Predigt zu Matthäus 11,25-30 von Frank Hiddemann
11,25-30

Gnade und Friede von dem,
der da ist und
der da war und
der da kommt,
sei mit euch allen.


Liebe Gemeinde,

hat Jesus eigentlich gesungen?
Wenn er mit der Schar seiner Jünger
die staubigen Straßen Palästinas entlang ging,
haben sie dann auf dem Wege ein Lied angestimmt?
Etwas wie:
„Diesen Weg auf den Höh'n bin ich oft gegangen
Vögel sangen Lieder“.
[Thüringer Version. Bitte regional anpassen!]
Oder wenn sie auf dem See Genezaret mit dem Boot unterwegs waren,
haben sie dann gesungen:
„Wir lieben die Stürme, die brausenden Wogen
der eiskalten Winde rauhes Gesicht.“
Oder etwas in der Art.
Ich nehme mal an, es geht Ihnen wie mir.
Ich kann es mir nicht vorstellen.
Irgendwie liegt Ruhe über den Evangelien.
Jesus spricht, die Menge macht Geräusche,
manchmal schabt ein Fischernetz über eine Bordwand
oder es kräht ein Hahn.
Es gibt Diskussionen mit den Schriftgelehrten
und dann mal eine plötzliche Stille
...
Und dann wird wieder geredet.
Dabei haben wir heute einen Psalm gebetet.
Und Psalm heißt „Lied“ -
und in unserem Wochenpsalm heißt es sogar:
„Singt dem Herrn ein neues Lied!“
Und überall in den Psalmen hebt der Sänger an:
„Lobe den Herrn meine Seele!“
Aber auch „Gott erhör' mein Flehen“
Oder: „Ich will den Herrn allzeit preisen,
sein Lob sei immerdar in meinem Munde!“
Die ganze Bibel ist voller Gesang.
Sogar im Bauch des Fisches wird gesungen,
als Jona dort hockt und gerettet ist.
...
Aber es gibt nur eine Stelle in der Bibel, wo Jesus singt
oder doch wenigstens anhebt
- wie ein Sänger anhebt zu singen -,
Gott zu loben.
Sie haben es bestimmt schon erraten!
Es ist das Evangelium des heutigen Sonntags Kantate.
Ich lese ihnen die Stelle noch einmal vor.
Und passen Sie mal auf,
welche Erfahrung es ist,
die Jesus zum Singen bringt:
Zu der Zeit hob Jesus an und sprach:
Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde,
dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast
und hast es den Unmündigen offenbart.
Ja, Vater; denn es ist also wohlgefällig gewesen vor dir.

Alle Dinge sind mir übergeben von meinem Vater;
und niemand kennt den Sohn, denn nur der Vater;
und niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn;
und wem es der Sohn will offenbaren.

Kommt her zu mir alle,
die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.
Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Denn mein Joch ist sanft,
und meine Last ist leicht.

Kommt her zu mir!
Wenn Jesus anfängt zu singen,
kommt eine Einladung für uns heraus.
...
Aber was lässt ihn singen?
Es ist die Erfahrung,
dass Gott bei den Schwachen besser ankommt.
Die Klugen und Verständigen verstehen nicht so gut,
worum es geht.
Sie mögen viel verstehen,
aber oft verstehen sie das Entscheidende nicht.
Woran liegt das?
Es liegt daran, dass die Unmündigen,
so nennt sie Jesus in seinem Lied,
dass die Unmündigen tagtäglich eine Erfahrung machen,
die auch eine Gotteserfahrung ist.
Das griechische Wort, das an dieser Stelle steht,
bezeichnet die Kinder, die noch Milch bekommen,
also noch keine feste Nahrung zu sich nehmen.
Säuglinge also und auch Kleinkinder.
Sie trinken oder schreien.
Sie sind zufrieden oder schauen neugierig in die Welt,
und bei alle dem zweifeln sie nicht.
Dass sie in der Liebe der Mutter sicher geborgen sind …
Dass Milch kommt, wenn sie hungrig sind …
Dass die Stimme da ist, wenn sie einsam sind …
Dass sie jemand hochhebt, wenn sie in die Welt schauen mögen…
Kleinkinder sind voller Vertrauen,
weil sie die Erfahrung nicht kennen,
auf eigenen Beinen zu stehen.
weil sie nicht aus eigener Kraft leben.

