Predigt zu Matthäus 22, 1-14 von Thomas Bautz
22,1

Predigt zu Matthäus 22, 1-14 von Thomas Bautz

Mt 22,1-14[1]
Als die Hohenpriester und Pharisäer seine Gleichnisse hörten, merkten sie, daß er von ihnen spricht. Und sie suchten ihn zu ergreifen; sie fürchteten aber die Volksmengen, weil ihn (diese) für einen Propheten hielten. Und Jesus fuhr fort und sprach wieder zu ihnen in Gleichnissen.
Das Königreich der Himmel ist mit der Wirklichkeit in der folgenden Geschichte von einem Menschenkönig zu vergleichen, der ein Hochzeitsmahl für seinen Sohn veranstaltete.[2]
Und er schickte seine Sklaven, um die [bereits] Eingeladenen zum Hochzeitsmahl zu rufen, aber sie wollten nicht kommen. Da schickte er noch einmal andere Sklaven und sagte: Richtet den Eingeladenen aus: Hört her! Ich habe mein Mahl vorbereitet, meine Stiere und die gemästeten Tiere sind geschlachtet, und alles ist bereit! Kommt zum Hochzeitsfest! Sie aber gingen weg, ohne sich beeindrucken zu lassen, einer zu seinem eigenen Ackerland, ein anderer zu seinen Geschäften.[3] Die übrigen Eingeladenen überwältigten die Sklaven des Königs, misshandelten sie und töteten sie. Da wurde der König zornig, schickte seine Truppen, vernichtete jene Mörder und verbrannte ihre Stadt.
Dann sagte er zu seinen Sklaven: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, doch die Eingeladenen waren es nicht wert. Geht hinaus zu den Stadttoren auf die Straßen und Landstraßen und ladet alle zum Hochzeitsfest ein, die ihr findet. Und diese Sklaven gingen hinaus auf die Straßen und sammelten alle, die sie fanden, böse und gute. Und das Hochzeitsfest war gefüllt mit Menschen, die zu Tische lagen.
Als aber der König hineinging und die zu Tische Liegenden mit (seinen) Augen maß,[4] sah er dort einen Menschen, der trug keine der Hochzeit angemessene Kleidung.[5] Und er sagt zu ihm: Mein Lieber, wie bist du hier hereingekommen ohne festliche Kleidung? Der aber blieb stumm.
Da sagte der König zu seinen Tischdienern: Bindet ihm Füße und Hände zusammen und werft ihn hinaus an einen Ort, an dem absolute Finsternis herrscht. Dort wird er schreien und vor Todesangst mit den Zähnen knirschen. Denn viele sind gerufen, aber nur wenige erwählt, [d.h.: Gott ruft alle Völker, aber das schwächste liebt er besonders.][6]
Da gingen die Pharisäer und fassten den Beschluss, ihm mit einem seiner (nächsten) Aussprüche eine Schlinge zu legen [d.h.: … ihm das Wort im Munde zu verdrehen].[7]
Liebe Gemeinde!
Gleichnisse sind im weitesten Sinne auch Poesie. Ich wähle daher einen poetischen Einstieg.[8]
Wenn je die Gottheit, tief und unerkenntlich
  in einem Wesen auferstand und sprach,
  so sind es die Verse, da unendlich
  in ihnen sich die Qual der Herzen brach;
  die Herzen treiben längst im Strom der Weite,
  die Strophe aber streift von Mund zu Mund,
  sie übersteht die Völkerstreite
  und überdauert Macht und Mörderbund.[9]
Poesie – die Macht und Mörderbund überdauert? Ja, unbedingt, bedingungslos und – wenn es sein muss – sogar erbarmungslos! Es gibt quasi „göttliche“ Poesie – da unendlich in ihnen sich die Qual der Herzen brach [widerspiegelte], so dichtet trefflich Gottfried Benn.
„Die wirklichen Dichter sind […] von Göttlichem erfüllt […]; sie sind im prägnanten Sinne des Wortes begeistert“, lernen wir bei Sokrates.[10]
