Liebe Gemeinde,
Am Anfang dieses Gottesdienstes haben wir die Namen aller derer, die im vergangenen Kirchenjahr aus unserer Gemeinde gestorben sind, vorgelesen. Dazu haben wir jeweils eine Kerze angezündet als Erinnerungszeichen. Wir erinnern uns an die vielen Menschen, die nun nicht mehr unter uns leben. Wir erleben an diesem Sonntag in Gedanken noch einmal die schwersten Stunden des vergangenen Jahres. Alte Wunden brechen wieder auf. Gemeinsame Erlebnisse und Begebenheiten tauchen vor unserem inneren Auge auf und auch der Tag der Beerdigung.
Viele von Ihnen sind in den letzten Tagen oder heute noch mal am Grab des Verstorbenen. Tränen werden geweint. Schon überwunden geglaubte Trauer wird noch einmal wach. Denn der Tod hat viele Pläne zunichte gemacht. Er hat Gemeinsamkeiten zerstört. Der Tod ist und bleibt ein Angriff auf unser Leben. Und jeder Tod eines Menschen stellt uns vor die Frage: Was kommt danach? Gibt es ein Leben nach dem Tod - für die Verstorbenen und für uns? Und wie kann das aussehen?
In unserem Predigttext heute kommen Sadduzäer, eine religiöse jüdische Gruppe, zu Jesus und stellen auch diese Fragen. Sie konfrontieren ihn mit der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt und wie es aussieht. Der Predigttext steht im Matthäusevangelium im 22. Kapitel, die Verse 23-33.
(Text lesen!)
Liebe Gemeinde,
was kommt nach dem Tod? Und wie sieht das Leben nach dem Tod aus? An diese Fragen scheiden sich seit jeher die Geister.
Eine Meinung repräsentieren die Sadduzäer. Sie glaubten nicht an eine Auferstehung von den Toten. Sie gingen davon aus, dass mit dem Tod alles zu Ende ist. Tot ist tot. Das ist eine Vorstellung, die uns auch oft begegnet. Ihre Anhänger haben in den letzten Jahren zugenommen. Diese Haltung führt dazu, dass immer häufiger Beisetzungen ohne Trauerfeiern stattfinden. Auch die Zahl der namenlos Beigesetzten, wo die Angehörigen keinen Ort mehr für die Trauer haben, nimmt zu und immer mehr Menschen ohne Angehörige werden irgendwo beerdigt und nicht einmal die Kirchengemeinde erfährt davon. Tot ist tot.
Die Sadduzäer wollen Jesus deutlich machen, dass es keine Auferstehung geben kann, indem sie ein sehr ungewöhnliches Beispiel wählen: eine Frau, die nacheinander mit sieben Brüdern verheiratet war. Und sie fragen Jesus nun, wem die Frau bei der Auferstehung der Toten gehört. Man merkt der Frage deutlich an, dass sie voraussetzen, dass Jesus darauf keine überzeugende Antwort geben kann. Man merkt der Frage auch an, dass keiner der Fragenden persönlich durch den Tod betroffen ist. Denn wer persönlich betroffen ist, der stellt die Frage anders. Der fragt: Ist der Verstorbene ganz weg? Oder wird es ein Wiedersehen mit den Verstorbenen geben?
Auf die Frage der Sadduzäer und auch auf unsere Fragen antwortet Jesus: Das Leben nach dem Tod ist nicht die Fortsetzung des irdischen Lebens sondern etwas ganz anderes. Die Sadduzäer versuchen ja nur das irdische Leben über den Tod hinauszudenken. Etwas ganz anderes Neues wollen sie sich nicht vorstellen.
So ein Denken ist uns auch nicht fremd. Wir wünschen uns ja auch manchmal, dass der oder die Verstorbene im Himmel weiter mit den bereits verstorbenen Verwandten, Freunden und Nachbarn zusammen sitzt, dort z.B. Doppelkopf spielt und fröhlich ist, wenn wir das schon nicht mehr mit ihm können. Ist das denn so falsch?
