Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Michael Rambow
5,13-16

Predigt zu Matthäus 5,13-16 von Michael Rambow

Liebe Gemeinde!

In der Hansestadt Lüneburg ist deutlich zu erkennen, welcher praktische Nutzen und Lebensreichtum aus dem Salz zu gewinnen sind. Die wunderschönen Häuser der Altstadt, die imposante St. Johanniskirche mit ihrem wuchtigen Turm am Sand zeugen nach Jahrhunderten von einer Stadt, deren Stolz und Leben aus dem Salz gewonnen wurden. Und wer gar das Glück hat, das mittelalterliche Ratssilber im Rathaus gezeigt zu bekommen, dem gehen die Augen über und der Mund vor Staunen nicht mehr zu angesichts der kunstvollen Pracht. Das Salz der Erde hat die Stadt reich und zu einem bleibenden Anziehungspunkt gemacht.

Würzen gegen das fade Einerlei. Körper und Geist anfeuern. Konservieren vor dem Verfall. Das vor allem kann Salz. Und Licht gibt Orientierung und leuchtet Ziele aus.

Helle Köpfe mit Klugheit und Orientierung, die dem Leben bleibende Würze geben. So sollen nach Jesu Worten Christinnen und Christen sein, damit auch alle anderen Lebensnutzen daraus ziehen können.

„Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt“. Jesus predigt hier gegen leere Geschwätzigkeit und beliebiges Grau. Nicht alles in einen großen Pott schmeißen und zusammenrühren. Die entscheidende Prise macht aus, ob es zum Leben nützt. Glaube ist eine scharfe, klare Sache. Strahlt und würzt wo ihr seid und könnt! So wird Gott richtig gepriesen. Hier begegnet Jesus mal wieder von der scharfen Seite. Das konnte er. 

Setzen wir mittlerweile lieber auf Glaubensdiät? Salzlos glauben hält auch fromm und den Blutdruck niedrig. Hier und da herumsuchen im Supermarkt religiöser und vor allem pseudoreligiöser Fülle ist auch ganz nett. Bloß keine zu klare Aussprache. Um Himmels willen keine zu deutlichen Abgrenzungen. Glaubenslichter auf kleiner Flamme halten. Es könnte jemanden stören. Ausgetretene haben auch ihren Glauben. Nichtgläubige, Verehrerinnen und Verehrer allgemeiner Religiosität sind auch ganz nett.

Manchmal muss den Leisetretern, die niemandem zu nahe treten wollen die Suppe versalzen werden. Und den Empfindsam­keitsapostelinnen und -aposteln, die Glauben zu Gefühlsreden verwässern soll mal jemand die drei Verse aus der Bergpredigt wieder vorlesen. Die aus lauter Toleranz alles aufgeben, denen muss das Salzfass der Jesuspredigt hingestellt und daran erinnert werden, dass Jesus sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“. Das wahre Leben findet niemand ohne diese Prise Glaubenswahrheit. Das Licht des christlichen Glaubens muss angeknippst wer­den, wo Glauben und Leben mit Beliebigkeit verwechselt werden.

Jesu Worte von Salz und Licht sind so gemeint. Die Menschen brauchen Orientierung. Und ihr sollt sie geben. Ihr habt etwas zu konservieren im guten Sinn, das für Leben und Heil unverzichtbar ist: Gottes Worte und Versöhnungstat.

Jesus rief dazu auf, umzukehren und sich mit ganzem Vertrauen dem allmächtigen Gott, der Himmel und Erde, Schuld und Vergebung, zuletzt auch Leben und Tod beherrscht hinzugeben. Die Liebe Gottes als Würze drangeben. Salz ist mächtig. Salz kann erhalten oder verderben. Salz trägt sogar auf dem Wasser. Licht ist gebündelte Energie. Es schneidet und heilt und klärt und erhellt.

Als ich über dieser Predigt sitze veröffentlichen die Medien die alarmierenden Zahlen der Austritte aus den beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland 2014. Danach haben sich rund 218.000 Getaufte von der katholischen Kirche und 410.000 von der evangelische Kirche getrennt im letzten Jahr. Nie vorher verloren die christlichen „Volks“-Kirchen so viel vom Volk.

