Predigt zu Lukas 2,1-14 von Heinz Behrends
2,1-14

Weihnachten geschieht – auch ohne dich

Weihnachten geschieht. Weihnachten geschieht, auch wenn der Lachs schon ausverkauft war und du die Gans nicht rechtzeitig bestellt hattest. Weihnachten geschieht, auch wenn du nicht mehr alle Geschenke zu kaufen geschafft hast. Es geschieht, auch wenn dieses Jahr nicht alle Kinder nach Hause kommen. Es geschieht, auch wenn du nach Mallorca flüchtest. Wenn der 9. Monat da ist, dann geschieht es.
Weihnachten geschieht. Du magst es als große Last empfinden. Aber lege all diese Gedanken einfach mal ab und sieh es mal anders.
Weihnachten ist völlig unabhängig von all deinem Tun und Machen. Nicht einmal Weihnachten hast du gemacht. Es findet nicht erst statt, wenn du alles perfekt vorbereitet hast.
Weihnachten ist ein Geschenk. Gott hat es gemacht und deine Eltern haben es Dir überliefert. Sonst würdest du heute nicht hier, sondern gerade von Deiner Arbeit nach Hause kommen.
Weihnachten geschieht. Wenn der 9.Monat da ist, kommt das Kind.

Weihnachten will ich zu Hause sein.

Und du stellst dich dem Fest. Was auch immer ist: Du willst Weihnachten zu Hause sein.
Ich sitze am letzten Freitagnachmittag im Zug nach Hannover. Der Metronom ist brechend voll. Rucksäcke, Taschen überall, fast nur junge Menschen zwischen 20 und 30. Ich finde noch einen Platz, in Kreiensen steigt eine junge Frau zu und sitzt neben mir. „Kann ich Sie sprechen“? sagt sie bald zur Schaffnerin, „ich brauche einen Taxi-Gutschein, der Zug von Holzminden nach Kreiensen hatte 35 Minuten Verspätung, nun bricht mein Fahrplan zusammen“. Die Schaffnerin gibt einige Tipps mit Bahnhof Uelzen und so. „Wohin müssen Sie denn noch ganz“? frage ich. „Nach Bützow, das liegt bei Güstrow, aber eigentlich muss ich noch weiter nach Teterow. Ich arbeite in Holzminden und will nach Hause. Da komme ich heute  nicht mehr hin. Die Taxe kostet mich 250 €, aber den Gutschein von der Bahn, den krieg ich. Dann bin ich am Ende 13 Stunden unterwegs gewesen“.
Ich will nach Hause. Ja, Weihnachten will ich zu Hause sein. Ein langer Zug voller junger Leute mit viel Gepäck will zu Hause sein. Mich rührt das an.
Zu Hause ist, wo ich mich nicht erklären oder begründen muss, wo ich mich fallen lassen kann. Ich erwarte immer noch, dass dieser Ort ist, wo meine Eltern sind oder wo ich lebe.
Der Zug kommt in Hannover an, ich stehe auf und wünsche der jungen Frau, dass sie vor Mitternacht noch zu Hause ankommt.
Sie hat inzwischen ein Buch zum Lesen herausgeholt. „Shades of Grey Band 3“, das meist verkaufte Buch der Welt der letzen drei Jahre. Ein Buch voller erotischer Szenen, in der sich eine Frau gerne von einem Mann quälen lässt. Ja, die Sehnsucht nach Liebe und nach einem zu Hause, wie auch immer. Unverwüstlich bleibt sie, Gott sei Dank.

Die heilige Familie ist Weihnachten nicht zu Hause.