Einen hohen Rang erhält die Poesie bei Johann Gottfried Herder und Johann Georg Hamann, indem beide die „Poetik der Bibel“ wiederentdecken und Hamann die Poesie sogar als Sprache des Menschengeschlechts versteht..[11]
Man nannte uns ein Volk der Dichter und Denker.[12] Ja, liebe Gemeinde, mir scheint, das ist Vergangenheit. Einem großen Teil der Bevölkerung ist das Dichten vergangen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Es geht weder um die Hohe Minne, noch müsste sich jeder Dritte zu einem Lyriker par excellence entwickeln. Ich denke schlicht an eine schöne Gewohnheit aus der Jugendkultur: In frühester Jugend haben Mädchen, für kurze Zeit in den 1980er Jahren auch Jungen, Poesiealben als eine Art Tagebücher gepflegt – mit Zeichnungen, Aufklebern, Ausschnitten aus Zeitschriften usw. geschmückt – und ihnen ihre Geheimnisse anvertraut. Sie enthielten häufig auch liebe gewordene Texte: Sprüche, Gedichte u.ä. Erwachsenen war die Lektüre untersagt.Moderne Poesiealben heißen nun Freundschaftsbuch oder Meine Freunde und lassen Platz für Fotos, Hobbys, Lieblingssongs usw.
Warum erzähle ich Ihnen das? Weil ich es für wichtig erachte, dass wir wo immer wir als Familien, als Lehrer, als Erzieher, als Geistliche die Möglichkeit und die Verantwortung haben, dafür werben, dass unsere Kinder, unsere Jugend, auch wir Erwachsene selbst, die Sprache der Poesie nicht verlernen. Es gibt so viel Freude, Frohsinn, Glück, inneren Frieden, aber auch so viel Leid, Schmerz, inneren Unfrieden – und all das vermag sich oftmals nicht in der Alltagssprache und für die meisten Menschen in unserer Gesellschaft auch nicht mehr in einer „Sakralsprache“ [biblische, liturgische Texte, Kirchensprache] auszudrücken.
Liebe, innige Zuneigung, Versöhnungsbereitschaft, aber auch Hass, Groll, Bitterkeit, Unversöhnlichkeit – all das braucht häufig ein „Medium“, das noch relativ unverbraucht ist, kein Instrument floskelhafter Manövriertechniken eines Aneinandervorbeiredens.
Poesieist meist spontan, kommt vom Herzen, sie ist emotional – eben nicht rational durch-dacht, aber eben auch nicht gedankenlos. Ich sagte eingangs, Poesie könne, ja, müsse manchmal erbarmungslos sein. Das gehört zu ihren Aufgaben, wenn sie wahrhaftig, aufrichtig, authentisch bleiben will. Sie muss gewaltig sein, will sie der Gewalt (in jeder Form) entgegentreten. Die Dichtkunst soll kunstvoll sein, und dennoch wird sie Klartext reden für die Redlichen. Poesie wird sich nicht für die Propaganda der Mächtigen in den Dienst nehmen lassen – egal ob sie aus Politik, Wirtschaft oder gar aus der Kirche kommen; aber sie ist streitbar und will durchaus Einfluss ausüben. Es kommt allerdings auch vor, dass es selbst den Künstlern – wenn nicht der Kunst selbst – die Sprache verschlägt:
1949 war der jüdische Philosoph Theodor Wiesengrund Adorno aus seinem amerikanischen Exil nach Frankfurt zurückgekehrt und schrieb an seinem Essay Kulturkritik und Gesellschaft, der seine Berühmtheit einem einzigen, für die deutsche Literatur nach 1945 folgenschweren Satz verdankt: „Kulturkritik findet sich der letzten Stufe der Dialektik von Kultur und Barba-rei gegenüber: nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch, und das frisst auch die Erkenntnis an, die ausspricht, warum es unmöglich ward, heute Gedichte zu schreiben“.[13]
