Predigt zu Matthäus 13, 44-46 von Karin Klement
13,44
(Hinweis: An diesem Sonntag gibt es neben einem normalen Hauptgottesdienst in einer kleinstädtischen Gemeinde, zu dem drei Brautpaare eingeladen sind, einen Gottesdienst mit fünf Taufkindern und ihren Familien in einem eher ländlichen Bereich.)
Liebe Tauffamilien, liebe Gemeinde!
Was ist für Sie der „Himmel auf Erden“? Oder für euch KonfirmandInnen: Was würde euch vor lauter Freude total ausrasten lassen, sodass euch alles andere dafür völlig egal wäre? Was ist so wunderbar, so überwältigend, dass einem Menschen echte Tränen vor Glück aus den Augen fließen?
Für alle, die einmal Eltern geworden sind, mag das bestimmt jener Augenblick gewesen sein, als ihr Kind das Licht der Welt erblickte. Selbst jene, die letzte Woche nur mittelbar beteiligt waren, die Fans der britischen Königsfamilie, reagierten auf die Geburt ihres neuen Prinzen total begeistert, enthusiastisch. Wir können kaum anders, als fasziniert zu sein, wenn uns ein solcher Schatz, ein neues Leben begegnet: Sein erster unüberhörbarer Schrei, sein zerknautschtes, aber wunderschönes Gesicht. Seine Bewegungen, mit denen es sich in der ungewohnt leichten Luft zu orientieren versucht. Oder noch ganz anderes. Die Einmaligkeit dieses neuen Wesens, dem schon alles gegeben ist, was es zum Leben braucht. Als ob ein gold-glänzender Stern sich mit der dunkelbraunen Erde verbunden hätte – und etwas unendlich Kostbares ist daraus entstanden. Ein unverdienter Schatz, geschenktes Leben mit Körper, Geist und Seele. Buchstäblich ein Stück Himmel auf Erden.
Und wie es das für Verliebte? Zwei Menschen, denen das Herz aufgeht, wenn sie nur die Stimme des jeweils anderen hören oder sein/ihr Gesicht betrachten. Die voller Sehnsucht den Duft des anderen inhalieren oder die letzten Kuchenkrümel von seinen oder ihren Lippen ablecken. Der ganz irdische Geschmack der Liebe, im Himmel erträumt, auf Erden im Alltag erfahren.
Glücksmomente, auf die wir hinarbeiten können oder zielstrebig danach suchen, z.B. indem wir besonders achtsam miteinander umgehen. Oder die uns mitten im Alltag bei der Arbeit, im Ausruhen überraschen: himmlische Momente, wenn sich alles einfach gut und richtig anfühlt. Erfahrungen, die wir nicht erzwingen können. Sie fallen uns vielmehr wie ein Zu-Fall in die Augen, in den Schoß, in die Gedanken oder ins Herz hinein.
Glücksmomente, nach denen wir uns sehnen. Dass Menschen glücklich sein wollen, wusste JESUS bestimmt sehr genau. Immer wieder gibt er Beispiele dafür, wie Menschen sogar mehr als glücklich werden, nämlich selig, obwohl äußerlich alles dagegen spricht: Selig die Leidtragenden. Selig die geistlich Armen, jene, die sich ihrer Bedürftigkeit gegenüber Gott bewusst sind. Selig, die da hungern und dürsten nach Gerechtigkeit – solange und weil diese immer noch fehlt. In seinen Gleichnissen erzählt er von Gottes Welt, die so ganz anders ist, als wir unser irdisches Dasein erleben: voll grenzenlosem Heil, reich erfüllt bis obenhin und ohne jede Spur einer bitter-süßen Sehnsucht nach mehr. Das Paradies auf Erden. Eine Situation, die sich niemals verändern soll.
