Predigt zu Lukas 5,1-11 von Joachim Hempel
5,1-11

Predigt zu Lukas 5,1-11 von Joachim Hempel

'Hast du das auch gut überlegt?' - meine Güte, denke ich heute, wie oft haben es Gutmeinende dir ins Gewissen eingesprochen: 'Hast du das auch gut überlegt? - denn nur nach reiflicher Überlegung lässt doch Unsereiner alles stehen und liegen und haut einfach ab; oder etwa nicht?

Die Geschichte von den übervollen Netzen, von Wunder und Erschrecken endet ja in erstaunlicher Weise mit einem Knüller: „Und sie brachten die Boote an Land und verließen alles und folgten ihm nach.“ - Nun gut, Jesus-Geschichten Gewohnte werden schnell sagen, bei ihm, dem Meister, dem Gottgesegneten ist nicht immer alles logisch und rational überlegt, gerade das mögen wir ja an ihm, dieses spontane, aus Gottes gutem, heil machenden Heiligen Geist entspringende Reden und Tun.

Aber ehrlich, Hand auf's Herz: ...verließen alles und folgten ihm nach – wie oft haben Sie und ich im Leben so entschieden, so gehandelt – auch gerade wir in Jesu Nachfolge uns 'Christen' Nennende?

Lukas verleiht der Geschichte einen mehrfach gebauten Spannungsbogen, der aus des Alltag Alltäglichkeit in die Begegnung mit Gottes Wirklichkeit reicht: Der Zulauf der Zuhörer ist so groß, der Andrang der Nachdrängenden ist so gewaltig, dass Jesus auf Abstand gehen muss, sonst könnte er im Gedränge Atemnot kriegen und sein Wort in der Bedrängnis unhörbar werden. Im Abstand Halten liegt die Kraft! - Dann: die Netze flickenden Fischer, die nach der Nacht-Arbeit erfolglos zurück müde am Ufer Notwendiges tun, rudern mit und für ihn nochmal auf den See. Was soll's, werden sie gedacht haben, und im abwinkenden Zweifel füllen sich die Netze mehr und mehr; nur mit vereinten Kräften können sie ihr Glück in Netzen fangen.

So würde die Geschichte vom Gutes tuenden Menschenfreund Jesus ja schon reichen. Aber Lukas setzt noch eins obendrauf, denn jetzt geht es um Furcht und Schrecken, um Gewissensnöte im Unfassbaren; und Jesus: „Fürchte dich nicht!“ Lukas nimmt auf, was er schon am Beginn seines Evangeliums von Jesus Christus in der Geburtsgeschichte in Bethlehems Stall aus himmlischen Höhen hatte quasi als Überschrift verkünden lassen: Fürchtet euch nicht, denn siehe ich verkündige euch große Freude... - Diese große Freude vom Heiland, der der Welt und den Menschen zugute vom Himmel gekommen ist und Fleisch angenommen hat – wie unser Credo das nennt, tut im Alltag der Menschen genau dies: er nimmt Angst und Furcht und wandelt sie in Freude und Hoffnung und macht dadurch Glauben stark.

Dieser Glaube ist bei Simon, Jakobus, Johannes und wohl Simons Bruder Andreas so groß, dass die sich nicht von vollen Netzen, gutem Gewinn und flottem Einkommen faszinieren lassen, sondern den Urheber des guten Lebens so vertrauensvoll ansehen, dass sie in seiner Nähe bleiben und mit ihm und den Menschen noch ganz andere Geschichten der Hoffnung, der Liebe, des Glaubens erleben wollen.

Habt ihr das auch gut überlegt? Werden manche der Umherstehenden, der Freunde, Fischerkollegen, der Familien gedacht oder auch laut gerufen haben, und die Antwort lautet: NEIN! Schlicht und einfach NEIN!

Das Wunder des Lebens geht nicht in der Fähigkeit des Denkens und rationalen logischen Tuns auf; das Leben ist höher und weiter, umfassender und wunderbarer, und es gibt Situationen im Leben, wo 'alles oder fast alles oder mindestens etwas stehen und liegen lassen' dem Leben seine Atemfreiheit zurück gibt, den Blick weitet, das Herz kräftig schlagen lässt: das ist das Reich des Vertrauens, des Zutrauens, der Liebe und Hoffnung. Jedenfalls wären die Fischer vom See nicht Jünger, Apostel, Evangelisten, Gottes Menschenfreunde geworden, wenn sie den Augenblick am Ufer nicht begriffen hätten.

Die Kirche dankt es ihnen bis heute, denn sie stehen bei uns in hohem Ansehen, wir freuen uns über solche Jesu Jünger. Und bei den bedenklichen Nachfolgegeschichten unserer Tage, wo junge Leute sich im Internet von schwarz vermummten Sturmgewehrträgern zum Kampf für einen Gottesstaat locken lassen, um dann in Syrien oder im Irak mal ebenso für einige Monate Menschen tot zu schießen, bei diesen und ähnlich teuflischen Geschichten sind uns Simon, Jakobus, Johannes und Andreas doch noch in ganz anderer Weise 'Väter des Glaubens': 'Fürchte dich nicht' steht gegen 'Furcht und Schrecken mit tödlicher Gewalt' - das dürfen wir nie aus den Augen verlieren: wir sind Gottes Heiligen Geistes Kinder und stehen in der Verantwortung vor ihm und vor uns anvertrauten Menschen!

Amen