Predigt zu Matthäus 2,1-12 von Axel Denecke
2,1-12

Predigt zu Matthäus 2,1-12 von Axel Denecke

1.

Die drei „Weisen“ (volkstümlich „Könige“ aus dem „Morgenlande“ als Licht-Bringer zum Epiphaniasfest. Eine ganz bekannte Erzählung –jeder kennt sie- mit einer ganz unbekannten Entstehungsgeschichte. Die klugen Bibelforscher sind sich ganz uneinig, wie diese legendenhafte Erzählung entstanden ist, wie sie in die Bibel (nur Matthäus berichtet davon) hineingelangt ist und vor allem: Was sie bedeuten soll. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ hat einmal ein sonst sehr kluger Ausleger offen und ehrlich gesagt: Ja, was soll es bedeuten?

Volkstümlich ist das ganz klar. Die „Sternensänger“ ziehen wieder umher, in diesem Jahr von Paderborn, dieser ehemals (doch auch jetzt noch?) erzkatholischen Enklave ausgesandt, und sammeln sozial kirchlich abgesegnet gute Gaben ein. „Caspar, Melchior und Balthasar“ ziehen als  kleine „heilige Drei Könige“ von Haus zu Haus, bringen eine Segensrune an der Haustür an und sammeln für einen wirklich guten Zweck für die  immer noch dritte Welt, aus der diese Könige einst stammen sollen. Sie kamen ja von weit her, um das Kind im Stall anzubeten. Volkstümlich also ganz klar und ich hab sogar den Eindruck: Diese schöne alte Sitte wird von Jahr zu Jahr populärer. „Licht-Bringer“ sind die drei Könige, bringen zu Epiphanias etwas Licht in unsere meist recht dunkle Welt. Etwas Licht immerhin. Schön so.

2.

Doch der Ursprung dieser Geschichte liegt ganz im Dunkeln und wir haben –leider?- den ursprünglichen Sinn noch nicht recht herausgefunden. Die Bibelforscher –ich sagte es schon- rätseln darüber. Warum nur bei Matthäus? Warum so unvorbereitet und auch ohne Nachbereitung in die Bibel aufgenommen? Kein Bereicht der Bibel nimmt noch einmal darauf Bezug. In der Bibel sind es „Magier“, also „Sterndeuter, Astrologen“, weise Männer, die mehr sehen und wissen als andere. Später wurden „Könige“ daraus? Warum? Weil sie –so die Erzählung- spornstracks zum König Herodes ziehen, um den neugeborenen Messais dort zu finden? Und wie wurden sie zu Caspar, Melchior und Balthasar? Und wie kommen sie dazu, auf einmal zu träumen, nicht zu Herodes zurück zu kehren? Haben sie das später selbst anderen erzählt? Ach, so viel Fragen, allzu viele, wenn sich historischen Erinnerungsschnipsel mit legendären Ausmalung verbinden.

Ich hab selbst als lang geübter Prediger über diese Geschichte noch kaum nachgedacht, hab sie auch nicht sonderlich ernst genommen. Erst jetzt bin  ich darauf gestoßen worden und will nun versuchen, einen guten Sinn für uns heute zu finden, damit das Ganze für uns auch einmal eine innere Bedeutung erhalten kann. Finden will ich die Deutung, nicht erfinden, finden will ich sie nach den Angaben des Schreibens dieser Erzählung.

3.

