Predigt zu Offenbarung 3,1-6 von Jörg Egbert Vogel
3,1-6



1 Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.
2 Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott.
3 So denke nun daran, wie du empfangen und gehört hast, und halte es fest und tue Buße! Wenn du aber nicht wachen wirst, werde ich kommen wie ein Dieb und du wirst nicht wissen, zu welcher Stunde ich über dich kommen werde.
4 Aber du hast einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; die werden mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind's wert.
5 Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden, und ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens, und ich will seinen Namen bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.
6 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde,
mit sieben Sendschreiben an sieben Gemeinden in Kleinasien beginnt das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes. Die sieben Sendschreiben sind quasi Briefe, die der Seher Johannes im Auftrag Gottes an die Gemeinden richtet und die auf ganz spezielle Situationen in den betreffenden Gemeinden eingehen.
Der Brief, der heute Predigttext ist, ist an die Gemeinde in Sardes gerichtet und nicht an die Hoffnungskirche in Berlin.
Aber dennoch drängen sich bei der Lektüre dieses Briefes nach Sardes Fragen auf, die auch unsere Gemeinde betreffen könnten. Und auch wenn das alles, was an die Gemeinde in Sardes geschrieben wurde auf uns nicht zutreffen sollte, können wir uns dennoch fragen, was würde in einem entsprechenden Brief an die Gemeinde in Neu-Tegel stehen, was würde der Seher dem Engel der Hoffnungskirchengemeinde schreiben?

Bis auf einige in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben, kommt diese Gemeinde in dem Schreiben nicht gut weg: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot. Werde wach und stärke das andre, das sterben will, denn ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott.

Es handelt sich hier offensichtlich um eine Gemeinde, in der eine Menge los ist, in der viel Leben herrscht, von außen und oberflächlich betrachtet jedenfalls.

Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.

Für Gott ist diese oberflächliche Lebendigkeit jedoch kein Kriterium für die wahre Lebendigkeit einer Gemeinde.
Denn diese Gemeinde in Sardes wird zwar lebendig genannt, aber sie ist eben doch tot.

Was genau der Grund ist für diese negative Einschätzung bleibt im Dunklen für den heutigen Leser. Einziger Anhaltspunkt ist, dass die Werke der Gemeinde als nicht vollkommen erachtet werden: ich habe deine Werke nicht als vollkommen befunden vor meinem Gott.

Immerhin ein kleiner Anhaltspunkt ist dies. Es geht um Werke, also um das, was in der Gemeinde tatsächlich getan wird.
Und was tut eine Gemeinde so? Sie kümmert sich um Kranke und Sterbende, sorgt für Arme. Sie ist offen für Menschen mit Nöten. Sie sorgt dafür, dass alle in Frieden miteinander auskommen. Sie ist für die Kinder da. Sie ist offen für andere. Sie bleibt nicht bei sich selbst, sondern wirkt in die Gesellschaft hinein mit ihren Engagements. Sie bereichert das soziale und gesellschaftliche Leben.

Vielleicht war die Gemeinde in Sardes zu sehr mit sich selbst beschäftigt, vielleicht haben nur einige Einzelne, vielleicht nur die Wohlhabenden das Sagen gehabt. Vielleicht wurden die Armen nicht geachtet, vielleicht wurde nicht für die Witwen und Waisen gesammelt, vielleicht litten einige Not und das wurde in der Gemeinde nicht wahrgenommen.

Dieses oder andere Gründe führten jedenfalls zu dem Urteil: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist tot.

Ein hartes Urteil. Kann man es wirklich so schwarz-weiß sehen? Nur weil die Gemeinde nicht perfekt ist, ist sie doch nicht gleich tot.
Dieser Brief ist kein Urteil. Er ist eher so eine Art Schuss vor den Bug, eine Warnung. Denn es folgt ja das Wort: Werde wach und stärke das andre, das sterben will.

Es gibt also etwas, das noch nicht tot ist, es gibt die Chance, wach zu werden und damit lebendig. Es gibt die Möglichkeit zur Umkehr zum Leben.

