Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes:
Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott!
Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.
Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen?
Denn du allein bist heilig!
Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.
Liebe Gemeinde,
in meinem Zettelkasten fand ich ein altes Zeitungsblatt mit Gedanken des Theologen Fulbert Steffensky über den Traum vom Anfang und vom Ende aller Dinge.
Der Beitrag beginnt so:
„Wo Menschen hoffen und wo sie den Sinn ihres Lebens suchen, singen sie zwei Lieder, das erste: Es war einmal!, das zweite: Einmal wird es sein!“
Steffensky führt die Gedanken von diesen zwei Liedern hin zu dem einen Paradies, das biblisch erinnert und verheißen ist. Ich werde darauf zurückkommen.
Beides zusammen, Erinnerung und zukunftsweisende Hoffnung finde ich in dem Text aus der Offenbarung des Johannes genauso gekoppelt, ohne dass allerdings das Paradies als schönes Bild der erinnerungsreichen Hoffnung bemüht wird. Und dennoch ist Ähnliches ganz anders ausgedrückt, auch eine Kunst der biblischen Theologie.
Johannes, der ekstatische Visionär, sieht ein gläsernes Meer mit Feuer vermengt. Gegensätze mischen sich, Feuer und Wasser gehen endzeitlich schöne Hochzeit ein. Meeresflammen wellen auf und ab, Böses verbrennt und Schönes wird wie im Wasser der Taufe emporgehoben. Klare Sicht der Dinge reicht bis zum Urgrund des Lebens und der Himmel ist nah. Aufrechte mutige Menschen stehen füreinander ein und loben Gott, sie lassen sich nicht knechten durch keine Macht der Welt. Kein böser Wolf und kein tyrannischer Kaiser und keine Teufelszahl finden Gefallen an ihnen, und die Aufrechten sind vereint am Gestade des Ufers, haben aus dem Himmel Gottes Harfen in die Hand bekommen und können spielen und singen und sich freuen ohne Ende. Ein Lied der Erinnerung singen sie, ein neues und dennoch altvertrautes Lied. Es ist das Lied des Mose und das Lied des Lammes, Jesus Christus herrscht als König und Mose hat uns aus dem Lande der Knechtschaft herausgeführt, hat uns die guten Gebote Gottes in Stein gehauen als Orientierungszeichen für gelingendes Leben gebracht.
Lobpreisender Gesang ist die Antwort derer, die sich in der Gottesbeziehung aufgehoben fühlen auch in der bedrängenden Not ihrer eigenen Gegenwart.
Die Not der Christen zur Zeit der Offenbarung des Johannes wog augenscheinlich viel schwerer als die Sorgen, die wir in den Freiheiten unseres Lebens haben.
Uns stellt kein tyrannischer Herrscher nach, wir werden den Löwen nicht zum Fraß vorgeworfen, wir leiden keinen Hunger auch dann nicht, wenn die Lebensmittelpreise steigen und wenn einer in Not ist, dann können wir helfen, medizinisch, sozial, menschlich und christlich, Gott sei Dank.
Allerdings, was hier möglich ist, gilt beileibe nicht für alle Teile der Welt. Wie sehr muss es im 21 Jahrhundert erschüttern, dass terroristische Gruppierungen hunderte von meist christlichen Schülerinnen anscheinend spurlos entführen, um sie auf nicht auffindbaren Sklavenmärkten zu verkaufen.
Und wie beschämend ist es zu erleben, dass wir den Flüchtlingen und Asylsuchenden aus den Kriegs- und Hungergebieten unserer Welt oftmals keine herzliche Aufnahme und Hilfe gewähren, sondern sie mit kalter Schulter und ebensolchem Herzen abweisen oder aber überall haben wollen, nur nicht im eigenen Viertel.
Merkwürdig ist, dass gerade unter den Bedingungen der Freiheit auch die Unfähigkeit zur Hilfe gewachsen scheint, Freiheit scheint auch Orientierungslosigkeit und Egoismus zu wirken, sofern sie sich nicht gebunden weiß an Verantwortung und Rückbesinnung.
Die Christen zur Zeit des Sehers Johannes singen Lieder gegen die widrigen Umstände ihrer Zeit an.
Im Singen kommt Mut zu, Erinnerungsreiches taucht in den Textes auf. Bindung an Gott, den allmächtigen und barmherzigen wird erneuert und Zukunft gerade so eröffnet.
Es ist, als sei das ein Rezept auch für uns.