Doch das Leben muss hier und heute gestaltet und verantwortet werden. Im Wandel, in den unaufhaltbaren Veränderungen. Visionen können dabei helfen, eine Richtung vorgeben, ein Ziel anpeilen. Gottes Himmelreich als ein Zustand, in welchem uns nichts mehr fehlen wird. In welchem alles aufgehoben und beheimatet ist, was wir verloren glaubten. Und das Wunderbarste daran ist: es will keine Utopie bleiben, sondern ernsthaftes Ziel sein, eine realistische Aussicht. Auch wenn wir sie vorerst nur in Ansätzen wahrnehmen können, dort, wo Heilvolles geschieht, das Gute, Wahre sich inmitten dieser Welt zeigt.
Wie ist das nun mit dem „Himmel auf Erden“ – für Sie als Eltern heranwachsender Kinder? Oder für Sie als Liebende, die sich nach Liebe sehnen und Liebe schenken möchten? Und für Euch Jugendliche, die ihr mit so viel Realismus und praktischen Fragen an euer Leben herangeht? Was bedeutet Euch, was bedeutet Ihnen „der Himmel auf Erden“? Vermutlich hat jede und jeder ganz unterschiedliche, aber wundervolle Träume davon.
Und, wenn Sie es wissen, falls ihr euch im Klaren darüber seid: Was tut ihr dafür? Wieviel setzen Sie ein dafür, dass Ihr Traum wahr wird?
JESUS erzählt dazu Geschichten. Manchmal äußerst knapp, wie z.B. diese: (Mt 13, 44-46) „Das Himmelreich gleich einem SCHATZ, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg. Und IN SEINER FREUDE ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.
Wiederum gleicht das Himmelreich einem KAUFMANN, der gute Perlen sucht. Und als er EINE KOSTBARE PERLE fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“
JESUS überlässt das Ausmalen dieser Geschichten seinen Zuhörenden. Sie sollen sich Gedanken darüber machen und ihre eigenen Antworten finden. Wo finde ich denn so unerwartet einen Schatz in all dem, was ich beackere? Wo überrascht mich eine Freude so sehr, dass ich alles andere vergesse? Gibt es sie überhaupt, die EINE PERLE, für die es sich lohnt alles Bisherige aufzugeben?
JESUS bringt Gott mitten ins Alltagsgeschehen hinein. Seine Geschichten leiten an, wie Menschen glücklich werden können. Wie sie Lebenskunst lernen, ein Basisvertrauen, geliebt und gewollt zu sein. Aber er gibt nur Anregungen; suchen und finden müssen wir schon selbst. Und wir tun es, weil wir über unser Leben nachdenken.
Liebespartner als Schatzfinder
Da pflügen und hegen zwei Menschen den Acker ihres Lebens. Sie haben sich zusammengetan, bewässern ihre Furchen, säen die Saat aus, ernten und pflanzen Neues wieder ein. Mühsam, anstrengend werden die Tage. Streit kommt auf, harte Worte, Frustrationen. Wie sollen sie sich an ihre Liebe erinnern, wenn diese tief verbuddelt liegt unter dem Alltagsdreck? Sie haben aufgegeben danach zu suchen. Schon zu vieles ist falsch gelaufen. Zu viele gegenseitige Verletzungen. Sie wollen sich trennen. Beim Ausräumen auf dem Dachboden fällt ihnen plötzlich eine Schatzkiste in die Hand: Fotos aus der Anfangszeit ihrer Liebe. Weißt du noch, wie du damals gelacht hast, weil ich mich so blöd anstellte und die Meereswelle mich einfach umschubste? Aber dann hast du mich ganz schnell aus dem Wasser gezogen und warst sehr besorgt, dass ich wieder Luft bekam. Ach ja, und hier der Umbau unserer Garage. Hand in Hand werkelten wir beide jeden Abend, fielen erschöpft ins Bett. Aber wenn dein Haar mich am Ohr kitzelte, konnte ich einfach nicht einschlafen, bevor wir… na, du weißt schon.
Und plötzlich ist sie wieder da, die Liebe, fühlbar in ihren Herzen.
Freude und Glück wachsen aus der Erfahrung, dass Veränderungen möglich sind. Und dass wir Menschen selbst etwas dafür tun können: uns innerlich öffnen, aufeinander zugehen. Glück ist wie ein Aufatmen. Wie ein Lichtblick mitten im Trostlosen. Allerdings kommt das Glück nicht von außen auf uns zu. Es liegt in keinen Dingen, in keinem Verhalten, eher in unserer Lebenseinstellung, in unserer inneren Haltung. Ob wir glücklich werden, entscheidet sich in uns selbst.