Wir wissen heute leider auch nicht, was aus der Gemeinde in Sardes geworden ist. Was dort im Gemeindekirchenrat nach Empfang dieses Briefes diskutiert wurde, kann ich  mir aber ganz gut vorstellen. Von: „Wir sind doch gar nicht so schlecht“, bis: „Wir müssen unbedingt etwas ändern!“, wird die Spanne der Meinungen gereicht haben.

Und jeder, der diesen Brief bis heute liest, stellt sich natürlich die Frage: Wie steht es mit uns? Welchen Brief bekämen wir, unsere Gemeinde?

Dass wir eine lebendige Gemeinde sind, denken wir ja auch. Viele Gruppen und Kreise treffen sich regelmäßig, es gibt viele besondere Events über das Jahr verteilt. Gerade erst haben wir den Basar erlebt, heute schon wieder ein besonderer Gottesdienst. Eine große Aktion folgt auf die andere.
Das ist ja fast schon zu lebendig, manchmal.
Also stellt der Predigttext auch an uns die Frage, sind wir wirklich lebendig, oder scheint es nur so zu sein?

Wenn wir wie in Sardes das Kriterium der Werke zugrunde legen, dann könnten wir die Frage durchaus mit Ja beantworten, denke ich. Wir besuchen Alte und Kranke, kümmern uns um Sterbende, sind offen für Menschen mit Nöten.
Aber vielleicht sind wir andererseits auch noch zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Vielleicht können diese Überlegungen zur Lebendigkeit unserer Gemeinde auch dazu führen, dass wir darüber nachdenken, wie wir als Gemeinde und auch die verschiedenen Kreise und Gruppen und die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiter noch mehr nach außen wirken in die Gesellschaft hinein.

Wir befinden uns gerade in der Reformationsdekade im Themenjahr „Reformation und Politik“. Wie sehr beeinflussen wir als Gemeinde, als Kirche überhaupt, die Politik? Wie wirken unsere vielfältigen Engagements in der Gemeinde über die Gemeinde hinaus?

Zur Lebendigkeit einer Gemeinde heute gehören für mich ein klar erkennbares Profil und eine große Offenheit. Alle Generationen sollen sich wiederfinden und Raum haben.

Besonders sichtbar wird das bei der Taufe eines Kindes, wenn Eltern, Familien, Mütter, den Wunsch haben, dass ihr Kind durch die Taufe in die besondere Gemeinschaft mit Gott hineingenommen wird.

Für Sie Frau J. war das eine Selbstverständlichkeit, dass Sie Luca taufen lassen wollten. Sie haben gesagt, dass der Glaube, dass Gott ganz wichtig ist für ihr Leben, und dass sie schon oft erlebt haben in ihrer Familie, dass Gott auf ihrer Seite ist, dass er Sie trägt und durchs Leben geleitet.

Nach schwerer Schwangerschaft und mehreren Versuchen, ein Kind zu bekommen, ist Luca nun für Sie ein großes Geschenk. Deshalb hat es auch bei dem Taufspruch, den Sie sich ausgesucht haben, gleich „Klick“ gemacht: (Psalm 139,13+14) Du hast mich geschaffen - meinen Körper und meine Seele, im Leib meiner Mutter hast du mich gebildet.  Herr, ich danke dir dafür, dass du mich so wunderbar und einzigartig gemacht hast! Großartig ist alles, was du geschaffen hast - das erkenne ich!

Im Advent feiern wir die Erwartung des Kommenden, wir feiern, Gott kommt uns nahe, er kommt uns in der Taufe besonders nahe. Er will uns auch in unserem Alltag, in unserem alltäglichen Leben, in all unseren Höhen und Tiefen nahe kommen. Die Adventszeit erinnert uns an diese Nähe, die Gott zu uns sucht und die wir innerlich auch immer suchen und die wir vielleicht auch in dieser Zeit besonders spüren.

Als lebendige Gemeinde feiern wir diese Nähe Gottes auch in dem heutigen Gottesdienst. Wir lassen Gott uns nahe kommen und uns von ihm lebendig machen, damit wir auch anderen die Nähe Gottes weitergeben können.

 

Perikope
15.12.2013
3,1-6