Predigt zu Offenbarung 3,1-6 von Frank Fuchs
3,1-6

Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott. So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde. Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert. Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde,

eine Freske im Chorraum unserer Stadtkirche stammt aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts und zeigt das Weltgericht. Oben thront Christus, der Gericht hält. Neben ihm befinden sich zwei Engel, die die Posaune blasen. In den Gräbern sind Tote zu sehen und es sieht so aus, dass sich die Menschen aus den Gräbern erheben. Zwei Menschengruppen sind dargestellt, die hintereinander in zwei Richtungen laufen. Auf der rechten Seite laufen sie in den Schlund eines Ungeheuers. Sie sind gefangen durch ein Seil und werden hineingezogen. Auf der linken Seite ist die Freske teilweise verloren gegangen. Man sieht nicht, wohin die Menschengruppe läuft. Es sind aber oberhalb noch einige Dächer zu sehen, die eine Stadt darstellen. Vermutlich ziehen sie ins himmlische Jerusalem ein, wie die Stadt in der Offenbarung beschrieben wird.

Auch in unserem Predigttext geht es um ein Gericht. Derjenige, der den Ruf hat, dass er lebt, so heißt es, ist in Wirklichkeit tot. Deshalb wird er dazu aufgerufen, sich zu ändern. Werke sind zwar vorhanden, aber sie wurden nicht als vor Gott vollkommen befunden. Deshalb gilt es aufzupassen und wachsam zu sein. Wenn das nicht geschieht, dann wird der Herr kommen zu einer Stunde, von der es niemand weiß, wann sie eintritt. Diese Menschen wären auf der rechten Seite auf unserer Freske zu verorten. In der Gemeinde in Sardes gibt es aber auch noch diejenigen, die auf unserer Freske zur linken Seite gehören. Das sind diejenigen, die mit weißen Kleidern angezogen werden und ins himmlische Jerusalem einziehen. Sie werden nicht aus dem Buch des Lebens gestrichen und der Engel bekennt sich zu ihnen.

Was sind eure Werke? So fragt unser heutiger Predigttext. Diese Frage lässt sich genauso gut auf heute beziehen. Was sind eure Werke? So wurden wir als Vertreter von verschiedenen Kirchengemeinden vor 10 Tagen sinngemäß auf dem Rathaus gefragt. Anwesend waren Vertreter der freien Gemeinden, der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinden. Bei dem Gespräch ging es um das vom Land Hessen initiierte kommunale Entwicklungskonzept. Durch dieses Modellprojekt soll erreicht werden, dass verschiedene Institutionen in einer Stadt und im Umland stärker zusammenarbeiten, um sich gemeinsam besser gegen den demographischen Wandel aufzustellen. Eine Stadt und die umliegenden Dörfer werden dann attraktiv bleiben, so der Gedanke dieses Konzepts, wenn sie ihren Bewohnern etwas bieten können. Was sind also deine Werke? Heißt es, du lebst, bist aber tot? Hast du zwar Werke, aber die sind lau? In dem Gespräch ging es um die besonderen Werke einer christlichen Gemeinde, also die Werke, die über das Kerngeschäft wie Gottesdienste und Kasualien hinausgehen. Es wurde sichtbar, dass alle Gemeinden auf je ihre Weise Probleme haben. Die freien Gemeinden haben zwar einen großen Mitarbeiterstamm, können aber meistens über ihre Zahl ihrer Mitglieder kaum hinauswirken. Die großen Gemeinden wie die katholische und evangelische Kirchengemeinde haben zwar recht viele Mitglieder, die aber Jahr für Jahr weniger werden. Als ich für die evangelische Gemeinde gesprochen habe, konnte ich immerhin einige Werke vorweisen: Ein Gemeindebus, der alte Menschen zu den Einkaufsmärkten bringt und wieder heimfährt, die Betreuung von Grundschülern nach der Schule, in diesen Tagen der Adventsbasar der Frauenhilfe zugunsten von behinderten Menschen und schwerkranken Kindern, ein Mittagessen für Bedürftige im Gemeindehaus. Auf das Jahr zurückblickend fielen mir eine Kinderbibelwoche und ein Kinderkirchentag als besondere Veranstaltungen ein.