Nun, dem hat der jüdische Dichter Paul Celan heftig widersprochen. Mit Recht, denn wenn es auch unmöglich ist, dem beispiellosen grauenhaften, perfekt geplanten, organisierten, sinn-losen Morden in den Konzentrationslagern sprachlich nahezukommen – dann ist es desto wichtiger, schon um der unzähligen Opfer willen, dem Geschehenen ein Gedächtnis zu stiften und die Erinnerung auch künstlerisch, also auch poetisch wachzuhalten.
Jedes Volk hat seine Geschichte – seine Krisen, Intrigen, Kriege, Katastrophen, kollektive Leiden, Einzelschicksale u.v.m – in künstlerischer Form, z.B. in Liedern und Dichtkunst verarbeitet. Propheten, Weisheitslehrer und später Rabbiner haben verschiedene poetische Formen, u.a. auch Gleichnisse hervorgebracht. Bis heute beschäftigen sich Bibelausleger, Schriftsteller, Germanisten mit den Gleichnissen Jesu. Der Rabbi aus Nazareth wusste, dass viele seine Gleichnisse nicht verstehen. Dennoch hat er sie erzählt und sich dabei oft auch als Dichter gezeigt. Jesus verstand es auch zu provozieren, indem er Hörer veranlasste, Grenzen zu überschreiten, Abstand zu gewinnen von den gewohnten Verhältnissen. Er gab ihnen die Möglichkeit, ihr Leben auch einmal anders verstehen zu können. Jesus eröffnete seinen Hörern eine fiktive, mögliche, aber erstrebenswerte und aus seiner Sicht sogar realisierbare  Welt.[14] Seine Poesie stellte die soziale, wirtschaftliche, politische und religiöse Wirklichkeit in Frage. Er war für viele Rechtschaffene, Erfolgreiche, Fromme, Schriftgelehrte, Hohe-priester, aber auch für die „stink normalen Bürger“ ein Provokateur. Das schimmert durch alle Evangelien hindurch.
Wenn wir einige seiner Gleichnisse mit rabbinischen Gleichnissen vergleichen, wird es ein wenig leichter, sie zu verstehen. Das heute zu Gehör gebrachte Gleichnis wirkt zunächst geradezu brutal! Fachleute rechnen es zu den polemischen[15] oder Krisengleichnissen[16].
Die Handlung des Königs ist völlig überzogen: Er vergilt nicht nur Böses mit Bösem, indem er die Mörder seiner Sklaven, welche die Einladung zum Hochzeitsfest ein zweites Mahl überbringen, umbringen lässt, sondern indem er obendrein ihre Stadt [offenbar die Stadt ihrer Herkunft] durch Brandschatzungen vernichten lässt.
Es wäre frevelhaft, würden wir das Verhalten dieses Königs mit dem Verhalten „Gottes“ gleichsetzen. Denn es widerspricht der jüdischen Gottesvorstellung und der langen Tradition der Herrschaftskritik im Judentum.[17] Vielmehr spiegelt das Gleichnis – parallel zum voraus-gehenden Weinberggleichnis – sich zuspitzende soziale und politische Krisen im Land unter römischer Herrschaft mit einem hohen Gewaltpotential.[18] Viele Ausleger halten die Ver-nichtung der Stadt im Gleichnis für eine Anspielung des Mt auf die spätere Zerstörung Jerusalems (70 nChr.).[19] Wie auch immer – diese Stadt ist schon seit dreitausend Jahren ein Opfer von Gewalttaten verschiedener Besatzungsmächte. Jerusalem ist aber auch eine Stadt, ja, vielleicht gar ein Symbol des Widerspruchs: die goldene Stadt, die heilige Stadt und sogar die ewige Stadt – andererseits die Stadt des Unfriedens, die hoch explosive Stadt dreier Weltreligionen mit ihren je eigenen „heiligen“ [oder doch eher „scheinheiligen“] Stätten.[20]
Mich stimmt ein Jesuswort nachdenklich, dass wiederum schonungslos lautet (Mt 23,37):
Jerusalem, Jerusalem, welche die Propheten tötet und die steinigt, die zu ihr gesandt sind: Wie oft habe ich deine Kinder sammeln wollen, […], und ihr habt nicht gewollt!
