Predigt zu Lukas 24,50-53 von Christiane Neukirch
24,50-53

Diese Predigt ist bestimmt für einen Gottesdienst in Gebärdensprache. Deshalb ist sie in leichter Sprache verfasst und kürzer als Predigten für hörende Gemeinden.

Liebe Gemeinde!

Eine komische Geschichte ist das! Ich staune gleich dreimal:

1. Während Jesus die Jünger segnet, entfernt er sich von ihnen?! Wir lernen doch: erstmal das Eine fertig machen, dann weitermachen?!

2. Jesus fährt in den Himmel hinauf?! Das ist doch unmöglich?!

Und 3. Die Jünger sind voller Freude?! Sie wussten doch: sie werden Jesus nie mehr wiedersehen?! Warum freuen sie sich dann?

Zum 1. Während Jesus die Jünger segnet, entfernt er sich von ihnen?!

So habe ich Segen noch nie erlebt und auch noch nie selbst eine Gemeinde gesegnet. Bei uns ist das immer so: Am Ende vom Gottesdienst laden wir ein, beim Segen einander die Hände zu geben und dann hebe ich meine Hände und sage: „Gott soll euch bitte segnen“. Und dann gebärde und sage ich: „Es segne und beschütze euch Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“ So kennen wir den Segen am Schluss von unseren Gebärdengottesdiensten. Ich bleibe dabei natürlich vorn stehen, bis ich fertig bin. Das ist doch klar. Wenn ich gleichzeitig weggehe – was denkt Ihr, was denken Sie dann? Die Pastorin hat keine Zeit mehr?? Sie beachtet die Gemeinde nicht?

Hier in der Bibel ist es anders. Da lesen wir: „während er sie segnete, entfernte er sich von ihnen“. Ich bin sicher: Lukas erzählt die Geschichte extra so. Das ist das letzte Bild, das die Jünger von Jesus auf der Erde im Kopf behalten sollen: seine Hände zum Segen über sie gehalten.

Jesus ist nicht fertig mit dem Segnen, als er vor ihren Augen verschwindet! Der Segen fließt weiter - ein schönes Bild! Jesus gibt seine Kraft immer weiter weiter… Mit seiner Kraft können die Jünger stark sein, getröstet sein. Jesus als Vorbild haben sie genug gesehen und beobachtet. Jetzt brauchen sie die Kraft, mit der auch Jesus selbst gelebt und gehandelt und gepredigt hat. Die strömt in ihr Leben und auch in unser Leben ein – immer weiter. Das ist die Kraft, die uns hilft, zu hoffen, zu vertrauen und zu lieben.

2. Gemalt haben viele Künstler in unserer christlichen Kunstgeschichte aber eine andere Szene: die, in der Jesus in den Himmel auffährt. Das war die zweite Stelle, über die ich gestaunt habe. Jesus fährt hinauf in den Himmel?! Ich kann das nicht erklären. Wie sollen wir uns das genau vorstellen? Ist die Geschichte doch nur ein Traum? Oder ein Wunsch? Gar nicht wahr?

Ich kann dieses Bild von der Himmelfahrt nur als Geheimnis stehen lassen. Und mir immer wieder klar machen: Himmel bedeutet in der Bibel nicht den Raum über der Erde, in dem heute die Flugzeuge fliegen und die Satelliten kreisen – nein, es ist Gottes Raum und der ist sicher nicht nur da oben, wohin wir zeigen, wenn wir den Himmel meinen. Der Himmel, der Raum Gottes, ist auch hier unten und hat nach oben und unten und innen und außen keine Grenze. So wie Gott keine Grenze hat. Dann bedeutet die Himmelfahrt von Jesus: Jesus geht ganz zu Gott und hat nun auch keine Grenze mehr.

Vor seinem Tod am Kreuz wandert Jesus mit seinen Jüngern durch die Dörfer und predigt und heilt und und und. Und wo er hinkommt, laufen die Menschen zusammen und wollen ihn sehen, ihn erleben. Denn er war ein Mensch – wenn auch ein besonderer Mensch - und jeder Mensch kann in einem bestimmten Moment nur an einem Ort sein – z.B. im Haus des Zachäus, an den Teichen von Betesda, auf dem Weg nach Jerusalem.

Aber jetzt, nach der Himmelfahrt, kann er  gleichzeitig überall da sein, auch hier in der Lukas-Kirche! Und gleichzeitig in allen anderen Kirchen, draußen auf Wiesen und Feldern unter freiem Himmel, wo heute überall Gottesdienste gefeiert werden, aber auch bei allen Menschen, die nicht zu Gottesdiensten kommen können oder wollen.

3. Zuerst habe ich gestaunt über die Freude von den Jüngern. Aber darüber staune ich jetzt nicht mehr. Am Schluss des Evangeliums steht ja ein neuer Anfang! Diese Geschichte am Schluss des Lukas-Evangeliums ist keine Abschiedsgeschichte. Jesus nimmt hier gar keinen Abschied! Mit seiner Kraft, mit seinem Segen bleibt Jesus bei den Jüngern und bei uns, in uns, unter uns, auch wenn wir wie die Jünger Jesus nicht mehr sehen können. Mit seiner Kraft können wir Gott vertrauen – mehr als dem eigenen Denken und Verstehen. So ist klar, warum die Jünger nach dem Verschwinden des sichtbaren Jesus nicht verzweifelt oder traurig oder verlassen sind! Jesus bleibt ja! Deshalb können die Jünger voller Freude zurück kehren nach Jerusalem und Gott loben im Tempel. Zehn Tage später werden sie durch den Heiligen Geist noch mal einen richtigen Mutschub bekommen. Den brauchten sie für die Gründung der Kirche.

So ist die Himmelfahrtsgeschichte doch keine komische, aber eine geheimnisvolle Geschichte. Eine Geschichte von einem Neuanfang, bei dem wir auch 2000 Jahre später dabei sein dürfen! Und eine Geschichte, die unseren Blick auf den Segen lenkt, den Jesus uns geschenkt hat und weiter schenken wird.

Amen.

 

Perikope
14.05.2015
24,50-53