Das alles klingt gar nicht schlecht. Es sind ganz sicher gute Werke. Aber sind sie wirklich beseelt von der Liebe zu Gott und dem Nächsten? Als Jesus nach dem höchsten Gebot gefragt wurde, antwortete er: Das höchste Gebot ist das: »Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften« Das andre ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese. (Markus 22,29-31) Seine Gebote sind nicht schwer, heißt es in einem Brief des Neuen Testaments, der ebenfalls einem Johannes zugeschrieben wird. (1.Joh 5,3) Wenn wir glauben und in der Liebe zu Gott leben, halten wir seine Gebote, so der Verfasser im 1. Johannesbrief. In der schweren Situation, in der sich die Gemeinde in Sardes befand, fiel das anscheinend nicht leicht. Es wird angenommen, dass die Apokalypse in der Zeit der Christenverfolgung unter Domitian am Ende des 1. Jahrhunderts entstand. Die Christen wurden vom römischen Staat bedrängt. Es fiel schwer, am Glauben festzuhalten. Es bröckelte an den Rändern und manche waren vom Glauben abgefallen. In dieser Situation richtet Johannes auf Patmos Sendschreiben an sieben Gemeinden in Kleinasien, um zum treuen Glauben an Jesus Christus zu ermutigen. Er schreibt auf, was er gesehen hat. Wahrscheinlich werden diese Gemeinden im westlichen Kleinasien genannt, weil Johannes in diesem Bereich gewirkt hat. Symbolisch ist durch die Zahl sieben die ganze Kirche angesprochen. Symbolisch sind diese Worte der Ermutigung auch an uns gerichtet.

Können wir das einlösen und damit anders als die Gemeinde in Sardes vor Gott bestehen? Sind unsere Werke in unserem Umfeld und in unserer Gemeinde beseelt von der Liebe zu Gott? Lieben wir wirklich den Nächsten genauso wie uns selbst? Jeder und jede prüfe sein und ihr Herz. Vielmehr sind wir angewiesen auf Gott, der uns Schuld und Schwäche vergibt.

Der heutige Predigttext erinnert uns daran, dass wir im Advent Christus nicht als das süße Kind in der Krippe erwarten, sondern vielmehr als den kommenden Weltenrichter. Die Apokalypse ist voll von Bildern der kommenden Endzeit und dem Gericht Gottes. Diese Bilder von den Wehen der Endzeit wurden immer wieder auf geschichtliche Ereignisse bezogen. Damit wurde versucht, das Weltende vorauszusagen. Doch letztlich bleiben die Bilder offen für verschiedene Deutungen. Was sich in der Welt ereignet an Katastrophen und Unglücken, wurde im Vertrauen auf Gottes Wirken gesehen, dessen Heilsplan letztlich die Oberhand behält. Zu seinem Heilsplan gehört es, dass Christus wiederkommen wird. Bei seiner Wiederkehr wird Christus kommen wie ein Dieb in der Nacht, wie es im Brief an die Gemeinde in Sardes heißt, so dass niemand die Stunde wissen kann.

Im Glaubensbekenntnis sprechen wir von Christus, der kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten. Doch heute scheint uns der Gedanke an ein Weltgericht recht fremd zu sein. Martin Luther hatte es am eigenen Leib erlebt, dass diese Erwartung Angst macht hat und die Seelen knechten kann. Wer das Gefühl hat, vor Gott nicht bestehen zu können, lebt in ständiger Angst. So erging es damals vielen Menschen. Deshalb hat sich Luther ganz an die Offenbarung von Gottes Liebe gehalten. Im Glauben bin ich gewiss, dass ich zur Menschengruppe auf der linken Seite gehöre.

Namhafte Theologen lösen das Problem so, dass sie von der Allversöhnung sprechen. Weil Gott in seiner Liebe allmächtig ist, wird er am Ende alle Menschen zu sich nehmen. Der Weg auf die rechte Seite des Weltgerichts ist dann lediglich eine Möglichkeit, die aber jeden treffen müsste, weil niemand bestehen könnte. Diese Möglichkeit wird durch Gottes Liebe überwunden.

Doch der Gedanke an ein Gericht ist auch tröstend. Denn es steht für eine letzte Gerechtigkeit, durch die auch die Opfer von anderen Menschen zu ihrem Recht kommen. Das gilt auch für diejenigen, die Opfer von Verfolgung wurden. Sie sind nicht umsonst gestorben, sondern Gott nimmt sich ihrer an.

Der Advent ist die Vorbereitungszeit auf das Kommen Christi. Noch bleibt Zeit, mit guten Taten die innere Haltung nach außen zu kehren. Noch bleibt Zeit für Werke, die nicht lau sind. Gott sei Dank. Die Adventszeit öffnet den Blick dafür, dass wir auf eine andere Zukunft warten.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Hinweis: Bei dem Gottesdienst wird die Freske vom Weltgericht als Lichtbild gezeigt, weil sich auf der Seite des Chorraums der Stadtkirche Babenhausen befindet und vom Kirchenschiff aus nicht sichtbar ist. Die Freske vom Weltgericht ist auf der Homepage der Evangelischen Kirchengemeinde zu sehen: www.babenhausen-evangelisch.de

Literatur: Philipp Vielhauer: Geschichte der urchristlichen Literatur, Berlin 1978, S. 494-507

Zum Gedanken der Allversöhnung vgl. z.B. zuletzt Paul Zulehner: Kirchenvisionen. Orientierung in Zeiten des Kirchenumbaus, Ostfildern 2012², S.57ff.

Perikope
15.12.2013
3,1-6