I. Bei Paulus kann man lernen, was positives Denken heißt. Darin hat er sich über viele Jahre vervollkommnet. Positiv zu denken, das bedeutet für ihn nicht, das Schwere auszublenden. Das Belastende zu verdrängen. Nur das Angenehme anzuschauen. Im Gegenteil: Er setzt sich den Schattenseiten seines Lebens ganz bewusst aus. Identifiziert sich mit seinen Schwächen. Und versucht zu entdecken, was er aus ihnen Positives lernen kann.
Möglich wird ihm das durch seinen Glauben. Er gibt sich nicht mit Plattitüden zufrieden: „Das wird schon wieder.“ „Auf jeden Regen folgt auch wieder die Sonne.“ „So ist das Leben“... Wenn er etwas Schweres erlebt, dann sucht er nach dessen Sinn. Für ihn passiert nichts einfach zufällig. Sondern er ist überzeugt, dass Gott ihm dadurch etwas mitteilen will.
Zum Beispiel durch seine chronische Erkrankung. Lange hat er gegrübelt, warum gerade er so erkranken musste. Ihm, der doch sein ganzes Leben für den Glauben einsetzt. Der als Missionar durch Gegenden zieht, die vom Christentum kaum berührt sind. Der immer wieder die Auseinandersetzung mit den Behörden und der Bevölkerung wagt. Gott hat ihn belohnt: Mit dem einen oder anderen Menschen, den er überzeugen konnte. Und mit zwei mystischen Erlebnissen, bei denen er Gottes Nähe ganz stark empfinden durfte.
Und gerade er, der Uneigennützige, der Unermüdliche, muss sich mit dieser Krankheit quälen. Chronische Anfälle voller Schmerz und Schwäche. Warum nur? Lange hat Paulus mit dieser Frage gehadert. Bis er für sich eine Antwort fand: Das Leiden soll ihn davor schützen, selbstherrlich zu werden. Soll ihn daran erinnern, dass auch er schwach ist. Nicht nur seine Mitstreiter. Seitdem ihm dies klar wurde, ist er auch mit den anderen etwas barmherziger geworden.
Seit er in seiner Krankheit einen Sinn sehen kann, kann er sie auch wieder mit Gott zusammenbringen. Er muss nicht mehr hadern. Muss sich nicht mehr fragen, ob Gott denn machtlos sei. Wie oft hatte er um Heilung gebetet! Auch jetzt würde er nicht sagen, dass Gott ihm die Krankheit geschickt habe. Aber Gott hat sie sich zunutze gemacht. Um ihm zu zeigen: Deine Kraft kommt nicht aus dir selbst. Auch wenn du schwach bist, können dir Kräfte zuwachsen. Bilde dir nur nicht ein, du würdest sie dir selbst verdanken.
II. Zuletzt hatte sich sein positives Denken wieder bewähren müssen. Er war inhaftiert worden. Irgendwo in der westlichen Türkei, vielleicht in Ephesos. Er hatte für den Glauben an Christus geworben. Hatte einige Neugierige gefunden, die ihm zuhörten. Aber die Behörden waren ebenfalls auf ihn aufmerksam geworden. Und die verstanden sich nun mal als Schutzmacht der vorherrschenden Religion. Und so fand er sich im Gefängnis wieder.
Das wird für ihn eine ähnliche Herausforderung gewesen sein wie seine Krankheit. Auch die Haft hinderte ihn daran, Menschen für Gott zu gewinnen. Statt seine Zeit für die Frohe Botschaft einzusetzen, musste er sie sinnlos absitzen. Auf Veränderung hoffen.
Warum passierte das gerade ihm? Hätte Gott nicht seinen guten Willen sehen und seine Arbeit fördern können? War es etwa sinnlos, was er tat? Hatte er sich seinen Auftrag nur eingebildet? Und was würde aus ihm werden? War sein Leben in Gefahr?
Ein Erlebnis löste bei ihm das Umdenken aus. Er war mit einem Wächter ins Gespräch gekommen. Natürlich ein loyaler Vertreter des Staates. Aber der hatte sich beeindruckt gezeigt von der Haltung des Gefangenen. So zu seinem Glauben zu stehen, auch wenn die Konsequenz das Gefängnis ist – das imponierte ihm. Und auch den anderen Wächtern. Sie hatten untereinander gesagt: Dann sind die Christen doch nicht so schwächlich, wie man denkt.