Wie berechtigt und realistisch dieses Mahnwort ist, kann man historisch belegen – es gibt auch „genügend Prophetengräber in und um Jerusalem herum“.[21]
Nun sei davor gewarnt, alle Einzelheiten aus dem Gleichnis vom Hochzeitsfest allegorisch zu deuten, wie es in der Auslegungstradition immer wieder geschehen ist.[22] Das würde „die Juden“ nicht nur zu Mördern „der Propheten“, sondern auch zu Mördern der christlichen Märtyer abstempeln. Vielmehr erzählt Jesus von einem König, der nicht in erster Linie aus einer Gönnerlaune oder aus Großzügigkeit einlädt, sondern aus purem Eigennutz. Er will möglichst viele, vor allem einflussreiche Leute für sich gewinnen, damit sie nicht nur ihm, sondern auch seinem Sohn – im Rahmen des Hochzeitsfestes – als potentiellen Thronfolger huldigen. Einladungen wurden damals nicht schriftlich, sondern mündlich überbracht. Wie dieser König auf Ignoranz, Gleichgültigkeit und gewaltsame Ablehnung seitens der Einge-ladenen überreagierte, wissen wir bereits. Die mörderischen Handlungen auf beiden Seiten sind mehr als unverständlich. Dennoch müssen sie im Gleichnis einen Sinn haben.
Diesem kommen wir näher, wenn wir die weitere Handlung betrachten. Der Egoismus des Monarchen wird entlarvt durch die Art und Weise, wie er die schreckliche Kriegshandlung ganz lapidar kommentiert: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, doch die Eingeladenen waren es nicht wert. Hernach gingen seine Sklaven auf die Straßen und sammelten alle ein, wen auch immer sie finden konnten: Gute und Böse. Zuletzt war es dem Herrscher also ganz egal, wer seiner Einladung Folge leistete, Hauptsache die Masse wurde erreicht und das Haus, der Palast wurde voll – was dann auch der Fall war. Aber der König war immer noch nicht zufrieden. Er ging durch die Reihen derer, die auf dem Hochzeitsfest zu Tische lagen und speisten, maß sie (kritisch) mit seinen Augen und erblickte jemanden ohne angemessene Kleidung. Herablassend wurde dieser nur kurz vom Monarchen angesprochen und sofort erbarmungslos abserviert, gebunden und in ein finsteres Verließ, einen Kerker geworfen. Spätestens jetzt merkt jeder, dass Jesus diesen König niemals mit „Gott“ gleichgesetzt hat.
Hingegen entspricht es gut jesuanischer Verkündigung, sich „Gott“ barmherzig, einladend, werbend vorzustellen, ob er nun mit einem „König“, einem „Bräutigam“, einer fürsorgenden „Mutter“ oder einem beschützenden „Vater“ verglichen wird. Der Rabbi aus Nazareth ver-mittelt ein Gottesbild, das „Gott“ großzügig, gütig, liebevoll erscheinen lässt – ohne Ansehen der Person. Wenn im Gleichnis gegen Ende „Böse und Gute“ eingeladen und eingesammelt werden, gibt mir das zu denken. Es erinnert mich an (andere) paradoxe Formulierungen des Nazareners. Wenn er z.B. einem „guten“ Baum einen „bösen“ Baum gegenüberstellt; der eine trägt „gute“, der andere aber „böse“ („faule“) Früchte. Ein „guter Baum“ kann keine „faulen Früchte“ hervorbringen. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ – nämlich diejenigen, welche den Willen seines „Vaters in den Himmeln“ tun. Nun lassen sich diese Bildworte nicht direkt mit Menschen vergleichen: Wir sind weder gut noch böse – jedenfalls nicht im absoluten Sinne. Aber unser Handeln oder auch Unterlassen kann gut, schlecht oder böse sein.
