Predigt zu Lukas 9,57-62 von Elisabet Mester
9,57-62

Predigt zu Lukas 9,57-62 von Elisabet Mester

Liebe Gemeinde,

es ist schon über fünfzig Jahre her, da landete ein eher unscheinbares fünfzehnjähriges Mädchen aus England einen Super-Hit in den Charts. Sie hieß Peggy March und trat auf mit dem romantischen Liebeslied „I will follow him“. „Ich werde ihm folgen“, so sang sie über ihren Geliebten, „egal, wohin er geht. Immer werde ich bei ihm sein, nichts kann mich von ihm trennen – er ist mein Schicksal. Seit er mein Herz berührt hat, weiß ich, dass kein Ozean zu tief ist, um mich von ihm zu trennen, und kein Berg zu hoch. Nichts kann mich von seiner Liebe entfernen. Ich liebe ihn“.

„I will follow him“ - wer diesen Hit damals verpasst hat, fand aber ganz bestimmt später noch die Gelegenheit, ihn kennenzulernen: In dem Film „Sister Act“. Da begegnet uns eine Sängerin, die sich verstecken muss, weil man ihr nach dem Leben trachtet. Der Polizeileutnant, der ihr Leben retten will, gibt sie als Schwester Mary Clarence aus und bringt sie in einem Kloster unter. Und so erleben wir Whoopy Goldberg – sie spielt die Sängerin mit viel Talent und Freude – wie sie sich – mehr oder weniger vorbildhaft - als Nonne bewährt. Sie wird von der Mutter Oberin dazu genötigt, in dem Chor der kleinen Ordensgemeinschaft mitzusingen. Dieser Chor, das kann man ehrlich sagen – sticht hauptsächlich dadurch hervor, dass er überhaupt nicht singen kann. Sister Mary Clarence bringt dieses Vokalensemble allerdings bald so weit, dass es Großartiges leistet und es dementsprechend auch zu großer Bekanntheit bringt. Im Mittelpunkt des Films steht ein Konzert mit dem Lied „I will follow him“ - diesmal aber ist es eine Liebeserklärung an Jesus Christus. Atemberaubend schön gesungen, mitreißend vorgetragen und richtig ins Herz gehend wird der Song der Nonnen in „Sister Act“ so gegeben, dass er wirklich  missionarisch wirkt. Wer den Chor der Ordensschwestern hört und sieht, bekommt unwillkürlich Lust, selbst auch so eine Liebeserklärung abzugeben – an Jesus, und ihm zu sagen: Dir will ich nachfolgen. Nichts soll mich noch von dir trennen.

Natürlich pflügt Sister Mary Clarence alias Woopy Goldberg das ziemlich konservativ und altbacken daherkommende, eingefahrene Ordensleben in der Kommunität auch gründlich um, und das ist die zweite Freude, die man empfindet, wenn man den Film sieht: Wie da verkrustete Strukturen aufgebrochen werden, damit etwas Neues entstehen kann. Wer das wahrnimmt, bekommt selber unwillkürlich jede Menge Lust auf Neues.

Umpflügen: Den Boden urbar machen. Die Scholle umbrechen und für eine gute Saat vorbereiten – das ist ein starkes Bild. Der Pflug ist ein Symbol für Leben, und das zu Recht. Tatsächlich kann die Menschheitsgeschichte uns lehren, dass Pflüge auf die Dauer gesehen wesentlich mehr auszurichten vermögen als Waffen.

Unsere Vorfahren, die das Land hier unter den Pflug genommen hatten und es bestellten, fürchteten sich vor den Überfällen nicht sesshafter Völker, die immer wieder in großen Reiterhorden vordrangen und in kurzer Zeit große Gebiete eroberten. Die Hunnen, die Magyaren, die Mongolen – sie errichteten in blitzartiger Geschwindigkeit große Herrschaftsgebiete – Reiche, die auch bald wieder untergingen. Denn wer das Land auf die Dauer besitzen wollte, musste es eben doch bestellen und bewahren, und das taten nur die Bauersleute. Die Familien, die auf ihrem Land lebten und dort die Äcker beackerten – sie blieben auf ihrer Scholle und bewiesen damit: Der Pflug ist stärker als das Schwert.

Das Römische Imperium – das bisher langlebigste aller Weltreiche – es war ursprünglich ein Land von freien Bauern. Sie gewannen ganz Italien, indem sie Landwirtschaft betrieben: den Boden umpflügten und bestellten. Diese freien Bauern waren auch bereit, ihr Land zu verteidigen und zu den Waffen zu greifen, wenn es sein musste. War der Krieg vorüber, kehrten sie auf ihre angestammte Scholle zurück. Als den römischen Bauern schließlich ihre Freiheit genommen und die Kriege dann mit Söldnerheeren geführt wurden, ging das Reich der Römer bald darauf unter. Das Land aber war und blieb bei denen, die es urbar machten, indem sie es bebauten und bewahrten.

(Bild: s http://www.gral.de/aktuell/pflug_ade im Abschnitt "Pfluglose Landwirtschaft?")

