Predigt zu Philipper 4,4-7 von Winfried Klotz
4,4-7

Predigt zu Philipper 4,4-7 von Winfried Klotz

Der Apostel Paulus schreibt an die Christen in Philippi:

4 Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!   Kap 3,1; 2. Kor 13,11; 1. Thess 5,16
5 Eure Güte laßt kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!    Tit 3,2
6 Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen laßt eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!     Mt 6,25-34; 1. Petr 5,7
7 Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.    Joh 14,27; Kol 3,15

Liebe Leserinnen und Leser!

Brauchen wir eine Aufforderung zur Freude? Es geht uns doch gut, wir haben, was wir brauchen und gehen auf Weihnachten zu, das fröhliche Familienfest.

Und wenn wir nicht haben, was wir brauchen, was nützt es uns dann, dass uns jemand aufruft, uns zu freuen. Das ist dann doch unangebracht, ärgerlich und letztlich vergeblich. Wie soll man sich freuen, wenn wesentliche Dinge des Lebens fehlen? Gesundheit, Partnerschaft, passende Arbeitsstelle und Auskommen, eine Lebensperspektive; ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt?

Ich kann natürlich darauf verweisen, dass der, der diese Zeilen geschrieben oder seinem Schreiber diktiert hat, sich gerade selbst in einer ungewissen, ja bedrohlichen Lebenssituation befand. Paulus war wegen der öffentlichen Predigt von Jesus festgesetzt und vor Gericht gestellt- Ausgang offen, inklusive Hinrichtung oder Kampf in der Arena ums Überleben. Damals wie heute, das Bekenntnis zu Jesus als dem Herrn war unerwünscht und konnte schlimme Folgen haben. Kaum bei uns in Deutschland, aber wer genau hinhört und eine gute Zeitung liest, bekommt einiges von dem mit, was Christen weltweit durchmachen wegen ihres Bekenntnisses zu Jesus.

Mit Blick auf Paulus und die Leiden von Christen weltweit könnte ich also sagen: Wenn ein Paulus in seiner Lage zur Freude aufrufen kann, ja, wie er in Kapitel 1, 18 dieses Briefes schreibt, sich freuen kann, dann lass den Kopf nicht hängen, dann raff dich auf und gibt den dunklen Gedanken, dann gib den Sorgen keinen Raum! Leb in der Freude, sei fröhlich, tu dir und anderen was Gutes! Nimm das Leben nicht so schwer! Was aber, wenn dein Leben zurzeit wirklich unerträglich schwer ist? Hilft es dir dann, wenn auf andere verwiesen wird, die es auch schwer haben?

Solche Aufforderungen wie, ‚Kopf hoch, nimm das Leben nicht so schwer‘, sind weit verbreitet. Die, die sie aussprechen, vermeiden manchmal damit, sich auf die Dunkelheit im Leben ihres Nächsten einzulassen, sich auf ihren Mitmenschen einzulassen. Die irgendwie richtige, aber nicht unbedingt hilfreiche Aufforderung, lass dich nicht so hängen, dient dann der Vermeidung persönlicher Anteilnahme am Leid des Nächsten. Sie kann aber auch Ausdruck der Ratlosigkeit sein. Ärgere dich also nicht zu sehr über vermeidende Reaktionen deiner Umgebung, wenn du im Leid steckst. Trösten ist eine anstrengende Aufgabe.

So, im Sinne von ‚nimm das Leben nicht so schwer, freu dich trotzdem‘, meint es Paulus nicht! Schauen wir genau hin, was er sagt: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“ Er sagt nicht, lasst Dich nicht so hängen, sondern weist auf seinen, unseren Grund für die Freude hin: Jesus Christus, den Herrn. Freude trotz großen Leidens hat diesen einen Grund bei Paulus: Jesus Christus ist mein Herr. ER ist der, der mein Leben wirklich in der Hand hält und regiert. Der mir Ziel und Kraft gibt, es zu bewältigen. Der mir unfassbare Nähe schenkt, in der ich aufgehoben bin. In Klagelieder 3, 57 heißt es: „Du nahtest dich zu mir, als ich dich anrief, und sprachst: Fürchte dich nicht!“ Der meine Lage kennt und mein Gebet hört. Der mich verbindet mit all den Vielen, die auch zu ihm gehören und mich trägt auch durch ihre Gebete. Von eine nordkoreanischen Christin wird aus der Lagerhaft berichtet: „Als ihre Wärter erfuhren, dass sie Christin war, folterten sie sie so stark, dass sie begann, an Gott zu zweifeln. Doch zurück in ihrer Zelle ließ Gott sie seine Gegenwart erfahren: ‚Es waren noch zwölf Insassen in diesem Loch, aber ich fühlte mich mutterseelenallein. Plötzlich hörte ich eine laute Stimme. Ich schaute auf. Keiner der anderen reagierte oder verzog auch nur eine Miene. Offenbar war ich die Einzige, die die Stimme gehört hatte. Plötzlich kam die Stimme wieder. Sie sagte: Meine geliebte Tochter! Du gehst auf dem Wasser. Ich hörte diese Stimme nicht in meinem Kopf, sie kam von außen, aber die anderen hörten sie nicht. Und ich wusste, wessen Stimme das war: Gottes Stimme! Er machte mir Mut, er zeigte mir, dass er mich nicht vergessen hatte. Während meiner Haft sollte ich diese Stimme noch etliche Male hören. Jedes Mal gab Gott mir eine Botschaft der Ermutigung.‘“ Soweit dieser Bericht, zu finden im Heft von Open Doors: „Gottes verborgenes Wirken, die andere Seite der Christenverfolgung, 2015“.

