Predigt zu Matthäus 12, 33-37 von Peter Huschke
12,33
„Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich Wurzeln treiben.“ (EG 603, 14)
  Wir Menschen können Gottes gute Bäume im oft nicht überschaubaren Dschungel dieser Welt sein.
  Dieses Bild gebraucht Paul Gerhardt in dem vorhin gesungenen Lied.
  Zunehmend mehr können wir uns in der Liebe Gottes verwurzeln. Gott lässt uns durch unser Reden und Handeln Wurzeln treiben.
  Voller Zuversicht haben wir davon eben nach der Beichte gesungen.
  Und, liebe Gemeinde, es gibt Zeiten, wo wir allein aus dieser Zuversicht leben und Gott zutrauen dürfen, dass er das in dieser Liedstrophe Erbetene in unserem Leben wahr macht: „Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir wird ein guter Baum und lass mich Wurzeln treiben.“
  
  Manchmal ist es aber auch wichtig, dass wir uns selber kontrollieren, ob wir wirklich noch wollen, dass Gottes Geist in unserem Alltag den entsprechenden Raum einnimmt.
  Wir müssen uns selber fragen, ob unser Alltag nicht von einem ganz andern Geist geprägt wird. Die Vorbereitung auf die Beichte hat für mich nicht zuletzt diesen Zweck der kritischen Selbstprüfung vor dem Angesicht des mich liebenden Gottes. Von dem mich liebenden Gott kann ich mich ganz hart fragen lassen, ob er mich wirklich als guten Baum sehen kann.
  Genau diese kritische Anfrage an uns spricht Jesus im heutigen Predigttext gegen uns und damit für uns aus.
  Jesus verwendet da ebenfalls das Bild des Baumes für uns Menschen. Er will uns mit seinen Worten aus jeder falschen Sicherheit herausholen. Er findet im Blick auf unser Verhalten im Alltag schon sehr deutliche Worte, wenn er in den Versen 33 bis 37 im 12. Kapitel des Matthäusevangeliums sagt:
  (Textverlesung)
  
  Hart und deutlich sind Jesu Worte: V. 34.
  Jesus will uns aus jeder falschen Selbstzufriedenheit herausholen.
  Unangenehmerweise redet Jesus nicht nur allgemein über uns Menschen und darüber, wo wir in unserm Leben Früchte bringen.
  Bei solchem allgemeinen Anfragen könnte wohl jede und jeder von uns auf einiges hinweisen, was er oder sie prima gemacht hat, wo es weiß Gott viele Früchte meines und Ihres Lebens gibt.
  
  Jesus wird unangenehm genau: Es geht ihm ausschließlich um unser Reden: V. 36f.
  An dem, was wir sagen, ist es zu erkennen, ob wir wirklich ein guter Baum sind, in dem Gottes Geist Raum findet. An dem, wie wir übereinander und voneinander reden, ist zu erkennen, ob wir ein guter Baum werden und ob Gottes Liebe Wurzeln in unserem Wachsen treibt. So sagt es Jesus.
  
  Liebe Gemeinde, ich will jetzt ganz bewusst nicht darüber reden, was Jesus meint, wenn er sagt: V. 33b. 35 b.
  Hier sind mir genügend Beispiele eingefallen, wo ich Gott in der Beichte um Vergebung für mich bitten musste. Wahrscheinlich habe ich noch manches übersehen. Ich muss da Gott immer wieder um die Kraft bitten, mich zu ändern. Es fällt mir schwer, aus den eingefahrenen Gleisen, dem üblichen Gerede und Mitlästern auszusteigen. Ich weiß, was Jesus da bei mir meint – auch wenn ich es in unfrommem Selbstbetrug noch viel schneller und öfter bei den Menschen um mich herum entdecke.
  
  Ich möchte heute mit Ihnen aber das andere anschauen, wo Jesus uns vor Augen stellt: V. 33a. 35 a.
  Es gibt Menschen, die beeindrucken mich dadurch, dass ich sicher sein kann: Diese Menschen reden über mich genauso, wenn ich im Raum bin, wie wenn ich nicht mit anwesend bin. Die sagen mir dieselben harten und kritischen Worte ins Gesicht, die sie auch anderswo über mich äußern. Diese Menschen loben mich im persönlichen Gespräch genauso, wie sie mich am Stammtisch und im Gespräch über den Gartenzaun mit dem Nachbarn loben.
  In ihrem Reden hat Gottes Geist Raum genommen. Diese Menschen nehmen Jesu Gebot wirklich ernst: „Du sollst Deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Du sollst dir selber und deinem Nächsten harte Wahrheiten nicht ersparen! Du sollst Dir selber und Deinem Nächsten die Freude und das Lob nicht versagen!
  Martin Luther hat in seiner Auslegung zum Gebot über das Reden des Menschen für mich unvergleichlich treffend auf den Punkt gebracht, warum Menschen dank Gottes Geist gute Bäume sind.
  Er sagt im Kleinen Katechismus: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten’? Was ist das? Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren.“ (EG, S. 1555)
  