Bald darauf hatte der Wächter Paulus von der Außenwelt erzählt. Viele Christen außerhalb des Gefängnisses verfolgten das Schicksal des Häftlings. Seine aufrechte Haltung hatte sich herumgesprochen. Seine Treue zu Gott. Seine Weigerung, den römischen Göttern zu opfern. Denn das hatten die Behörden von ihm verlangt. Paulus bekannte sich jedoch auch in der Haft zu Christus.
Die anderen Christen wurden dadurch gestärkt. Als Paulus davon hörte, konnte er auch einen Sinn in seiner Gefangenschaft entdecken. Wie früher schon in seiner Krankheit. Auch in der Haft wurde er von Gott gestärkt. Auch im Gefängnis war er nicht von seiner Quelle abgeschnitten. Das beeindruckte seine Gegner und ermutigte seine Freunde.
III. Diese Ermutigung will er weitergeben. Zum Beispiel an die Gemeinde in Philippi. In einem Brief schildert er, wie sich bei den Römern herumgesprochen hat, dass er „seine Fesseln für Christus trägt“. Wie seine freien Glaubensbrüder nun viel beherzter von Christus sprechen, auch in der Öffentlichkeit. Und dann fährt er fort [lesen: Phil 1,15-21].
Zwei Gruppen von Predigern treten auf. Die einen nennt Paulus neidisch, streitsüchtig, eigennützig und unlauter. Die anderen liebevoll, in guter Absicht. Leider wird nicht so richtig deutlich, was beide Gruppen inhaltlich unterscheidet.
Aber es gibt einen Hinweis: Der Gegensatz beider Gruppen muss mit der Haltung zu tun haben, die sie Paulus gegenüber einnehmen. Genau genommen damit, wie sie die Haft des Paulus beurteilen.
Von den „Guten“ sagt er nämlich: Sie wissen, dass er zur Verteidigung des Evangeliums in Haft ist. Die „Unlauteren“ dagegen möchten ihm Trübsal bereiten in seiner Gefangenschaft. Wird also wieder die Autorität des Paulus bestritten? So, wie wir es auch aus den anderen Briefen des Paulus kennen. Sagen die einen: Dass er in Haft sitzt, das zeigt, dass Gott nicht auf seiner Seite steht? Dass keine Gnade auf seiner Arbeit liegt? Unterstellen die Gegner vielleicht sogar, dass er sich tatsächlich etwas hat zu Schulden kommen lassen? Verweisen sie auf Petrus, der im Gegensatz zu Paulus wunderbar aus dem Gefängnis befreit worden war?
Seine Freunde wissen, dass er aus guten Gründen in Haft ist. Man könnte auch sagen: Sie teilen das positive Denken des Paulus. Sie glauben wie er, dass Gott mit dieser Haft etwas bewirken will. Denken Sie an die Reaktion der Gefängniswärter! Und an die Ermutigung, die von der vorbildlichen Stärke des Paulus ausgegangen ist.
Die Gegner können dieses positive Denken nicht teilen. Sie können in der Haft keinen Sinn entdecken. Im Gegenteil: Für sie ist die Autorität des Paulus untergraben durch seine Gefangenschaft.
IV. Paulus hat mit seiner Deutung der Ereignisse also nicht alle überzeugen können. Ich denke, das ist auch kein Wunder. Denken Sie daran, wie mühsam er sich selbst diese Haltung erst erarbeiten musste! An seinem Umgang mit der Krankheit wurde das besonders deutlich. Und bei der Haft wird es ähnlich gewesen sein.
„Denen, die Gott lieben, sollen alle Dinge zum besten dienen.“ Wie schwer kann es sein, diesen Satz für sich selbst zu bejahen! Wirklich „alle“ Dinge?! Wirklich auch eine schwere Erkrankung? Auch ein Schicksalsschlag? Kann man in diesem Satz nicht auch ganz viel Unbarmherzigkeit hören? Klage nicht! Sei nicht undankbar! Sei demütig! Liebst Du Gott etwa nicht genug?
Diesen Satz zu bejahen, das kann man von niemandem verlangen. Man darf ihn sogar nur mit großem Fingerspitzengefühl weitersagen. Selbst wenn man ihn sagt, um zu trösten, kann man so viele Missverständnisse mit ihm auslösen. Als ob es eine Pflicht gebe, im eigenen Unglück etwas Positives, Sinnvolles zu sehen.
Etwas anderes ist es jedoch, wenn ein Mensch wirklich zu dem positiven Denken des Paulus gelangt ist. Wenn es ihm aus einer tiefen Gewissheit heraus gelingt, im Negativen einen Sinn zu sehen. Wenn er dann aus vollem Herzen sagen kann: „Denen, die Gott lieben, sollen alle Dinge zum besten dienen.“ Und wie tröstlich kann es sein, wenn sich zwei Menschen in dieser Gewissheit verbunden fühlen!