Drei „Magier“ waren es (so die Bezeichnung sowohl im griechischen wie lateinischen Text), die da, von einem Stern geleitet, den „Messias“ der Welt suchten. „Magier“ waren im alten Orient auch „Astrologen“, also „Sterndeuter“, man kann sie zu Recht auch als „Weise“ bezeichnen. Denn sie sehen mehr als andere, sie sehen innere Geheimnisse. Sie sehen höher und tiefer, sie sehen nicht nur das Äußere, und wenn sie auch zunächst das Äußere sehen –sie verirrten sich ja zunächst nach Jerusalem zum König- so werden sie doch dann nach Innen geleitet, durch Visionen, durch Träume, durch eine innere Schau. Kein Zufall, dass Sie durch einen Traum auf den richtigen Weg geleitet werden. Vielleicht sind sie ja nicht nur „Sterndeuter“, sondern auch „Traumdeuter“ wie der alte Joseph im erste Mose-Buch, wie der junge Joseph, Vater von Jesus, wie viele andere prophetische Gestalten der Bibel, uns meisten weit voraus. Nicht im äußeren Wissen, sondern im inneren Sehen, im Schauen einer Welt, die wir alle leicht zu übersehen geneigt sind. Vielleicht, sagte ich. Vorerst nur eine Vermutung.

Aus dem „Morgenlande“ kommen sie, heißt es. Also aus einem fremden Lande, wohl geheimnisvoll. Im griechischen Texte heißt weniger geheimnisvoll einfach „Anatolien“. Kennen wir, gibt es auch noch heute: Jedenfalls kommen sie aus dem Ausland. Keine Einheimischen sind es. Fremde, Fremdlinge, also Ausländer,  vielleicht gar haben sie eine andere Religion oder auch gar keine, sind nach den Maßstäben Israels „Heiden“ Vielleicht, sage ich wieder. Vorerst nur Mutmaßungen.

4.

Merkwürdig das Ganze. Warum nur wird davon wie so zufällig, ohne Vor- und Nachbetrachtung in der Bibel berichtet? Was soll das? Und es geht ja noch weiter. Die drei Männer (es waren wohl Männer, oder?) ziehen zunächst nach Jerusalem, ins helle und durchaus auch strahlende Zentrum des Ganzen. Zum König Herodes. Ist so üblich. Da erwartet man das neue Licht, da soll der Stern aufgehen. Wo denn auch sonst?  Da sind sie, diese weisen Magier, ganz von dieser Welt, da sind sie ganz unweise und ohne Sinn für die Magie. Sind also keine Dauerweisen mit magischen Zauberkräften. Fallen wie wir alle herein auf den äußeren Schein, auf die „normenbildende Kraft des Faktischen“. Von Jerusalem natürlich, vom König natürlich muss der neue Stern ausgehen. Wenn es einen Messias, einen Retter der Welt gibt, dann eben von dort. Nun ja, ich will das gar nicht weiter ausziehen und auf heute übertragen. Es gehört nur wenig Phantasie dazu, dies mit unserer heutigen online-Kultur in Verbindung zu bringen.

Doch dann werden sie eben umgeleitet. Müssen äußerlich umdenken, innerlich umkehren. Wie das ja auch bei uns selbst, unsere Mitte finden wollen. Da gibt es äußerlich Umwege, auch Irrwege, innerlich eine Umkehr, Neuorientierung.  Ins armselige Bethlehem werden sie  also vom Stern geleitet.   Äußerlich werden sie geleitet ins Abseitig-Enge, ins verlassen Dunkle. „Das Licht scheint in der Finsternis“, dieser geheimnisvolle Satz des Johannes leuchtet von Ferne auf. Bethlehem, damals wirklich ein armseliger Ort, vielleicht aber auch arm und  selig, wer weiß. Und sie kommen hin, finden das Kind, fallen nieder, beten an, breiten ihre Schätze vor dem Kind aus, innere Schätze denke ich, auch wenn  es mit Gold, Weihrauch und Myrrhe äußerlich verklärt wird, innere Schätze, ihr Leben, ihre Weisheit, ihren Glauben – Magier und Sterndeuter und Traumkenner und Propheten und Weise und Lebenskünstler, die sie sind. Sie haben ihr Ziel gefunden, Ziel ihres magischen Lebens. Und im Traum wird ihnen bewusst, das war es also. Mehr brauchen wir nicht. Nicht wieder zurück zum Strahle-König Herodes, denn wir haben ja das Licht gesehen, das innere Licht, unser inneres Licht. Epiphanias ist für uns, für uns und für jeden, der sich auf diesen Weg macht.