Ob aber unser Handeln oder Verhalten als Tun dessen, was dem „Willen Gottes“ entspricht, also als „Frucht“ [des Geistes] zu erkennen ist, wird sich wohl erst im Einzelfall zeigen.
Eine andere Metaphorik ist die der Kleidung. Sie begegnet uns auch im Gleichnis vom Hochzeitsfest. Einem einzigen der Gäste – unter so vielen Geladenen – fehlte die angemessene, festliche Kleidung; darauf angesprochen, bleibt er stumm. Weiß er nicht, was er sagen soll, weil er sich seiner Armut und auch nur seiner Vergesslichkeit schämt? Eigenartig ist auch, dass diese zuletzt Eingeladenen offenbar ausnahmslos von den Straßen innerhalb und außerhalb der Stadttore „eingesammelt“ wurden. Auf den Straßen lebten die Armen, die Elenden, jedenfalls nicht die Vermögenden. Insofern spricht tatsächlich einiges dafür, dass der Gastgeber selbst für die adäquate Garderobe sorgte. Ansonsten wäre sein brüsker Vorwurf gegenüber dem „Aus-der-Reihe-Tanzenden“ gänzlich unberechtigt. Vielleicht hat sich dieser „Gast“ ja auch nur in diese Hochzeitsgesellschaft – so bizarr, befremdlich und bunt sich diese inzwischen ohnehin schon gestaltete – hineingeschlichen, indem er sich vorher unter das Volk mischte.
Worauf will Jesus unsere Aufmerksamkeit lenken? Worin liegt die berechtigte Warnung in diesem Gleichnis, und worin will er uns trösten und bestärken? Ich meine, dass der weise Rabbi – wie so oft – uns befreien will zu einer neuen Hinwendung zu dem, was uns bereits geschenkt ist; zu einem Leben, das dankbar empfängt; zu der Bereitschaft, sich fallen zu lassen, sich helfen zu lassen. Er möchte verhindern, dass wir uns generell durchs Handeln, durch unsere Aktivitäten, durch Rastlosigkeit, auf der ständigen Suche nach Erfolg und Anerkennung. In diesem Sinne lädt Gott uns ein, denn er hat schon für uns gesorgt – aber:
So ist der Mensch; wenn da ist das Gut, und es sorget mit Gaaben
  Selber ein Gott für ihn, kennet und sieht er es nicht.
  Tragen muss er, zuvor; nun aber nennt er sein Liebstes,
  Nun, nun müssen dafür Worte entstehn.
(Friedrich Hölderlin)[23]
Tragen, Ertragen, Empfänglichkeit, Loslassen, Zulassen; sich einladen und sich beschenken  lassen und dann poetisch, kreativ, schöpferisch werden – das wäre schön. Wir würden uns einstimmen lassen auf „himmlische“ Symphonien. Wir kämen auf ungeahnte Weise neu in Stimmung. Unser Leben wäre stimmig – nicht perfekt, aber gut aufgehoben. Dann können wir auch standhaft sein in Situationen, wo uns das Leben scheinbar Unmögliches, Unerträgliches abverlangt: „Es gibt kein Stehen, nur ein Getragenwerden“ (Franz Rosenzweig).[24]
Lassen Sie uns getragen, geborgen sein durch die Kunst: Poesie, bildende Kunst, Musik, Pantomime, Schauspielkunst, Tanz, Film und was auch immer Sie im Einzelnen anspricht. Freilich brauchen wir auch eine gewisse Sensibilität und ein Unterscheidungsvermögen, was hilfreich und förderlich ist – und was eher manipuliert, sich aufdrängt oder gar verletzt.
Doch ohne Kunst würden wir zerrieben zwischen verschiedenen Mächten – hören wir daher noch einmal auf die Poesie (Gottfried Benn):[25]
Zwei Welten stehn in Spiel und Widerstreben,
  allein der Mensch ist nieder, wenn er schwankt,
  er kann vom Augenblick nicht leben,
  obwohl er sich dem Augenblicke dankt;
  die Macht vergeht im Abschaum ihrer Tücken,
  indes ein Vers der Völker Träume baut,
  die sie der Niedrigkeit entrücken,
  Unsterblichkeit im Worte und im Laut.
AMEN.

