Predigt zu Mattthäus 1,1.18-25 von Werner Klän
1,1-25

Predigt zu Mattthäus 1,1.18-25 von Werner Klän

A]           Gott tritt ein in unsere Welt. Dabei ist äußerlich vieles zweideutig: Die ledige Mutter, ihr rücksichtsvoller und doch wankelmütiger Verlobter. Doch Gott verfolgt sein Vorhaben ganz eindeutig: Er überzeugt den zögerliche Joseph davon, dass alles seine Richtigkeit hat mit Marias Schwangerschaft. Er gewinnt ihn sogar dafür, die Vaterstelle beim Neugeborenen einzunehmen. Und Gott lässt Joseph im Traum erfahren, war er weiter vorhat mit diesem Sohn. Denn in den Namen, die ihm gegeben werden, ist alles gesagt, was sein Auftrag ist: JESUS – „der Helfer“; IMMANUEL – „Gott –mit-uns“. Und damit wird zugleich angezeigt, was diese Geburt, dieses Kind für uns bedeutet. Denn dieser Gottes- und Mariensohn ist Immanuel: Er teilt unser Geschick. Und er ist Jesus: Er wendet unser Geschick. Denn in ihm begegnet uns Gott.

B 1]        In dem Immanuel begegnet uns Gott. Er teilt unser Geschick.

Ja wirklich: In Jesus bekommen wir es mit Gott zu tun, mit Gott höchstpersönlich. Er ist Immanuel: Gott-mit-uns. Darauf weist die Abkunft des Mariensohns von Gott durch den heiligen Geist. Gott selbst ist in einzigartiger Weise von Uranfang an mit dem verbunden, den seine Mutter Maria zur Welt bringt. Das ist ja ihre große Aufgabe als Mutter unseres Heilands: Gottes Sohn zur Welt zu bringen. Durch ihren Leib kommt der Messias Israels und Heiland der Welt zu uns Menschen. Von Maria getragen und geboren, kommt Gott in seinem Sohn zur Welt, zu den Menschen zu uns. Als Marien Sohn ist Jesus – wie Joseph ihn nennen wird – zugleich Davids Sohn und Abrahams Sohn. Gestalten. So teilt er unser Geschick: Zuallererst als jüdischer Sohn einer jüdischen Mutter, ganz eingebunden in die Geschichte des Volkes seiner Herkunft. Aus königlicher Familie ist er und von uraltem Adel, sein Leben verwoben mit der Abfolge der Geschlechter, seit Gott dieses Volk erwählte, sein Volk, sein Augapfel, seine große Liebe unter allen Menschen zu sein. Seine Urahnen und Vorväter zählen zu den bedeutenden Gestalten des Gottesvolkes, von Gott besonders ausgesucht, besonders begabt, besonders begnadet. Ihnen galt Gottes Zusage in besonderer Weise. Denn ihre Aufgabe war es, weiterzutragen und auszubreiten, was Gott immer schon vorhatte: Dass seine Leute mit ihm in guter Gemeinschaft leben können. In deren Nachfolge und Aufgabe tritt Jesus ein, bestimmt, ihren Auftrag zur Vollendung zu bringen. „Das heil kommt von den Juden“, heißt es darum zu Recht bei Johannes ().So ist er eingereiht und eingegliedert in die Menschheitsgeschichte, auch wenn er von außen in sie eintritt, von Gott her kommt.

Zugleich aber übernimmt er ein, ja unser menschliches Schicksal. Und ist gleich in Gefahr. Joseph will seine Mutter – und ihn – verlassen. Er mag wohl auf unser Verständnis rechnen, und das umso mehr, als er offensichtlich behutsam vorgehen will, keinen Krach sucht, keine Szene macht, sondern sich heimlich davonmachen will. Aber – eine ledige Mutter und ein vaterloses Kind, sind schutzlos. In der alten Welt galt das noch weitaus mehr, als in unseren wohlgesicherten Sozialsystemen; doch selbst hier haben es Alleinerziehende und uneheliche Kinder noch schwer. Bei Jesus sorgt Gott durch die Weisung seines Boten dafür, dass Joseph die Vaterstelle bei Jesus einnimmt. Gott selbst leistet die Überzeugungsarbeit, die wohl nötig ist, Joseph davon abzubringen, seine Braut und künftige Frau samt ihrem neugeborenen im Stich zu lassen. Gott selbst liefert Joseph die guten Gründe, bei Maria zu bleiben und ihr bei und nach der Geburt beizustehen. Gott selbst weist Joseph darin ein, wie der die Vaterrolle bei Marias Sohn übernehmen soll. Gott selbst klärt Joseph darüber auf, was es mit diesem Kind, mit seiner Herkunft und seiner Zukunft, auf sich hat.