Die heilsame Kraft der Musik und des Singens ist vielfach beschrieben. Klar wird sie, wenn kleine Kinder allein und im Dunkeln die Stimme erheben und Angst einfach weg singen.
Und wer gut sich in der Bibel auskennt weiß, dass die Karriere des großen König Davids damit begann, dass er als Hirtenjunge zu dem alten König David gerufen wurde, um dessen böse Geister der Niedergeschlagenheit mit Harfenspiel und Gesang zu vertreiben. Und viel besser noch, weil alle Welt bewegend, ist die Weihnachtserinnerung, dass frohe Botschaft zur Erde kommt durch den Lobgesang der Engel, die den Hirten große Freude verkünden, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus.
Martin Luther hat später deutlich schön in Worte kleiden können, was heute auf Ärztekongressen als die therapeutische Kraft der Musik und des Gesangs wissenschaftlich bedacht wird (nebenbei gesagt: Kennen Sie den Unterschied zwischen einem Ärztekongreß und dem Kirchentag? Auf dem einen gibt es ein Streichquartett zur Erholung, auf dem anderen sperren wir selber singend den Schnabel auf...):
Ich liebe die Musik, sagt Luther, und es gefallen mir die Schwärmer nicht, die sie verdammen, weil die Musik 1. ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen ist, und 2. weil sie die Seelen fröhlich macht , und 3. weil sie den Teufel verjagt, und 4, weil sie unschuldige Freude weckt. Darüber vergehen die Zornanwandlungen, die Begierden, der Hochmut. Ich gebe der Musik den ersten Platz nach der Theologie.
Und dann speziell an anderer Stelle speziell zum Singen sagt Luther:
„Singen ist eine feine, edle Kunst und Übung. Singen hat nichts mit der Welt und nichts mit der Streitsucht zu tun. Wer singt, der sorgt nicht viel. Er schlägt alle Sorgen aus und ist guter Dinge.“ (vgl. Martin Luther, Tischreden, hg. Kurt Aland, Reclam Stuttgart 1996, S. 276)
Anders gesagt und vielen sicher gut bekannt: Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen kennen keine Lieder.
Auch wenn letzteres nicht so ganz stimmt, Schlacht- und Streitgesänge gibt es eben auch, und es kommt immer auch auf die Inhalte der Lieder an, aber so oder so: Singen gibt Mut und Kraft, ist gesund und kostet gar nichts, außer ein wenig Überwindung vielleicht.
Zurück zu Fulbert Steffensky und zu seinen Gedanken an Erinnerung und erwarteter Hoffnung, in die er kühn den Paradiesesgedanken einträgt und ihn paart mit eigener Arbeit und Anstrengung. Steffensky sagt:
„Das Paradies ist nichts (von der Wirklichkeit aus gesehen) völlig Anderes, es ist die Musik, die hier schon gesungen werden soll.
Es soll im Himmel wie auf Erden sein und auf Erden wie im Himmel. Gottes Wille soll geschehen, (…) wie die Vaterunser-Bitte sagt. Himmel heißt nicht nur, eine Herkunft haben, es heißt nicht nur eine Zukunft haben. Es heißt, eine Arbeit auf der Erde haben. Die große Würde des Menschen: er ist nicht nur nacktes Spatzenjunges, das den religiösen Schnabel aufsperrt und auf die tägliche Gnadenfütterung Gottes wartet. Der Mensch ist Mitarbeiter und Koautor des Paradieses. Er soll den von Gott eingerichteten Garten bebauen (…). So soll er auch in der Gegenwart Mitarbeiter an der Versöhnung des Lebens sein; Koautor des Trostes, der Gerechtigkeit, des Friedens auf dieser Welt.“
Soweit Steffensky (in der Nordelbischen Zeitung vom 17.04.2008 (?) )
Mit dem Schrei nach Futter fängt diese Arbeit an, und nur wer den Schnabel aufreißt, merkt auch, dass er singen kann.
Egal wie die Töne kommen, ob glockenhell und schön oder quitscheschief und brummbärbeißig tief, eines ist sicher bei uns in der Kirche: wir singen selber, wir loben Gott, wir tun uns damit Gutes und anderen hoffentlich auch, wir tragen Erinnerungsreiches in die Zukunft hinein und füllen so die Gegenwart mit Schönem. Deshalb: „Kantate Domino, Jubilate Deo..."
Amen
Lieder:
EG 501 Wie lieblich ist der Maien
EG 306 Singt das Lied der Freude
EG 341 Nun freut euch, lieben Christeng‘mein
EG 583 Jubilate Deo
EG 123 Jesus Christus herrscht als König