Von seinen Gegnern kann Paulus jedoch nicht verlangen, dass sie die Dinge sehen wie er selbst. Vielleicht geht er deshalb so ungewöhnlich nachsichtig mit ihnen um. Sonst wich Paulus ja keinem dogmatischen Konflikt aus. Auch wenn seine Autorität angezweifelt wurde, konnte er sich hartnäckig verteidigen. Hier jedoch ein geradezu schulterzuckendes „Was tut’s aber?“
Staunend nehmen wir seine Gelassenheit zur Kenntnis. „Was tut’s aber? Wenn nur Christus verkündigt wird, so freue ich mich darüber.“ Vielleicht spürt er, dass er das demütige, positive Denken, das auch in der scheinbaren Niederlage einen Gewinn sieht, von niemandem erzwingen kann.
V. Vor allem zeigt sich in dieser Gelassenheit, wie tief ihn seine Erkenntnis durchdrungen hat. Gäbe es einen schönen Beweis für sein Vertrauen? Für seine Gewissheit, dass auch die Haft von Gott er einen positiven Sinn hat? Er könnte schließlich durch das Auftreten seiner Gegner ins Zweifeln kommen. Ist es nicht doch ein großes Unglück, dass er ihnen nicht frei entgegentreten kann? Dass er sie nicht von Angesicht zu Angesicht zurechtweisen kann?
„Was tut’s aber?“ Dieser souveräne Umgang mit seinen Gegner beweist für mich, dass Paulus wirklich von einem tiefen Vertrauen erfüllt ist. Dieses Vertrauen ermöglicht es ihm, große Sätze zu sagen: „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“
Er kann wirklich zu allem eine positive Haltung einnehmen. Nicht nur zu seiner Krankheit. Nicht nur zur Haft. Sondern sogar im Sterben könnte er einen Gewinn sehen. Sein Vertrauen in Gott ermöglicht ihm das. Seine Verbundenheit mit Christus.
Aber sind das nicht vielleicht doch etwas zu große Worte? Will er sich Mut zureden? Nein – das gelassene „Was tut’s aber?“ ist für mich der Beweis. Paulus ist tatsächlich zu einer Gelassenheit vorgedrungen, die beeindruckend ist. Vor allem durch sie ist der gefangene Paulus auch heute, auch für mich ein beeindruckendes Vorbild des Glaubens.
Möglich wird ihm das durch seinen Glauben. Er gibt sich nicht mit Plattitüden zufrieden: „Das wird schon wieder.“ „Auf jeden Regen folgt auch wieder die Sonne.“ „So ist das Leben“... Wenn er etwas Schweres erlebt, dann sucht er nach dessen Sinn. Für ihn passiert nichts einfach zufällig. Sondern er ist überzeugt, dass Gott ihm dadurch etwas mitteilen will.
Zum Beispiel durch seine chronische Erkrankung. Lange hat er gegrübelt, warum gerade er so erkranken musste. Ihm, der doch sein ganzes Leben für den Glauben einsetzt. Der als Missionar durch Gegenden zieht, die vom Christentum kaum berührt sind. Der immer wieder die Auseinandersetzung mit den Behörden und der Bevölkerung wagt. Gott hat ihn belohnt: Mit dem einen oder anderen Menschen, den er überzeugen konnte. Und mit zwei mystischen Erlebnissen, bei denen er Gottes Nähe ganz stark empfinden durfte.
Und gerade er, der Uneigennützige, der Unermüdliche, muss sich mit dieser Krankheit quälen. Chronische Anfälle voller Schmerz und Schwäche. Warum nur? Lange hat Paulus mit dieser Frage gehadert. Bis er für sich eine Antwort fand: Das Leiden soll ihn davor schützen, selbstherrlich zu werden. Soll ihn daran erinnern, dass auch er schwach ist. Nicht nur seine Mitstreiter. Seitdem ihm dies klar wurde, ist er auch mit den anderen etwas barmherziger geworden.
Seit er in seiner Krankheit einen Sinn sehen kann, kann er sie auch wieder mit Gott zusammenbringen. Er muss nicht mehr hadern. Muss sich nicht mehr fragen, ob Gott denn machtlos sei. Wie oft hatte er um Heilung gebetet! Auch jetzt würde er nicht sagen, dass Gott ihm die Krankheit geschickt habe. Aber Gott hat sie sich zunutze gemacht. Um ihm zu zeigen: Deine Kraft kommt nicht aus dir selbst. Auch wenn du schwach bist, können dir Kräfte zuwachsen. Bilde dir nur nicht ein, du würdest sie dir selbst verdanken.
