Predigt zu Römer 15, 4-13 von Petra Savvidis
15,4

Predigt zu Römer 15, 4-13 von Petra Savvidis

Röm 15, 4-13: 4 Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. 5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, 6 damit ihr einmütig mit "einem" Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
  8  Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; 9 die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« 10 Und wiederum heißt es (5.Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«
  11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!«12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.« 13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.
  
  Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn, Jesus Christus. Amen.
  
  Liebe Gemeinde!
  Lauter Hauptwörter und groß(geschrieben)e Wörter treffen wir in diesem Predigttext, einem Abschnitt aus dem Brief des Apostels Paulus an die junge Gemeinde in Rom.
   „Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.“ Paulus serviert uns eine Fülle von Begriffen und Gedanken und zitiert ausgiebig aus dem ersten Testament. Es braucht ein bisschen Geduld, den Faden zu finden und das Packende, das uns seine Worte besser verstehen lässt.
  Manches bleibt hängen beim Hören. Ich fange von hinten an.   
  Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes (V. 13).
  So schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom. Er gibt ihr einen Wunsch mit auf ihren Weg. Einen wahrhaft umfassenden Wunsch.
  Hoffnung kommt gleich zweimal vor. Die Gemeinde hatte offenbar Hoffnung nötig. Und Freude und Frieden und den Heiligen Geist auch. Aber vor allem Hoffnung.
  
  Das zweite Packende für den Text finde ich dem Vers, der in der Luther-Bibel fett gedruckt ist. Der bleibt auch beim Hören hängen: Nehmet einander an, wie Christus euch angenommen hat. Die Gemeinde in Rom hatte auch das nötig, diesen Appell zur Toleranz und zu viel mehr:  Seid verständnisvoll und geduldig miteinander, begegnet euch liebevoll und mit gegenseitigem Respekt.
  
  Die Hoffnung und das Einander-Annehmen. Beides gehört hier zusammen. Beides gehört in die Adventszeit.
  Denn das ist die Zeit des Hoffens und des Wartens und zugleich die Zeit der Diakoniesammlungen und der großen Spendenbereitschaft.
  Im Advent sind die Herzen immer ein weniger offener als sonst, wir sind ein wenig mehr bereit, zu empfangen und zu geben, im Advent öffnen wir uns ein bisschen mehr für die Ankunft Gottes in unserer Welt.
  
  Die Hoffnung und das Einander-Annehmen. Die Gemeinde in Rom damals hatte beides nötig. Paulus versucht, ihr einen neuen Anstoß dazu zu geben. Er kannte die Gemeinde selbst nicht, aber er hatte sich gut informiert über die Situation dort.
  Und so wie es damals in Rom aussah, so könnte es wohl auch heute in unseren Gemeinden aussehen:
  viele verschiedene Menschen, die viel miteinander teilen: den Glauben an Gott und seinen Sohn Jesus Christus, die Freude am Gottesdienst und gemeindlichen Aktivitäten, das Engagement für Diakonie. Starke Menschen, die selbst ihren Weg finden, die mutig für ihre Überzeugung eintreten, daneben auch  verzagte Menschen, die angewiesen sind auf klare Ordnungen, in die sie sich einfügen können.  Konservative und Liberale und Progressive, Sanftmütige und Streitlustige.
  Sie alle teilen viel. Aber trotzdem kann das Leben miteinander schwierig sein.
  In Rom kam es damals zum Streit, es drohte die Spaltung der Gemeinde. Es ging, so wie so oft in der fast 2000jährigen Geschichte der Kirche, um verschiedene Auffassungen, wie Gottes Wort zu verstehen sei. Es muss damals ziemlich gekracht haben in Rom.
  
  So offenkundig unversöhnlich geht es heutzutage hierzulande nur selten zu zwischen Christen.
  Aber wer wollte leugnen, dass es Spannungen gibt und Konflikte in den Gemeinden? Da verändert sich zur Zeit so vieles, da geben oft die Finanzprobleme das Konzept für neue Strukturen vor, da werden Gemeinden vereinigt, Gottesdienststätten aufgegeben, Stellen eingespart….
  Manche in den Gemeinden sehen diese Veränderungen als Chance, andere möchten gern festhalten an dem, was immer schon war. Das kann zu Spannungen führen, das kann dazu führen, dass manchmal Kleinigkeiten wichtig werden, dass man sich verbohrt.
  
  Was dann fehlt, ist der Weitblick, der Horizont und der Blick für die Gemeinsamkeit.
  Das fehlte auch damals der Gemeinde in Rom, sie brauchte eine Perspektive, um herauszufinden aus der Verstrickung, aus dem Streit. 
  
  Paulus erinnert an die gemeinsame Grundlage, er wirbt um Verständnis und ruft auf zu neuer Perspektive.
  Er tut das mit Blick auf die Bibel, die heilige Schrift, das Buch des Trostes, wie Paulus schreibt. Wer das miteinander teilt, wer sich in Gottesdiensten und im Alltag davon bewegt weiß, der teilt viel und findet gemeinsam eine Stimme. Zum Lobe Gottes.
  Damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt. Das ist das Ziel, so schreibt Paulus. Darauf baut alles Miteinander auf. Sucht das Gemeinsame, sucht das, was euch verbindet.
  