Die Weisen und Klugen jedoch wissen Bescheid in der Welt.
Sie sind immer in der Gefahr,
sich auf ihre Kenntnisse und Erfahrungen zu verlassen.
Die Starken verlassen sich gern auf sich selbst.

Jesus singt: Ich preise dich, Vater und Herr Himmels und der Erde,
dass du solches den Weisen und Klugen verborgen hast
und hast es den Unmündigen offenbart.
Die Unmündigen verstehen sehr viel leichter,
dass der Gott des Himmels und der Erde,
der Gott, den Jesus Vater nennt,
sie trägt und hält.
Es ist ja ihre tägliche Erfahrung,
gehalten und getragen zu werden.
Das haben die Kleinen den Klugen voraus.
Darüber freut sich Jesus.
Eigentlich denkt man:
Nur die Klügsten sind klug genug,
um Gott zu verstehen.
Und es hat auch etwas für sich,
die alten Sprachen zu kennen und die Schriften.
Gott nicht nur im Augenblick zu erleben,
sondern auch seine Geschichte
und die Geschichte seines Volkes zu kennen.
Nichts gegen Kluge und Weise,
auch Jesus singt ja sehr wenig,
wie wir gehört haben,
meistens lehrt er,
auf einem Berg stehend,
in der Ebene beim Wandern,
meistens spricht Jesus.
und die ihm zuhören, fühlen sich Gott nahe.
„Er lehrte sie.“
Das ist die Tätigkeit, die von Jesus am meisten berichtet wird.
Jesus ist selbst ein Schriftgelehrter.
Aber es ist ihm eben nicht passiert,
was so vielen anderen Schriftgelehrten passiert.
Sie meinen sich so gut in der Geschichte und den Schriften auszukennen,
dass sie mehr über Gott sagen können als er selbst.
Sie nageln ihn an einer Selle fest.
Ein grausamer Satz,
der sich in Jesu Leben wortwörtlich erfüllt hat.
Gott festnageln,
ist genau das, was Jesus an den Schriftgelehrten kritisiert.
Sein Gott ist der Gott des Himmels und der Erde,
des ganzen Kosmos, der alles in seinen Händen hält
und er ist gleichzeitig der Gott,
der wie ein Vater
mein eigenes Leben in den Händen hält.
Der alles trägt,
ist mir täglich nah.
Der Herr der Kosmos
kümmert sich um mich wie der Vater um ein Kind.
Das ist Jesu Predigt, Jesu Lied.
Wer das verstanden hat, hat das Entscheidende verstanden.
Solange wir uns auf uns selbst verlassen
und Gott strategisch in unser Leben einbauen,
solange lassen wir ihn nicht ein,
sondern behandeln ihn wie ein Bauelement,
das wir hier oder da unterbringen können.
Aber wer das Fundament nicht da lässt,
wo es hingehört, der baut kein Haus.
Der wird nicht sicher wohnen.

Jesus freut sich,
dass die Kleinen das verstanden haben
oder gar nicht verstehen müssen,
weil die Erfahrung, getragen zu werden, für sie so frisch ist.