Jesus sagt: In der Welt der Auferstandenen ist alles anders, da braucht man nicht mehr zu heiraten, da braucht man all das, was unser menschliches Leben hier bestimmt, nicht mehr. Auferstehung hat mit Verwandlung zu tun. Es ist eine neue Lebensweise.
Es wird also ganz anders im Himmel. So die Antwort Jesu gegen die Sadduzäer und unsere Vorstellungen, dass es im Himmel so weitergehen müsste wie auf der Erde.
Aber wie sieht das Leben dann aus im Himmel, wenn es nicht so aussieht wie unser menschliches Leben? Ein paar Hinweise gibt unser Predigttext da schon noch.
Im Himmel, so Jesus, leben die Menschen wie Engel.
Die Vorstellung, dass wir im Himmel als Engel leben, begegnet mir in vielen Gesprächen immer wieder. Nach dem Tod ist der Verstorbene ein Engel im Himmel und schaut auf uns herunter. So erzählen es viele ihren Kindern oder Enkeln.
Aber was tun die Verstorbenen eigentlich als Engel im Himmel? Die Aufgabe von Engeln ist es vor allem Gott zu loben. Aber diese Vorstellung wird von vielen eher als Karikatur gesehen. Da werden dann die Verstorbenen als Engel auf einer Wolke mit einer Harfe in der Hand dargestellt. Sie dürfen nichts anderes tun als da sitzen und jubilieren. Ob es noch andere Aufgaben für Engel gibt, z.B. ob sie als Boten Gottes tätig werden, oder Menschen beschützen, wissen wir allerdings tatsächlich nicht. Darüber sagt Jesus auch nichts, wenn er sagt: wir werden wie Engel sein. Sondern er meint damit nur: wir werden ein verwandeltes Äußeres haben und ganz nah bei Gott sein. Wie das genau aussieht, weiß keiner. Aber es wird sicherlich schön sein, denn sonst würde Jesus nicht sagen, dass es ganz anders ist als unser irdisches Leben mit all seinen Problemen und all dem, was uns belastet.
Und weil eben keiner weiß, wie das Leben bei Gott aussieht, haben sich Menschen zu allen Zeiten Gedanken gemacht und haben es sich ausgemalt, wie denn dieses Leben bei Gott sein kann. Denn Phantasien und eigene Bilder dürfen wir uns machen. Die brauchen wir, um dem Tod etwas entgegen setzen zu können.
Da finden wir in der Bibel, u.a. auch in den Texten für den heutigen Sonntag oder in den Lesungen, die wir bei den Beerdigungen immer wieder hören, die Vorstellung von einer Welt ohne Leid, ohne Tränen, ohne Krankheit, ohne Geschrei und ohne Tod. Da gibt es das Bild von einem unsterblichen Leib, mit dem wir alle ausgestattet werden. Da heißt es, dass man im Himmel Gott begegnen und seine Stimme hören kann und dass da eine ganz spezielle Wohnung für einen jeden von uns vorhanden ist.
Und weil schon die Bibel das Sein bei Gott so unterschiedlich beschreibt, haben sich Menschen auch zu allen Zeiten weiter ihre Bilder vom Himmel gemacht. Sie kennen vielleicht einige.
Der Maler Matthias Grünewald hat z.B. ein Bild von der Auferstehung gemalt, die das Sein hier auf der Erde in dunklen kalten Farben und die Auferstehung in den Himmel hinein, hinein in warme helle Farben darstellt.
Das Lied: „Geh aus, mein Herz“ von Paul Gerhardt hofft, dass Gottes Welt viel schöner ist als unsere schönsten Gärten, dass es dort ein goldenes Schloss gibt und man fröhlich miteinander singt.
Auch Liedermacher haben sich das Leben nach dem Tod vorgestellt. Mir fallen Lieder von Reinhard Mey und Eric Clapton ein, die je eine Vorstellung vom Leben nach dem Tod enthalten.