  Wenn wir das durch den uns von Gott geschenkten Glauben tun‚ „Gott fürchten und lieben, unseren Nächsten entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren“, dann können wir uns Jesu Worte ganz gelassen anhören. Wir können ehrlich schauen, wo wir uns noch besser mit unserem Reden verhalten sollten. Wir nehmen dann Jesu Worte ernst: V. 36f.
  Wenn wir das tun: „Gott fürchten und lieben, unseren Nächsten entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum besten kehren“, dann sind wir wirklich ein guter Baum, weil Gottes Geist in uns Raum genommen hat.
  
  Liebe Gemeinde, Luther legt da die Messlatte eigentlich sehr tief, wenn er sagt: Es genügt schon, wenn wir unseren Nächsten nicht belügen, ihn nicht verraten, ihn nicht verleumden und ihren oder seinen Ruf nicht verderben. Schon dann können die Menschen in uns einen guten Baum entdecken, in dem Gottes Geist wirkt.
  Da fallen mir und Ihnen in unserem Umfeld auch hier im CVJM sicher nicht wenige gute Bäume ein, in denen Gottes guter Geist wirkt:
  
  So ein guter Baum sind Menschen als Schülerin, als Schüler, wenn sie für einen Lehrer oder  eine Lehrerin eintreten, die ganz offensichtlich zu Unrecht schlecht gemacht werden.
  So ein guter Baum sind Menschen, wenn sie sich für Mitschüler, Mitstudierende oder Kolleginnen einsetzen, über die ganz gezielt Unwahrheiten erzählt werden, um sie schlecht zu machen.
  So ein guter Baum sind Menschen als Familienmitglieder, wenn sie widersprechen und auf der Wahrheit bestehen, falls in der Familie über andere nur schlecht geredet wird. Wir können und müssen – nach Jesu Worten – da widersprechen. Wir müssen auch den Betroffenen eine Chance geben, sich zum Tratsch der Familie zu äußern.
  So ein guter Baum sind Menschen als Bürgerinnen und Bürger hier in der Stadt Erlangen, wenn sie mutig das Wort ergreifen für andere, über die wegen ihrer Nationalität, wegen ihres Aussehens, wegen ihrer Familienverhältnisse, wegen ihrer Armut oder ihrer Partnerschaften hergezogen wird. Genau dies ist nämlich im öffentlichen Tratsch und beim Gespräch mit den Nachbarn nach Luthers Überzeugung unsere erste Christenpflicht, „alles zum Besten zu kehren“.
  So ein guter Baum sind wir als Glieder des CVJM und unserer Kirchengemeinden, wenn wir uns gerade auch für Glieder einsetzen, die ihren Glauben anders denken, leben und feiern als wir selber. Unsere eigene Furcht vor Gott und das Vertrauen auf Gottes Liebe zu allen seinen Kindern bringen wir in solcher Fürsprache zum Ausdruck.
  Ihnen, liebe Gemeinde, sind jetzt bestimmt wie mir noch viele Situationen eingefallen, wo wir mit unserem Reden so ein guter Baum sein können, in dem Gottes Geist Raum findet.
  
  Das Nachdenken über uns selber an diesem Buß- und Bettag, Gottes Angebot in der Beichte, uns zu vergeben, uns seinen Heiligen Geist als Kraft zur Veränderung zu geben und uns einen Neuanfang zu ermöglichen, könnten da ja dann wieder einmal die nötige Baumpflege gewesen sein.
  Gott traut uns zu, dass wir ein guter Baum sein können, in dem Gottes Geist Raum findet.
  Jesus traut uns das tatsächlich zu, dass von uns gesagt wird:
  V. 33a. 35a.
  Deswegen sagt Jesus aber eben in aller Deutlichkeit:
  V. 36f.
  Jesus möchte uns als Gäste an seinem Tisch beim Abendmahl mit seiner Liebe dazu dringen, dass seine Liebe durch den Heiligen Geist weiter Wurzeln in unserem Alltag schlägt.
  Gott will, dass es gerade das, was wir so dahin sagen, ist, was dazu beiträgt, dass wir in Frieden beieinander wohnen, Gebeugte stärken und die Schwachen schonen.
  Wir können Gottes gute Bäume im oft nicht überschaubaren Dschungel dieser Welt sein. Wir können als Schwestern und Brüder so den letzten Heilgen Willen des Herrn erfüllen. (EG 221)
  Diesen Heilgen Willen Gottes für uns mache der Heilige Geist an uns, unseren Worten, in dem, was wir reden, wahr. „Dein Wille, Herr, geschehe!“ Amen.
Perikope
16.11.2011
12,33