Und dann gibt es noch eine andere Gruppe,
die Jesus besonders anspricht.
es sind die denen ihr Leben Mühe bereitet,
so dass sie meist müde sind
und die, die viel tragen müssen,
so dass sie schnell müde werden.
Jesus scheint mitten unter ihnen zu stehen,
denn er spricht sie direkt an:

Kommt her zu mir alle,
die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.
Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

Wer unter uns müde ist,
der sehnt sich nach Ruhe.
Wer zu viel um die Ohren hat,
sagt leicht: „Lass mich in Ruhe!“
Aber es ist gar nicht so einfach, seine Ruhe zu finden.
Kaum ist man allein,
beginnen die Stimmen im Kopf zu reden.
Die Vergangenheit zieht die Gedanken auf sich,
die Szenen und Sätze, die uns nachgehen;
die Sorgen, die wir uns um die Zukunft machen, sind da.
Und die Gegenwart ist verschwunden.
Es reicht nicht, allein zu sein,
wenn einer Ruhe finden will.
Es reicht auch nicht,
wenn äußerlich alles still ist.
Wie finden wir Ruhe für unsere Seelen?
Nicht einfach so,
indem wir alles andere eine Weile liegen lassen.
Jesus sagt:
Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
Es ist ein offenbar Druck nötig,
um Ruhe zu finden.
Das Joch mag leicht sein,
aber es liegt doch auf den Schultern,
und es ist spürbar.
Und wir müssen lernen.
Mitten im Lied ist wieder der Jesus da,
von dem es heißt: Er lehrte sie.
Was ist zu lernen?
Die richtige Haltung des Geistes
und auch: der richtige Weg.
In der Formulierung:
„So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“,
steckt ein Vers des Propheten Jeremia.
Er lautet:
Fragt, wo der Weg zum Guten liegt; geht auf ihm,
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele.
Dass wir uns über den Weg,
den wir gehen wollen,
viele Gedanken machen, ist klar.
Das ist ja das Problem.
Das sind die Stimmen, die kommen,
wenn wir die Augen schließen.
Das sind die Sorgen, die kommen
und mit denen wir die Zukunft vorweg nehmen.
Kurz gesagt, wir versuchen uns selber zu tragen.
So wie die Klugen und Weisen Gott einbauen
in ihr Denken und Streben,
und ihm am Ende keinen Platz lassen,
um selbst zu handeln,
so versuchen wir Gottes Aufgabe
selbst in die Hand zu nehmen
und selbst zu lösen.
Wir versuchen uns selbst in die Hand zu nehmen,
uns zu tragen und unseren Weg zu finden.
...
Ich will nicht sagen,
dass das nicht geht.
Sowohl ein Denken
als auch ein Leben ohne Gott funktioniert ofenbar.
Die Mehrheit der Menschen um uns herum versucht es.
Aber wir haben eine Botschaft,
die Ihnen,
aber vor allem immer wieder uns selbst gilt:
Kommt her zu mir alle,
die ihr mühselig und beladen seid;
ich will euch erquicken.
Nehmt auf euch mein Joch und lernet von mir;
denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig;
so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
...
Jesus Christus,
der unsere Sorgen geteilt hat,
der weiß, wie sich unser Leben anfühlt,
der will es in die Hand nehmen und tragen.
Das geschieht nicht von selbst.
Wir müssen uns tragen lassen.
Wir müssen sein sanftes Joch auf unseren Schultern spüren,
damit wir nicht abheben.
Dann wendet sich unser Weg zum Guten.
Es ist manchmal ein Weg,
der auch durchs Leiden führt.
Jesus selbst hat das erlebt.
Aber es ist ein Weg,
der uns auf der Erde hält,
und von dem wir hinterher sagen:
Er ist gut gewesen:
Wo es schlimm war, sind wir getragen worden.
Wo es schwer war, haben wir doch die Ruhe gespürt.
Und wo es leicht war,
hat das Glück sich nicht angefühlt wie ein Triumph,
sondern wie der Himmel,
der über uns offen steht.
Amen.

Und der Friede Gottes,
der höher und weiter  ist als unsere menschliche Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.

 

Perikope
03.05.2015
11,25-30