Und der Kaufmann, von dem JESUS erzählt, der auf der Suche ist nach der einen vollkommenen Perle?
Wie überglücklich fühlen sich Eltern, wenn ihr Kind da ist. Die Geburt glücklich verlaufen; Papa, Mama, Kind wohlauf. Die Eltern tun alles dafür, dass ihr Schatz die besten Voraussetzungen findet, um im Leben optimal voranzukommen. Ihr Kind soll perfekt sein. All ihre eigenen Träume sollen sich am Kind erfüllen; es soll der perfekte Mensch werden: Mutter legt großen Wert auf eine exzellente Ausbildung. Vater wünscht sich sportliche Begabungen; wenn er sein Baby auf seinen Knien hoppsen lässt, hofft er schon die Fußballerbeine zu trainieren. Makellos soll das Leben ihrer kleinen Perle werden. Ein Sonnenschein ohne jeden Schatten. Dass es so nicht funktioniert, erleben Eltern spätestens, wenn ihr Kind die ersten Koliken bekommt und durch nichts zu trösten ist. Sein Schreien bringt sie an die Grenzen ihrer Ausdauer.
Gewiss, viele Erwartungen erfüllen sich. Ihr Kind wächst gesund und kräftig heran; ein wunderhübsches Gesicht, keine erkennbaren Defizite und klug obendrein.
Aber immer wieder auch Enttäuschungen: ihr Kind hat eigene Lebensträume, tritt nicht in die Fußstapfen der Eltern, geht oft sogar in die Konfrontation. Seine Klugheit, seine Begabungen verwendet es entgegen allen elterlichen Vorstellungen.
Unglücklich machen Eltern sich, wenn sie ihre Erwartungen himmelhoch schrauben, quasi mit ihren Träumen für das Kind über den Wolken schweben und die Bodenhaftung verlieren. Unglücklich fühlen sie sich aber auch, wenn sie aus ihren End(!)-Täuschungen heraus gar nichts Gutes mehr an ihrem Kind wahrnehmen können. Wenn sie ihre Träume, Visionen, Ziele komplett aufgeben. Einen Mittelweg zu finden zwischen Gelassenheit und Sehnsucht danach, ihr Kind glücklich zu sehen, das könnte ein Weg sein, auf dem sie selbst glücklich werden.
Glück ist dann nicht ein Zufallstreffer bei ihren Bemühungen, ihrem Kind den Weg zu ebnen, sondern ihre eigene positive Einstellung. Sie entdecken, dass es gut ist, so wie ihr Kind sein Leben in die kleinen Hände nimmt. Auch mit dem, was offenbleibt oder nicht gelingt.
Glück ist kein Zufallsfund, sondern verbunden mit harter Arbeit. Äußerlich und innerlich. Aber ein zufallendes Geschenk, wenn wir uns öffnen für die Erfahrungen in dieser Welt. Entscheidend ist, dass wir festhalten, was uns Menschen Gutes widerfährt: Wo wir Probleme lösen können, Konflikte überwinden, schwierige Beziehungen sich verbessern. Wo wir anderen eine Hilfe sind und Träume sich ansatzweise erfüllen. Wirkliches Glück ist wohl immer nur das, was wir in uns fühlen.
JESUS erzählt solche Geschichten, um zu zeigen, dass Gottes Himmelreich auf diese Weise zur Welt kommt. Dass es hereinbricht in die Herzen von Menschen und unser Leben mit Inhalt und Sinn füllt. Gott selbst ist der Schatz im Acker unseres Alltags. Gott ist die eine wirklich vollkommene Perle, die uns verlockt, das Leben zu lieben. Und umgekehrt sind wir Gottes Schätze, über die er sich unendlich freut, wenn er sie auf seiner Erde findet. Für die er alles hingibt, um unsere Seelen freizukaufen.
AMEN
Perikope
28.07.2013
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