II. Zuletzt hatte sich sein positives Denken wieder bewähren müssen. Er war inhaftiert worden. Irgendwo in der westlichen Türkei, vielleicht in Ephesos. Er hatte für den Glauben an Christus geworben. Hatte einige Neugierige gefunden, die ihm zuhörten. Aber die Behörden waren ebenfalls auf ihn aufmerksam geworden. Und die verstanden sich nun mal als Schutzmacht der vorherrschenden Religion. Und so fand er sich im Gefängnis wieder.
Das wird für ihn eine ähnliche Herausforderung gewesen sein wie seine Krankheit. Auch die Haft hinderte ihn daran, Menschen für Gott zu gewinnen. Statt seine Zeit für die Frohe Botschaft einzusetzen, musste er sie sinnlos absitzen. Auf Veränderung hoffen.
Warum passierte das gerade ihm? Hätte Gott nicht seinen guten Willen sehen und seine Arbeit fördern können? War es etwa sinnlos, was er tat? Hatte er sich seinen Auftrag nur eingebildet? Und was würde aus ihm werden? War sein Leben in Gefahr?
Ein Erlebnis löste bei ihm das Umdenken aus. Er war mit einem Wächter ins Gespräch gekommen. Natürlich ein loyaler Vertreter des Staates. Aber der hatte sich beeindruckt gezeigt von der Haltung des Gefangenen. So zu seinem Glauben zu stehen, auch wenn die Konsequenz das Gefängnis ist – das imponierte ihm. Und auch den anderen Wächtern. Sie hatten untereinander gesagt: Dann sind die Christen doch nicht so schwächlich, wie man denkt.
Bald darauf hatte der Wächter Paulus von der Außenwelt erzählt. Viele Christen außerhalb des Gefängnisses verfolgten das Schicksal des Häftlings. Seine aufrechte Haltung hatte sich herumgesprochen. Seine Treue zu Gott. Seine Weigerung, den römischen Göttern zu opfern. Denn das hatten die Behörden von ihm verlangt. Paulus bekannte sich jedoch auch in der Haft zu Christus.
Die anderen Christen wurden dadurch gestärkt. Als Paulus davon hörte, konnte er auch einen Sinn in seiner Gefangenschaft entdecken. Wie früher schon in seiner Krankheit. Auch in der Haft wurde er von Gott gestärkt. Auch im Gefängnis war er nicht von seiner Quelle abgeschnitten. Das beeindruckte seine Gegner und ermutigte seine Freunde.
III. Diese Ermutigung will er weitergeben. Zum Beispiel an die Gemeinde in Philippi. In einem Brief schildert er, wie sich bei den Römern herumgesprochen hat, dass er „seine Fesseln für Christus trägt“. Wie seine freien Glaubensbrüder nun viel beherzter von Christus sprechen, auch in der Öffentlichkeit. Und dann fährt er fort [lesen: Phil 1,15-21].
Zwei Gruppen von Predigern treten auf. Die einen nennt Paulus neidisch, streitsüchtig, eigennützig und unlauter. Die anderen liebevoll, in guter Absicht. Leider wird nicht so richtig deutlich, was beide Gruppen inhaltlich unterscheidet.
Aber es gibt einen Hinweis: Der Gegensatz beider Gruppen muss mit der Haltung zu tun haben, die sie Paulus gegenüber einnehmen. Genau genommen damit, wie sie die Haft des Paulus beurteilen.
Von den „Guten“ sagt er nämlich: Sie wissen, dass er zur Verteidigung des Evangeliums in Haft ist. Die „Unlauteren“ dagegen möchten ihm Trübsal bereiten in seiner Gefangenschaft. Wird also wieder die Autorität des Paulus bestritten? So, wie wir es auch aus den anderen Briefen des Paulus kennen. Sagen die einen: Dass er in Haft sitzt, das zeigt, dass Gott nicht auf seiner Seite steht? Dass keine Gnade auf seiner Arbeit liegt? Unterstellen die Gegner vielleicht sogar, dass er sich tatsächlich etwas hat zu Schulden kommen lassen? Verweisen sie auf Petrus, der im Gegensatz zu Paulus wunderbar aus dem Gefängnis befreit worden war?