Dabei ist die erste Weihnachts-Familie mit Maria, Josef und dem Kind Weihnachten nicht zu Hause. Und dennoch rührt unsere Sehnsucht nach zu Hause von dieser Geschichte her.
Denn das zu Hause der beiden ist die Liebe. Ein Kind wird geboren. Ein Mann steht zu seiner Frau, obwohl das Kind nicht von ihm ist. Frierende und von ihren Schafen stinkende Hirten kommen und lassen sich erwärmen.
Wir können uns diese Liebe gar nicht groß genug vorstellen.
Denn die Welt um Bethlehem herum ist brutal. Soldaten auf allen Plätzen, an Stadttoren und Landstraßen. Frauen werden vergewaltigt, junge Männer als Sklaven abgeholt. Macht und Geld bestimmen das Leben.
Mittendrin wird ein Kind geboren. Der Erzähler Lukas sagt: Wenn ihr verstehen wollt, wie ihr euch Gott und seinen Willen vorstellen wollt, dann schaut das Kind an. Es steht für Unschuld, für Verzicht auf Macht. Und dann erinnern sie, was der Prophet Jesaja gesagt hat.
Ein Kind ist uns geboren. Und um eins draufzusetzen, zählt er alle Titel auf, die man sonst einem König zuschreibt:
Vater der Ewigkeit, Wunderbarer Rat, Friedensfürst. Ein Gegenbild zur Macht, wie die Welt sie kennt.
Eine Provokation. Für Leute, die über andere bestimmen wollen, ist Liebe immer eine Provokation. Leute in Unfrieden können Menschen, die in Liebe zusammen sind, schwer aushalten. Es sei denn, sie lassen ihre Sehnsucht wecken.
So spricht denn die Weihnachtsgeschichte dieses Jahr in eine Welt, die uns in Atem gehalten hat.

Weihnachten spricht in die aktuell zerrissene Welt

Das Wirken der Groß-Banker wirkt immer noch nach, die jedes Maß verloren hatten, für die Geld kein Mittel mehr ist, sondern Selbstzweck. PEGIDA, die Diffamierung von Muslimen in einem christlichen Land.  Die wahllose Tötung von Unschuldigen durch die sogenannte IS, ein im Selbstbewußtsein verletztes Regime einverleibt sich mit Geheimdienstmethoden die Krim. Syrien, einst eine stolze Kultur, zerlegt sich selbst. Und der Weltmeister-Rausch in Deutschland ist schnell verraucht. Der kalte Krieg ist heimgekehrt.
Dabei war letzte Weihnachten in den Nachrichten noch ständig von Rettung die Rede. Griechenland, Euro, Banken, Systeme, Glaubwürdigkeit. Rettungsschirme über allem. Suggeriert wurde, es ginge um den Menschen. Die Retter hießen Merkel, Monti, Baroso. Dies Jahr ist es still geworden um sie, selbst unsere Kanzlerin ringt um Besonnenheit. Gerettet wurden nicht Menschen, sondern Schuldverhältnisse, Finanzbeziehungen, Machtgefüge, Wirtschaftssysteme, Reiche.
Da kann man sich doch wenigstens jedes Jahr auf die BILD-Zeitung verlassen,  jedes Jahr an Heiligabend dieselbe Schlagzeile „Heute nur Gute Nachrichten“.

(Ich empfehle, die BILD zu kaufen, die Zeitung vor die  Kanzel halten und die Schlagzeilen zu zitieren. Die Gemeinde wird erheitert sein. )

Immerhin, die BILD stellt unter die guten Nachrichten die Weihnachtsgeschichte des Lukas in großen Buchstaben. Das ist gut so.

Der Mensch ist in seinem Wesen ein Geborener

Das Kind wird im Stall geboren. Die Rettung kommt in Tuchfühlung mit denen da unten, mit dem Blick von unten. So ist Gott. Wir können ruhig mal stolz sein auf dieses Bild, das die Bibel uns von unserem Gott vermittelt. Gott als Kind  geboren. Ein neuer Anfang. Philosophen sprechen gerne von der Mortalität des Menschen, der Sterblichkeit.
Die jüdische Philosophin Hannah Arendt spricht von der Natalität des Menschen, der Mensch ist seinem Wesen nach einer der Geboren wird. Weil Menschen geboren werden, gibt es immer wieder einen neuen Anfang. Wo ein Kind in eine Familie kommt, verändert sich das Gewebe der Beziehungen. Es kann neues entstehen.
Das feiern wir heute Abend. Neues kann werden. Der Mensch kann neu anfangen unter Bedingungen, die er nicht selbst gemacht hat.
Liebe wächst unter den kargsten Verhältnissen in Bethlehem. Schaut Euch an, was neu werden kann zwischen Euch zu Hause.
Die Heilige Familie findet ihr zu Hause in der Liebe, in der Verbundenheit mit den Menschen, die zur Krippe kommen.
Weihnachten geschieht, lass es geschehen, feiere und pflege die Liebe.

 

Perikope
24.12.2014
2,1-14