So ist Gottes Ankunft im Sohn der Maria gleich begleitet von Gefahr und Geheimnis. Gleich zu Anfang wird deutlich, dass der Weg Gottes in dieser Welt nicht ohne Risiko ist: Indem er menschliche Gestalt annimmt und einer von uns wird, setzt Gott sich Gefährdungen aus, die den unseren teils ganz ähnlich sind. Er ist Immanuel: Gott-mit-uns. Und mehr noch Gott setzt sich selbst auf‘s Spiel. Das ist ganz ungewöhnlich und unerhört! Gott lässt sich darauf ein, als einer von uns bei uns zu sein. Gott geht das Risiko ein, mit unsereinem verwechselt zu werden. Gott läuft tatsächlich Gefahr, als einer wie wir unter die Räder menschlicher Geschichte zu geraten. Aber genau das ist an diesem Jesus-Immanuel zu sehen: Er bringt sich ganz und gar ein in unsere Geschichte und teilt unser Geschick.

B 2]        In Jesus begegnet uns Gott – und wendet unser Geschick zum Guten, zu Gott.

Darauf weist sein zweiter Name hin: Jesus. Jeus, das heißt: „Der Helfer“, der Retter, der Beistand, der Unterstützer. Ein Blick in unser Leben und auf unsere Welt genügt, um zu sehen: Wir benötigen Hilfe, wir sind auf Rettung angewiesen; wir brauchen Beistand und Unterstützung in vielfältiger Hinsicht. Da sind die Unzulänglichkeiten, die wir an uns tragen und die uns immer wieder scheitern lassen, selbst beim besten Willen. Da sind die vielen Ausweglosigkeiten; so wird uns der Weg zum Mitmenschen verbaut; sie bilden Engpässe, in denen wir den Blick auf die Nöte anderer verlieren; sie sind Sackgassen, in denen Gespräche verstummen und Verständigung stirbt. Sie bilden Bereiche, in denen aller gute Wille gegen Wände von Unverständnis, Missverstand und Feindseligkeit prallt. Sie schaffen Bedingungen, die alle Friedfertigkeit töten und Hass, Gewalt, Terror und Krieg hervorrufen, so dass Menschen darin rettungslos verloren sind, wie wir es tagtäglich zu sehen und zu lesen bekommen. Da sind die Fehler und Versäumnisse, die uns und unsere Beziehungen zu unsern Nachbarn, Freunden, Angehörigen schwächen, aushöhlen und beschädigen – und die wir selbst längst nicht mehr ausräumen können.

Da ist vor allem – und alles andere sind nur Signale an der Oberfläche – da ist vor allem unser zerrüttetes Verhältnis zu Gott, unsere verschüttete Beziehung zu dem Herrn unseres Lebens. Diese Zerstörung lässt uns auf Abwege geraten, lässt uns in die Irre gehen, hält uns im Irrtum gefangen. Wenn wir nämlich Gott aus dem Blick verlieren, finden wir den Weg zu Gott nicht mehr, bleiben von ihm abgeschnitten.

Das aber will Gott nicht hinnehmen. Er will weder, dass sein geliebtes Volk, noch das seine Menschengeschöpfe verloren gehen, weil sie den Zugang zu ihm vergessen haben und nicht wieder finden. Darum macht Gott sich selbst auf den Weg zu uns, um unser Geschick zu wenden. Wenn und weil wir weit weg sind von Gott, wenn wir uns von ihm entfernt haben, kommt er uns nahe, geht er uns nach. Denn Jesus stellt sich und gesellt sich zu uns und setzt sich für uns eine. Er steht auf unserer Seite und tritt für uns ein. Dieser Jesus-Helfer greift uns unter die Arme, wo nötig. Er hilft uns auf die Beine, wo erforderlich. Er trägt uns sogar, wo wir nicht mehr weiter können, sogar im Sterben und im Tod. Und das ist ein Wunder: Obwohl wir lange meinten, ohne ihn leben zu können, sucht Gott unsere Nähe, und tut das alles, wie wir an diesem Helfer und Heiland Jesus sehen, in freundlicher Absicht, aus liebevollem Herzen, mit ganzer Hingabe.

So wendet er unser Geschick zum Guten, zurück zu Gott. Denn das Kind, das Maria zur Welt bringt, bringt uns Gott mit all‘ seiner Freundlichkeit. Das Kind, dem Joseph auf Gottes Geheiß den Jesusnamen gibt und so die Vaterstelle bei ihm übernimmt, bringt uns zurück zu Gott, der in einzigartiger Weise sein Vater ist und unser lieber Vater sein will.

C]      Gott-Immanuel ist bei und uns unser Helfer Jesus ist für uns da. Dieser Gott-mit-uns geht wirklich mit uns, geht auf uns ein. Der Beistand und Heiland Jesus kommt uns nahe und bringt uns Gott nahe. Ja wirklich: In Jesus begegnet uns Gott. Er bleibt auch unser Wegbegleiter.                                                  Amen.