Der Sänger Reinhard Mey hat das Leben nach dem Tod in dem Lied: „Du hast mir schon Fragen gestellt“ folgendermaßen beschrieben:
„Ich stelle mir das Sterben vor so wie ein großes, helles Tor, durch das wir einmal gehen werden. Dahinter liegt der Quell des Lichts, oder das Meer, vielleicht auch nichts, vielleicht ein Park mit grünen Bänken. Doch eh‘ nicht jemand wiederkehrt und mich eines Bess‘ren belehrt, möcht‘ ich mir dort den Himmel denken. Höher als Wolkentürme steh‘n, höher noch als Luftstraßen geh‘n, Jets ihre weißen Bahnen schreiben, jenseits der Grenzen unsrer Zeit, ein Raum der Schwerelosigkeit, ein guter Platz, um dort zu bleiben. Fernab von Zwietracht, Angst und Leid, in Frieden und Gelassenheit, weil wir nichts brauchen, nichts vermissen. Und es ist tröstlich, wie ich find‘, die uns vorangegangen sind, und die wir lieben, dort zu wissen. Und der Gedanke, irgendwann auch durch dies Tor zu geh‘n, hat dann Nichts Drohendes, er mahnt uns eben, jede Minute bis dahin, wie ein Geschenk, mit wachem Sinn, in tiefen Zügen zu erleben.“
Der Sänger Eric Clapton betrauert im Lied „Tears in Heaven“ den Tod seines Sohnes und stellt Fragen, wie es wohl sein wird, wenn man sich im Himmel wiedersieht.
„Wirst du meinen Namen kennen, wenn ich dich im Himmel sehen werde?
Wird es dasselbe sein, wenn ich dich im Himmel sehen werde?
Wirst du meine Hand halten, wenn ich dich im Himmel sehen werde?“
Und dann setzt er seiner tiefen Trauer und seinen vielen Fragen seine Hoffnung vom Leben nach dem Tod entgegen:
„Jenseits der Tür ist Frieden, da bin ich mir sicher und ich weiß, im Himmel wird es keine Tränen mehr geben.“
Ich denke, es gibt noch viel mehr Bilder - persönliche Bilder -, die alle ihr Recht haben und die getragen sind von der Hoffnung, dass es nach dem Tod ein Leben bei Gott gibt.
Auch wenn viele Fragen offen bleiben, auch wenn wir wenig konkret wissen über die Auferstehung und das Leben bei Gott, ist Jesus in unserem Predigttext ein Gedanke noch ganz wichtig. Für Jesus ist unbezweifelbar, dass Gott die Toten auferwecken wird, weil er ein Gott ist, der die Menschen von jeher immer und überall begleitet hat. Jesus zitiert Worte aus dem 2. Buch Mose: „Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Und als Kommentar dazu sagt er: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden.“ Die Betonung, liebe Gemeinde, liegt auf dem kleinen Wort: „bin“. Es heißt nicht: „Ich war der Gott Abrahams, sondern ich bin“. D.h. doch: Gott bleibt. Gott ist lebendig. Gott macht lebendig. Er bleibt über die Generationen hinweg. Tote sind für ihn nicht vergessen und die Lebenden können auf ihn vertrauen. Gott bleibt bei denen, die gestorben sind, er bleibt aber auch bei uns.
Was kommt nach dem Tod? Und wie sieht das Leben nach dem Tod aus? Diese beiden Fragen versucht der Predigttext zu beantworten, allerdings nicht so, dass wir nun genau sagen könnten, wie unsere Verstorbenen leben. Ob sie Engel sind, wie sie als solche aussehen, was sie tun, wie der Himmel aussieht. Das wissen wir als Menschen nicht, wir können es uns nur in Bildern immer wieder vorstellen. Vielleicht ist es aber auch gar nicht so wichtig, wenn wir darauf vertrauen, dass auf jeden Fall Gott auf uns wartet, der uns auch schon hier auf dieser Erde führt und leitet, der unsere Tränen sieht und uns Kraft und Hoffnung geben will. Amen
Predigt zu Matthäus 22, 23-33 von Angelika Überrück
22,23-33
Perikope