Als Gemeindepastor untersuchte ich über viele Jahre einmal die Gründe des Kirchenaustritts. Ich wollte in meinem Verantwortungsbereich und für mich selbst herausfinden, ob das Geld wie oft behauptet wird der zentrale Austrittsgrund ist. Ich rief also nach jedem Bescheid des Standesamtes bei den frisch Ausgetretenen an und bat sie um ein Gespräch. Erste Verblüffung: Die allermeisten waren spontan und sehr gerne dazu bereit, im Gespräch ihre Gründe zu erläutern. Sie wussten ich will und kann sie nicht umstimmen. Zweite Verblüffung: Sehr viele sagten: die Kirche hat mir nichts mehr zu sagen. Was ihr sagt und tut ist zwar menschlich nett. Aber es spricht mich nicht an und es reicht mir nicht für eine dauerhafte Bindung. Außerdem stimmt euer Alleinvertretungsanspruch für Gutes und die Werte in der Gesellschaft nicht. Da gibt es auch andere. Das Geld aber nannten viele an erster Stelle nicht.

Verlieren wir alle Klarheit und Orientierung? Tappen die verbliebenen Kirchenmitglieder immer mehr im Dunkeln bei den vielen Angeboten, um eine Hilfe zu sein zu einem gepfefferten und orientierungsvollen Leben, das besser schmeckt und weiter sieht?

Natürlich sind Christinnen und Christen keine Welt- und Menschheits­verbesserer. Sie sind oft nicht mehr als ein paar Salzkörnchen. Nach den statistischen Entwicklungen werden sie wohl immer mehr zu kleinen Lichtern auf dem Markt gesellschaft­liche Angebote und Maßstäbe.

Gute Werke preisen Gott im Himmel. Sie öffnen Fenster und zeigen, dass der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt. So kommt Geschmack von Gottes Welt in unsere Welt und ein Schimmer dessen, was er für uns bereitet hat fällt auf das Leben.

Ich möchte, dass wir diese Schärfe und Leuchtkraft als Botinnen und Boten Gottes wiederfinden. Wir müssen anderen nicht die Suppe ver­salzen. Aber die beklagenswerte Unwissenheit von der Erziehung über ganz einfache Lebensgewohnheiten und Werte und Traditionen bis hin zur verbreiteten Unkenntnis über biblische und christliche Inhalte brauchen wir nicht schweigend zu übergehen. Ich möchte, dass wir aufhören alles gleich-gültig zu machen. Die Menschen zu lieben heißt nicht, mit allem ein­verstanden zu sein. Ich möchte, dass wir zeigen, was genießbar und was unhaltbar ist. Ich möchte das Licht des Kreuzes Jesu als Heilszeichen für die Welt, statt im Dunkeln zu sitzen und über die Dunkelheit zu klagen.

Das steht hier nämlich dahinter mit seiner ganzen ernsten An­frage an das Leben.

In dem Märchen mit dem seltsamen Titel "Mäusehaut" erzählen die Brüder Grimm vom Wert des Salzes. Wer den kennt, der gewinnt das ganze Leben.

Ein König fragte seine Töchter, welche ihn am liebsten hätte. Lieber als das ganze Königreich habe sie ihn, sagte die älteste. Die zweite Toch­ter liebe den Vater mehr als Edelsteine. Die dritte sagte, der Vater sei ihr so lieb wie Salz. Darüber ärgerte der König sich so sehr, dass er einem Diener befahl, seine jüngste Tochter umzubringen.

Im Wald bat die Prinzessin um ihr Leben und verlangte von dem Die­ner stattdessen ein Kleid aus Mäusehaut. Da hinein wickelte sie sich. So ging sie unerkannt an den Hof eines benachbarten Königs Dort gab sie sich als Mann aus. Der König nahm sie als Diener auf.

Später verklagten andere Diener Mäusehaut vor dem König, sie habe einen kostbaren Ring gestohlen. Als der König sie danach befragte, legte sie die Mäusehaut ab. Da stand eine wunderschöne Prinzessin vor dem König. Er setzte ihr die Krone auf und heiratete sie.

Auch der Vater von Mäusehaut kam zur Hochzeit. Er glaubte seine Tochter lange tot und erkannte sie nicht. An der Tafel aber waren alle Speisen, die ihm vorgesetzt wurden ungesalzen. Darüber ärgerte er sich. "Ich will lieber nicht leben, als solche Speisen zu essen", schimpf­te er. Die junge Königin wandte sich ihrem Vater zu und gab sich ihm zu erkennen: "Jetzt wollt ihr nicht leben ohne Salz. Doch einmal wolltet ihr mich töten, weil es euch zu gering war als ich sagte ich liebe euch wie Salz."

Der Vater erkannte erschrocken seinen Lebensfehler. Er küsste sein Kind und bat um Verzeihung. Und dass er seine Tochter wiedergefunden hatte war ihm mehr wert als sein ganzes Königreich. (nach Zitate zum Kirchenjahr. Bd. 2, 185) A m e n.