Ich habe Ihnen ein kleines Bild mitgebracht, auf dem Sie zwei Möglichkeiten sehen, den Boden für die Aussaat vorzubereiten: Die Bäuerin links arbeitet – so war es vorher üblich gewesen - mit einem Grabstock, die rechts von ihr – ganz fortschrittlich – schon mit dem Pflug. Das erste dieser neuen Geräte war so etwas wie eine Hacke, die man hinter sich herzog, um damit eine Furche zu ziehen. Zur Zeit der Römer wurden die Pflüge schon von einem Gespann Ochsen übers Feld gezogen. Die Bäuerin führte die Tiere und ging, die Pflugschar haltend, hinter ihnen her. Sie sorgte dafür, dass die Spur gerade blieb, damit die Saat gleichmäßig ausgebracht und das Feld ohne Verluste bestellt werden konnte. Die Pflugschar ist bsi heute das wichtigste Ackergerät und deshalb auch ein Symbol für die ganze Landwirtschaft.

Wir können uns aber auch vorstellen, dass so ein Pflug durch den Humus unserer Seele geführt wird und da manches auflockert, einiges umwendet und so dafür sorgt, dass eine gute Saat in unserem Innern aufgehen und gedeihen kann. Manches ist dort vielleicht auch schon etwas trocken, altbacken und konservativ geworden, und es gibt auf dem Boden unseres Gemüts bestimmt Bereiche, die einmal aufgelockert und bearbeitet werden könnten. Solch ein Pflug kann dafür sorgen, dass vieles bearbeitet und durchdrungen, einiges womöglich sogar umgewälzt wird – eine spannende Sache.

Auf dem Bild sehen wir die Bäuerin, die den Pflug durch ihren Boden zieht, um da eine Furche zu ziehen, wo sie später ihren Weizen aussäen will. Sie schaut nach vorn und geht konzentriert voran, vom einen Ende ihres Ackers bis zum anderen. Wenn sie am Feldrain angekommen ist, wird sie die Pflugschar aus der Erde nehmen und daneben wieder neu einsetzen, um an der Seite der bereits gezogenen Spur zurück zu gehen, wieder eine neue Rinne ziehend – so lange, bis sie ihr ganzes Feld für die Aussaat im Frühjahr vorbereitet hat. Sie schaut nach vorn und setzt dabei einen Fuß vor den anderen. Umgucken wird sie sich nicht, denn das wäre dumm. Ob sie ihre Spur schief oder gerade gezogen, das wird sie ohnehin erkennen, wenn sie an der Ackergrenze angekommen ist und wieder wenden muss. Wenn sie jetzt, mitten auf dem Weg, über die Schulter nach hinten schaute, während sie doch nach vorne geht, würde dadurch nur eins passieren: Spätestens dann müsste es garantiert krumm und schief werden. Die Bäuerin richtet ihre Aufmerksamkeit nach vorn, genau wie ihren Schritt, geht immer weiter geradeaus und zieht ihr Ding durch – ob der Boden nun gerade hart und trocken oder weich und nass ist, ob da Steine im Weg liegen oder Grasbüschel vor ihren Füßen wachsen – immer voran.

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes, sagt Jesus. Leb' aufmerksam und unabgelenkt, lebe intensiv in der Gegenwart, das schwingt da mit. Wenn du dich gedanklich nur in der Vergangenheit aufhältst und ständig Rückschau hältst auf das, was gewesen ist – das, was du schon gemacht und geschafft hast, dann kommst du ins Schlingern und Schwanken, dann bist du nicht bei der Sache, und dann wird das, was du tust, auf jeden Fall uneben und ungleichmäßig werden.

Wer sich für das entscheidet, was wir in der Kirche „Nachfolge“ nennen, wer ein Leben als Christ oder Christin führen will, der sagt am besten fröhlich „I will follow him“ und eiert nicht ständig hin und her zwischen dem, was war, und dem, was ist.

In dem Evangelium nach Lukas, das wir gehört haben, begegnen uns nun aber drei Menschen, die „I will follow him“ sagen – und doch kommen sie bei Jesus nicht an. Es lohnt sich, einmal darüber nachzudenken und zu schauen, warum das hier so ist.

„Ich will dir folgen, wohin du gehst“, sagt der erste ganz begierig. Mit Feuereifer will er sich in das hineinstürzen, was er bei Jesus wahrgenommen und erlebt hat. Es ist faszinierend und neu. Es ist etwas besonderes und lockt ihn. Jesus braucht aber anscheinend keine hitzig Begeisterten. Er gießt dem Mann Wasser in den Wein und sagt: Du weißt nicht, worauf du dich einlassen willst. Wir wissen morgens nicht, was wir abends zu essen bekommen, und ein Dach über dem Kopf haben wir auch nicht. Den Vögeln und den Füchsen geht es besser als uns. Willst du da wirklich mitmachen?

Wer einen Bauern pflügen sieht – mit einem Gespann Ochsen oder mit der Hand – der mag das romantisch finden. Wer selber saubere, gerade Furchen für die Saat des Reichs Gottes ziehen will, braucht dazu aber eher Achtsamkeit, Wirklichkeitssinn und Willenskraft als träumerische Schwärmereien und Flausen im Kopf.