  [1]    Für ein dem Gleichnis adäquateres Verständnis sollte der Kontext berücksichtigt und der literarische Rahmen  vorgetragen werden (Mt 21,45f; 22,15); zur Übersetzung s. Luise Schottroff: Die Gleichnisse Jesu (2005), 55-68: 55; Ulrich Luz: Das Evangelium nach Matthäus. EKK I/3 (1997), 203–252: 203ff.
  
    [2]    L. Schottroff begründet diese Paraphrase im Rahmen ihrer sozialgeschichtlichen Analyse; sie argumentiert gegen eine vorwiegend allegorische Interpretation des Gleichnisses, die den König häufig mit Gott gleich-setzt(e).
  
  
    [3]    Übersetzung: L. Schottroff, 55.
  
  
    [4]    Übersetzung: Th.B.
  
  
    [5]    Übersetzung: L. Schottroff, 55.
  
  
    [6]    Paraphrasierung und Deutung: L. Schottroff, 55 – Begründung: 66f.
  
  
    [7]    Paraphrasierung und Erläuterung: Th.B.; cf. U. Luz, 252f.
  
  
    [8]    Cf. Christoph Kähler: Jesu Gleichnisse als Poesie und Therapie (1995).
  
  
    [9]    Gottfried Benn: Gesammelte Werke in vier Bänden, hg.v. Dieter Wellershoff Bd. III: Gedichte (81992): „Verse“, 194f (erste Strophe).
  
  
    [10]  Günter Figal: Sokrates (3., überarb. u. erw. Aufl. 2006), 42.
  
  
    [11]  ÄGB 5 (2003), 238f, Aesthetica in nuce (1762), Hamann: Sämtl. Werke, hg.v. J. Nadler, Bd. 2 (1950), 197.
  
  
    [12]  Wikipedia zitiert mehrere verschiedene Herkunftsmöglichkeiten.
  
  
    [13]  http://www.hagalil.com/archiv/2000/11/celan.htm
  
  
    [14]  Cf. Wolfgang Harnisch: Die Gleichniserzählungen Jesu (21990), 158ff: 159.
  
  
    [15]  U. Luz, 196ff: „Die polemischen Gleichnisse (21,18–22,14)“.
  
  
    [16]  Joachim Jeremias: Die Gleichnisse Jesu (71965), 175ff.
  
  
    [17]  L. Schottroff, 60.
  
  
    [18]  L. Schottroff, 67f.
  
  
    [19]  Cf. W. Harnisch, 233.
  
  
    [20]  Daliah Lavi bekannte (1976), dass sie „immer ganz fertig ist“, wenn sie das Lied Jerusalem gesungen hat.
  
  
    [21]  U. Luz, 381 (Anm. 34).
  
  
    [22]  Bei kritischer, nicht ausschließlicher Anwendung behält die Allegorese freilich ihre Berechtigung; cf. Kurt Erlemann: Gleichnisauslegung. Ein Lehr- und Arbeitsbuch (1999), 45–51.
  
  
    [23]  Hölderlin: Brod und Wein, zit.n. Reiner Strunk: Poetische Theologie (2008): Poetische Resonanz, 62ff: 62f.
  
  
    [24]  Rosenzweig: Gesammelte Schriften I (1979, 668), zit.n. R. Strunk, 64.
  
  
    [25]  „Verse“, 195 (letzte Strophe) – s.o. Anm. 9.