verfolgten für eine Nacht Unterschlupf gaben, stille Menschen, die die Diktatur nur im Gebet aushalten konnten, und manche heraus leuchtende Helden, wie Graf Stauffenberg. Als ihm die böse Zukunft seines deutschen Landes erst dämmerte, dann klar wurde, setzte er, auch um den Preis zum Hochverräter zu werden, alle seine Gaben ein, um im Kreis der Hitler-Gegner in der deutschen Wehrmacht, um gemeinsam mit zivilen Widerständlern wie Leber und Goerdeler und den engen Vertrauten des Kreisauer Kreises, das Wagnis zu wagen, Hitler zu töten, um der Zukunft Deutschlands und seiner Kinder willen, um eines Lebens in Ehre und Gemeinschaftstreue willen.  Es galt in kühnem, rücksichtslosen Entschluss, die böse Zukunft in der Gegenwart abzuwenden. Stauffenberg, 1943 schwerstverwundet in Afrika, gab nicht auf,  im Kreis um Olbricht stieg er im Allgemeinen Heeresamt auf, bekam als Oberst im Generalstab schließlich Zugang zum Führerhauptquartier. Er wusste um die persönliche Gefahr, er wusste um die immense Gefahr, der er seine Familie aussetzte, sollten die Attentatspläne scheitern.  Er  verband seinen persönlichen Opferwillen mit klarer, kluger militärischer Planung. Der Staatsstreich musste organisiert werden. Die “Operation Walküre“ wurde entsprechend umgeschrieben. Unter Einsatz aller seiner Fähigkeiten, und seiner hohen moralischen Verantwortung bewusst, stellte er sich in den Ruf, Deutschland von seinem Tyrannen zu befreien. Er tat es im Wissen, letzthin Gott Rechenschaft schuldig zu sein.  Nach 2 abgebrochenen Versuchen Mitte Juli 1944 war es dann am 20.Juli so weit. Die Bombe ging hoch. Doch - warum? Das ist eine eigene Geschichte - Hitler überlebte. Der Staatsstreich scheiterte. Stauffenberg wurde mit Generaloberst Beck und all den anderen verhaftet und am 21.Juli 1944 ermordet. Noch  gut 9 Monate musste das deutsche Volk leiden und mit ihm die Welt. Die Verluste der letzten Kriegsmonate waren extrem hoch, die Winteroffensive in den Ardennen, der einberufene Volkssturm. Die Rote Armee nahm Berlin ein, die Amerikaner, Briten, Franzosen, Kanadier befreiten Deutschland von Westen kommend.  Der Staatsstreich war gescheitert, Stauffenberg und seine Freunde tot. Doch ihr Handeln wurde zu einem der Bausteine einer neuen freien, demokratischen Republik. Seiner erinnert man sich – ein Zeuge in der Wolke der Zeugen. Ihr könnte nicht Gott dienen und der Tyrannei!
Auf der großen Bühne geht es auch heute um kühne Schritte, allein um den Euro zu stützen. Und auf der Bühne unseres kleinen Lebens? Liebe braucht Mut zu allen Zeiten, in jedem Alter. Liebe braucht Mut! Zutrauen in das eigene Herz, Zutrauen in die eigenen Gaben, Zutrauen, dass auch der Andere es gut meint! Am Ende, nachdem wir aus einer skandalösen Geschichte den entscheidenden Funken neuer moralischer Energie geschlagen haben, bleibt die Bitte: „Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut für die Ängste, für die Sorgen, für das Leben heut und morgen. Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut, für die Wahrheit einzutreten und die Not um uns zu sehen. Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut für die Zeit, in der wir leben, für die Liebe, die wir geben. Schenk uns Weisheit, schenk uns Mut, für die vielen, kleinen Schritte. Gott, bleib du in unsrer Mitte“ (EG 635 Ausgabe Württemberg).
Perikope
13.11.2011
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