Der zweite will sich auf jeden Fall Jesus und seinen Jüngern anschließen – sagt er. Auf jeden Fall. Nur etwas – nur eine Sache muss er vorher noch erledigen. Seinen Vater beerdigen. Dieser Kandidat hier ist anscheinend nicht so ein draufgängerischer Abenteurer wie sein Vorgänger, sondern eher der verantwortungsbewusste, vielleicht sogar pflichtbewusste Familienmensch. „Lass die Toten ihre Toten begraben“, ruft Jesus ihm zu.

Wie sollen wir diese scharfe Antwort verstehen? Ich habe nur eine Erklärung dafür, und die heißt: Der Vater ist noch gar nicht gestorben. Er ist vielleicht gerade krank. Oder womöglich schon recht alt. Und es könnte sein, dass er demnächst abscheiden wird. Unter Umständen. Möglicherweise. Vorher will und kann der Sohn aber nicht aus dem Haus gehen – meint er.

Es gibt Menschen, die stecken voller Verhinderungsgründe. Sie möchten dies und wollen das, kommen aber am Ende nie dazu, weil ihnen immer irgendetwas dazwischenkommt. Dass sie selbst es sind, die sich ständig selbst Steine in den Weg legen, das sehen diese Leute nicht. Aber wie soll einer pflügen und den Boden vorbereiten für die Saat Gottes, wenn er immer „nur noch dies“ und „nur noch das“ tun will, bevor er endlich anfängt? Er wird nie damit anfangen. Das ist die traurige Wahrheit.

Der dritte Kandidat, der hier „I will follow him“ sagt, möchte sich noch eben schnell verabschieden und dann mitkommen. Seiner Familie Ade sagen, und den alten Freunden, dem Dorf, in dem er aufgewachsen ist, und seinem alten Leben. Das macht man ja auch nicht mal eben so, dass man sich einem Wanderprediger anschließt, um mit ihm und seinen Freunden durchs Land zu ziehen. „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück“, sagt Jesus zu ihm, „der ist nicht geschickt für das Reich Gottes“. Vergangenes Revue passieren zu lassen, nostalgische Rückschau auf ein bisher gelebtes Leben zu halten – das passt nicht zu Jesus und seiner Mission. Wer ihm nachfolgen will, sollte nicht Vergangenes vor seinem inneren Auge vorbeiziehen lassen, sondern fröhlich nach vorn schauen.

„Okuli“ heißt dieser Sonntag: Augen. Und aus dem Evangelium dieses Sonntags kommt uns ein großes „Augen auf!“ entgegen. Schau an, sagt es – guck selbst und sieh: Es gibt viel zu entdecken, es gibt eine Zukunft, der wir entgegensehen und entgegengehen dürfen, zusammen mit Jesus. Denn er ist dabei und begleitet uns auf dem Weg in die neue Zeit, die er uns verheißt. Er zieht mit, ja, er zieht die Pflugschar zusammen mit uns durch den Acker.

Auf dem Bild sehen wir die Frau, die mit ihres Leibes Kraft den Pflug durch den Erdboden bewegt. Sie ackert allein. Wir können sie bestaunen und bewundern und sagen: Toll, wie die das schafft! Wir können aber auch sagen: Besser geht es wohl zu zweit. So, wie ein Paar Ochsen zusammen den Pflug über das Feld zieht. Zur Zeit von Jesus war das schon so üblich. Man ackerte mit einem Gespann von kräftigen Tieren und führte die Pflugschar hinterher.

Damit die Tiere das Gerät gleichmäßig durchziehen und nicht etwa das eine nach links, das andere nach rechts ausweicht, legte man ihnen ein Joch auf. So gingen sie sicher nebeneinanderher und zogen in eine Richtung voran.

„Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir“, sagt Jesus einmal (Mt. 11, 29f). „Denn mein Joch ist sanft.“

Wie sollte das sanft sein, das Pflügen unter  einem Joch? Wir können das so verstehen, dass Jesus selbst der zweite sein will in diesem Doppeljoch. Er zieht an unserer Seite, hält uns in der Spur und bringt uns voran auf dem Weg. Er sorgt selbst dafür, dass wir eine gute, gerade Furche ziehen und den Acker gut bestellen. Geschickt für das Reich Gottes sind wir Menschen nämlich alle nicht – nicht von uns aus. Aber das macht nichts, denn wenn Jesus uns schickt auf den Weg zu seinem Reich des Friedens und der Gerechtigkeit, dann ist er mit uns unterwegs. Was wir dazu beitragen können, dass es so kommt? Viel ist nicht nötig dafür: Nur eine Liebeserklärung an ihn. Ein von Herzen kommendes vertrauensvolles „I will folllow – ich will dir nachfolgen“. Amen.

EG 83, 4-6 Ein Lämmlein geht

Noten zu  "I will follow him": http://www.reift.ch/fichiers/pdfbooks/EMR14561.pdf