Seine Freunde wissen, dass er aus guten Gründen in Haft ist. Man könnte auch sagen: Sie teilen das positive Denken des Paulus. Sie glauben wie er, dass Gott mit dieser Haft etwas bewirken will. Denken Sie an die Reaktion der Gefängniswärter! Und an die Ermutigung, die von der vorbildlichen Stärke des Paulus ausgegangen ist.
Die Gegner können dieses positive Denken nicht teilen. Sie können in der Haft keinen Sinn entdecken. Im Gegenteil: Für sie ist die Autorität des Paulus untergraben durch seine Gefangenschaft.
IV. Paulus hat mit seiner Deutung der Ereignisse also nicht alle überzeugen können. Ich denke, das ist auch kein Wunder. Denken Sie daran, wie mühsam er sich selbst diese Haltung erst erarbeiten musste! An seinem Umgang mit der Krankheit wurde das besonders deutlich. Und bei der Haft wird es ähnlich gewesen sein.
„Denen, die Gott lieben, sollen alle Dinge zum besten dienen.“ Wie schwer kann es sein, diesen Satz für sich selbst zu bejahen! Wirklich „alle“ Dinge?! Wirklich auch eine schwere Erkrankung? Auch ein Schicksalsschlag? Kann man in diesem Satz nicht auch ganz viel Unbarmherzigkeit hören? Klage nicht! Sei nicht undankbar! Sei demütig! Liebst Du Gott etwa nicht genug?
Diesen Satz zu bejahen, das kann man von niemandem verlangen. Man darf ihn sogar nur mit großem Fingerspitzengefühl weitersagen. Selbst wenn man ihn sagt, um zu trösten, kann man so viele Missverständnisse mit ihm auslösen. Als ob es eine Pflicht gebe, im eigenen Unglück etwas Positives, Sinnvolles zu sehen.
Etwas anderes ist es jedoch, wenn ein Mensch wirklich zu dem positiven Denken des Paulus gelangt ist. Wenn es ihm aus einer tiefen Gewissheit heraus gelingt, im Negativen einen Sinn zu sehen. Wenn er dann aus vollem Herzen sagen kann: „Denen, die Gott lieben, sollen alle Dinge zum besten dienen.“ Und wie tröstlich kann es sein, wenn sich zwei Menschen in dieser Gewissheit verbunden fühlen!
Von seinen Gegnern kann Paulus jedoch nicht verlangen, dass sie die Dinge sehen wie er selbst. Vielleicht geht er deshalb so ungewöhnlich nachsichtig mit ihnen um. Sonst wich Paulus ja keinem dogmatischen Konflikt aus. Auch wenn seine Autorität angezweifelt wurde, konnte er sich hartnäckig verteidigen. Hier jedoch ein geradezu schulterzuckendes „Was tut’s aber?“
Staunend nehmen wir seine Gelassenheit zur Kenntnis. „Was tut’s aber? Wenn nur Christus verkündigt wird, so freue ich mich darüber.“ Vielleicht spürt er, dass er das demütige, positive Denken, das auch in der scheinbaren Niederlage einen Gewinn sieht, von niemandem erzwingen kann.
V. Vor allem zeigt sich in dieser Gelassenheit, wie tief ihn seine Erkenntnis durchdrungen hat. Gäbe es einen schönen Beweis für sein Vertrauen? Für seine Gewissheit, dass auch die Haft von Gott er einen positiven Sinn hat? Er könnte schließlich durch das Auftreten seiner Gegner ins Zweifeln kommen. Ist es nicht doch ein großes Unglück, dass er ihnen nicht frei entgegentreten kann? Dass er sie nicht von Angesicht zu Angesicht zurechtweisen kann?
„Was tut’s aber?“ Dieser souveräne Umgang mit seinen Gegner beweist für mich, dass Paulus wirklich von einem tiefen Vertrauen erfüllt ist. Dieses Vertrauen ermöglicht es ihm, große Sätze zu sagen: „Christus ist mein Leben, und Sterben ist mein Gewinn.“
Er kann wirklich zu allem eine positive Haltung einnehmen. Nicht nur zu seiner Krankheit. Nicht nur zur Haft. Sondern sogar im Sterben könnte er einen Gewinn sehen. Sein Vertrauen in Gott ermöglicht ihm das. Seine Verbundenheit mit Christus.
Aber sind das nicht vielleicht doch etwas zu große Worte? Will er sich Mut zureden? Nein – das gelassene „Was tut’s aber?“ ist für mich der Beweis. Paulus ist tatsächlich zu einer Gelassenheit vorgedrungen, die beeindruckend ist. Vor allem durch sie ist der gefangene Paulus auch heute, auch für mich ein beeindruckendes Vorbild des Glaubens.
Perikope