  Dabei ist die gemeinsame Hoffnung eine starke Kraft. An den Gott der Hoffnung zu glauben, das bedeutet, alles Gute vom ihm zu erwarten, die Chance zu sehen, die an jedem Tag wieder neu sein kann, es bedeutet einfach, mit Gott zu rechnen im Leben. Hoffnung beflügelt und trägt hinweg über so manches Hindernis. Und sie macht stark und mutig für einen selbst und für andere. Ohne Hoffnung kann kein Mensch leben. 
  Im Advent werden wir wieder darin erinnert, dass wir etwas zu hoffen haben. Ganz persönlich, für das eigene Leben, und darüber hinaus.
   
  Das ist die Botschaft, die Paulus für die Gemeinde hat. Diesen Wunsch gibt er ihr mit: Was immer euch gerade quält, wie schwer es auch jetzt sein mag für euch. Gott wecke diese Hoffnung in euch, die euch verbindet untereinander und die euch tröstet. Er gebe euch seinen heiligen Geist, damit ihr Zukunft sehen und Frieden finden könnt.
  
  Dann appelliert Paulus: 
  Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat. Denn Christus machte euch vor, wie das geht. Er wurde ein Diener der Juden und ein Heiland für alle Völker. Er ist als Jude geboren und hat seine Stimme laut gemacht und ist dafür eingetreten, dass Gottes Botschaft allen Völkern gilt, nicht nur den Juden, sondern allen Menschen. Anders, als viele sich das vorstellen konnten.
  Im Evangelium, das wir gehört haben, fragt Johannes der Täufer erst einmal nach: Bist du das wirklich, der uns angekündigt war? Oder sollen wir noch weiter warten, auf einen anderen, der eher dem entspricht, was wir unter Gottes Ankunft in der Welt verstehen?
  Jesus Christus ist als Gottessohn auf die Welt gekommen, um Frieden zu stiften und Versöhnung. 
   Er verzichtet auf Gewalt und auf Macht und hat nur seine Worte und sein eigenes Leben, um die Welt zu überzeugen, und er wird doch zur Hoffnung für viele. „Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf, und Armen wird das Evangelium gepredigt.“
  Wunder über Wunder. Auf nicht weniger hoffen wir. Worauf sonst sollten wir warten?
  
  Nehmt einander an….
  Das ist viel mehr als Toleranz. Annehmen ist mehr als bloßes Hinnehmen. Nehmt einander an, das heißt: schaut hin und erkennt, dass ihr unterschiedlich seid, und habt Achtung füreinander.
  Wer den anderen annimmt, wie er ist, der lässt ihn gut aussehen, der ist versöhnt mit der Verschiedenheit und empfindet Respekt für die Vielfalt. Der achtet und liebt den anderen als Nächsten, als einen, der ihm von Gott an die Seite gestellt wurde.
  
  Wie Christus euch angenommen hat….
  Mach es wie Gott – werde Mensch! In der Adventszeit warten wir darauf, dass Gott zu uns kommt, als Mensch. Um den armen und bedrängten Menschen zu allen Zeiten nahe zu sein.
  Im Advent hoffen wir darauf, dass Gott uns seine ganze Fülle, seinen ganzen Reichtum schenkt in diesem einen Menschen Jesus Christus. Und so wie er sich der Not in der Welt angenommen hat, so erinnert uns die Botschaft heute daran, dass wir als Menschen und Mitmenschen auch für andere da sind.
  Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.
  Alles, was wir tun, alles, was Jesus Christus getan hat, geschieht zu Gottes Lob. Eis doxa tou theou….. zur Ehre Gottes. Paulus benutzt hier dieselben griechischen Worte wie Lukas in seinem Weihnachtsevangelium. Ehre sei Gott in der Höhe, singen da die Engel im Himmel und machen die Weihnachtsbotschaft öffentlich bekannt. Zu Gottes Lob und Ehre hat Christus gelebt und uns angenommen, wie wir sind. Damit wir gerettet werden, damit wir heil werden.
  Nehmt einander an….. Wenn wir als Christenmenschen so miteinander leben, wie Jesus uns das vorgelebt hat, dann ist das ganze Jahr Weihnachten. 
  
  In diesen großen Horizont stellt Paulus die kleine Gemeinde in Rom damals um das Jahr 55 n.Chr. und jede Gemeinde überall zu allen Zeiten. Der Weg, den Paulus aufzeigt, das Verbindende und die gemeinsame Hoffnung zu suchen, ist verheißungsvoll.
  
  Ab und zu ist es gut, daran erinnert zu werden, aus welchem Grund wir guter Hoffnung sein können. 
  Weil ein Kind in die Welt kam, das Gottes ganze Kraft hatte, weil Jesus Christus geboren wurde, der uns alles, was wir schon immer wissen wollten, von Gott erzählte. Weil er uns gezeigt hat, wie Liebe gelebt werden kann.
  Ab und zu ist es gut, so einen Wunsch mit auf den Weg zu bekommen, wie ihn Paulus der Gemeinde mitgibt: Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes (V. 13).
  Dieser Wunsch gilt heute uns.
  
  Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
  
  Lied nach der Predigt: Wir sagen euch an den lieben Advent, EG 17, 1-3. Dort heißt es in Str. 2:
  „So nehmet euch eins um das andere an, wie auch der Herr an uns getan.“
  
  (den Hinweis auf Lk 2 habe ich bei K-P. Hertzsch gefunden in den GPM 60/1, 2005, S. 25.)