Freude, das muss nicht Fröhlichkeit sein, weil das Leben rund scheint; Freude; das kann ein Freuen unter Tränen sein. Diese Freude hat bei Paulus ihren Grund in der Nähe des Herrn Jesus. Der Herr ist nahe, so sagt er im nächsten Satz und äußert damit keine Lehrmeinung, sondern eine geistliche Erfahrung: Gefängnismauern, Leid und Dunkelheit des Lebens versperren dem auferstandenen Herrn nicht den Zutritt. Seine Augen sind offen über denen, die ihn kennen und lieben. Jesus Nähe wärmt auch in der Eiseskälte der Not. ER richtet auf, die zerschlagen sind. Wer hier von Vertröstung auf ein besseres Jenseits redet, hat nichts verstanden. Es geht beim Christsein doch nicht zuerst um Welterklärung und Weltverbesserung, sondern im Kern darum, dass Gott denen nahe ist in Jesus, die ihn lieben. Das ist Advent! Und Advent hat Folgen: Eine göttliche Freundlichkeit strahlt aus denen, die sein sind. „Eure Güte laßt kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!“ Noch einmal: Eure Güte, Freundlichkeit, Milde, Gelassenheit, - eure Großzügigkeit - sollen alle merken! Welch ein Wunder, wenn die Übersehenen, Zurückgesetzten, Kritisierten, Abgelehnten denen, die sie so behandeln, mit Güte, Freundlichkeit, Milde, Gelassenheit, ja Großzügigkeit begegnen. Da strahlt etwas auf von der Güte Gottes in Jesus. Aber auch von seiner Macht zu richten die Lebenden und die Toten.

Weil Jesus, der Herr, nahe ist, beten Christen voller Zuversicht. Wir versinken nicht in den Sorgen. (Goethe im „Faust“, II. Teil, 5. Akt, es redet die Sorge: „Wen ich einmal mir besitze / dem ist alle Welt nichts nütze … Er verliert sich immer tiefer / siehet alle Dinge schiefer … Halber Schlaf und schlecht Erquicken / heftet ihn an seine Stelle / und bereitet hin zur Hölle.“) Dass die Sorgen die Übermacht gewinnen, hängt nicht an ihrer Menge und Größe, sondern an einer Grundentscheidung: Worauf richte ich mich aus? Was ist mein Lebensziel? Jesus hat in der Bergpredigt gelehrt: „Sorgt euch zuerst darum, dass ihr euch seiner (Gottes) Herrschaft unterstellt, und tut, was er verlangt, dann wird er euch schon mit all dem anderen versorgen.“ Was geht zuerst bei mir? Was ist für uns als Gemeinde Jesu Christi zuerst wichtig? Wir beten: „Dein Reich komme!“ Was erbitten wir da? Doch nicht das Schlaraffenland, sondern wir beten „um ein Leben unter der rettenden Treue Gottes und in Frieden und Freude, wie es der Heilige Geist schenkt.“ (Römer 14, 17)

Deshalb laufen wir uns nicht tot im Kreisen um uns selbst und unsere Bedrängnisse; Jesus ist uns doch nahe. Auf IHN hin schauen wir wie Menschen, die in der Morgendämmerung zur aufgehenden Sonne schauen und in ihrem Licht die Schwere der Nacht abschütteln und in der Frische des Morgens aufatmen. Das ist gewiss: Unser Herr erdrückt uns nicht! Unser Herr ist kein tötendes Gesetz und auch kein Sklaventreiber. Unser Herr hört und erhört unser Gebet. Wir beten zuversichtlich, halten Fürbitte, danken ihm. Wir verstehen unter Erhörung oft, dass geschieht, was wir erbitten. Lasst uns im Vertrauen annehmen, dass unser Herr Jesus uns auch erhört hat, wenn wir das Erbetene nicht erhalten. Und danken wir Gott dafür. „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen laßt eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!“ Aus den Sorgen ein Gebet machen! Bitten und Flehen, verbunden mit Lob und Dank! Dafür Zeit nehmen und nicht die Sorgen betäuben, übertünchen, verdrängen oder, was ja richtiger scheint, mit aller Kraft, allem Geld, aller Zeit das zu überwinden versuchen, was Sorgen macht. Mach aus Deinen Sorgen ein Gebet! Und dann geh den Weg, der Dir gewiesen ist. Wer betet, bleibt nicht ohne Antwort.

Wer betet, wird in Gottes Frieden eingehüllt: „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ Besser übersetzt heißt es: Der Friede Gottes wird eure Herzen und Sinne in Christus Jesus bewahren. Genauso gilt: Wer umbetet wird, den umgibt Gottes Frieden. Das ist keine Magie; Gottes Frieden ist personale Gegenwart Jesu. Paulus legt davon Zeugnis ab, dass Gottes Frieden nicht davon abhängt, dass die äußerlichen, irdischen Bedingungen stimmen. Er übersteigt unser Verstehen. Er kann Gegenwart werden auch unter dem Gegenteil.

Ich will diesen Gedanken, wie auch das vorher Gesagte, nicht überdehnen. Es mag jemand sagen: Mir ist all das fremd. Es kommt mir vor, als müsste ich mich in eine jenseitige Welt katapultieren. Das kann und will ich nicht. Ich muss bei mir bleiben.

In Ordnung, bleibe bei dir. Aber beginne zu dem zu reden, von dem Paulus bezeugt, dass ER nahe ist: Jesus, komm zu mir und hilf mir. Amen.

Amen