5.

Also wunderbar. Schon bin ich dabei, das Ganze auch auf mich, auf uns zu übertragen. Schon bin ich dabei, eine Antwort auf meine Eingangsfrage zu erhaschen, ja gar zu finden. Man muss schon weise sein, weise geworden sein (von Magier und Magie will ich hier gar nicht sprechen), man  muss schon hinter die äußeren Dinge schauen, man muss von innen sehen gelernt haben, um das „Licht des Lebens“ zu finden. Ist nicht leicht, man ist zu schnell vom äußeren Glanz geblendet, verirrt sich zu schnell nach all den Jerusalems unserer Erde. Der Abend- und Morgenstern unseres Lebens er blendet nicht, ist auch manchmal verdunkelt, man muss schon genau und geduldig und beständig hinschauen, um ihn zu sehen. Vielleicht muss man gar angeln mit Geduld, um ihn im dunkle Brunnen zu entdecken, tief unten, wo ihn keiner vermutet. „Am Brunnenhand hocken – entsunkenes Licht zu angeln – mit Geduld“ hat einst Pablo Neruda, auch ein weiser Mann, vielleicht gar Sterndeuter, gedichtet. Ja, es gibt diese weisen Menschen (Männer und Frauen), diese Sterndeuter, diese Traumkenner, diese Lebenspropheten auch noch heute. Wir sind umgeben von ihnen, wenn wir nur nicht ständig auf unsere großen Jerusalems starren und uns von seinem gleißenden Licht blenden lassen. Ja, es gibt sie auch noch heute, mitten  unter uns, vielleicht gehören wir gar selbst dazu.

6.

Und daher meine ich: Matthäus (oder wer auch immer) hat ganz bewusst diese merkwürdige Geschichte in sein Evangelium eingeschoben. Um Gott in seinem Leben zu finden, muss man wie diese drei unbeirrt auf die Suche gehen, von weit her, muss man ein Weiser sein, muss man nach innen schauen, nach innen in sich hinein, nach innen in diese Welt, muss man quasi die ganze Welt von innen sehen. Und dann landet man eben nicht in Jerusalem, sondern in Bethlehem. Dann geht einem ein Licht auf gerade im Dunkeln, in den dunkelsten Stunden des Lebens. Dann wird es auf einmal hell, unser Leben wird neu erleuchtet und erscheint im rechten Licht. Epiphanias. Gott erscheint uns, erscheint in uns. Ich denke, das wollte Matthäus (oder wer auch immer) seinen Leuten damals und uns heute einschärfen.

Machts in eurem Leben so wie die drei magischen Weisen, diese drei Männer, die nach innen schauten, auf ihre Träume hörten, ihren Stern suchten, gerade ihren Sten und ihn richtig deuten. Machts wie sie – und ihr findet nicht nur das Kind, das später Messias genannt wurde, sondern ihr findet euch selbst, das Innerste von euch, das wahrste, findet gar Gott in euch.  Und Gold, Weihrauch und Myrrhe sind dann äußere Symbole für den inneren Reichtum, der in euch ruht.  Der schon von Ur an ruht, vielleicht im Dunkeln in euch verborgen ist, den ihr aber wieder ans Licht bringen könnt, „entsunkenes Licht zu angeln mit Geduld“ … wie diese drei weisen Männer, mythologisch fern aus uralten Tagen … wie ihr im Tiefsten weise Frauen und Männer heute, die ihr –ihr glaubt es ja kaum- tatsächlich weise seid, reich an Gold, Weihrauch und Myrrhe.

 

Perikope
Datum 06.01.2015
Bibelbuch: Matthäus
Kapitel / Verse: 2,1-12
Wochenlied: 70 71
Wochenspruch: 1 Joh 2,8b