Predigt zu Titus 2,11-14 von Lutz Meyer
2,11-14

Und so hat sich Gott allen Menschen gezeigt, sich Ihnen zugewandt und Ihnen Hoffnung  gebracht. Die Hoffnung will uns verändern. Sie bringt uns dazu, der Gottlosigkeit eine Absage zu erteilen, sie lässt uns aufhören die Dinge dieser Welt festzuhalten. Durch die Hoffnung werden wir verändert, haben Gott fest im Blick. Wir können der jetzigen Zeit als besonnene und gerechte Menschen leben und unseren Glauben ausüben.

Gleichzeitig warten wir darauf, dass die Hoffnung in Erfüllung geht, die uns glückselig macht – und darauf, dass die Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus erscheint. 14Der hat sein Leben für uns gegeben. So hat er uns von allem erlöst, was aus der Gesetzlosigkeit entsteht.

Und so wollte er sich ein reines Volk erschaffen, das ihm gehört – ein Volk, das nur darauf aus ist, Gutes zu tun.
(Übersetzung/Übertragung Lutz Meyer)

Liebe Gemeinde,

„Ihr sollt ein Volk sein, das nur darauf aus ist, Gutes zu tun!“ – mit diesem Wunsch, mit diesem Ausblick, ja, mit dieser Zielvorgabe schließt der Predigttext aus dem Titusbrief.

Mir kommt das so vor, wie ein unpassender Zwischenruf, eine Störung in erlauchter Runde. Wir wollen Weihnachten feiern und der Predigttext für unseren Gottesdienst kommt daher wie ein Verwandter, der sich bei einer Familienfeier ungemessen benimmt oder doch wenigstens unpassende Kleidung trägt.

„Ihr sollt ein Volk sein, das darauf aus ist, Gutes zu tun!“  - das passt gerade in diesem Jahr nicht in die Erwartungen, die viele, die ich ans Weihnachtsfest in diesem Jahr habe.

„Lasst mich in Ruhe feiern“, höre ich mich innerlich sagen. Sollte nicht in diesem Jahr wenigstens Weihnachten eine Insel der guten Stimmung sein? Keine Flüchtlinge, kein Reden von Terrorgefahr, kein „Wir schaffen das!“  oder „Wir schaffen das nicht!“, auch keine weiteren Aufrufe sich als Deutsche von der guten Seite zu zeigen. Wenigstens heute  - keine moralischen Appelle, sondern einfach nur Christvesper  - eingestimmt werden, in den Zauber dieser Tage.

Nun, unser Glaube ist keine Droge, die wir einnehmen, um die Wirklichkeit zu vergessen. Martin Luther hat mal gesagt, - und ich verfremde den Satz ein wenig – „Der Glaube sagt, was Sache ist!“

Auch zu Weihnachten – „Der Glaube sagt, was Sache ist“ Und so bitte ich Sie sich heute Nachmittag, einen Moment Zeit zu nehmen, ich bitte Sie für ein paar Minuten abzusehen von der Bescherung, und dem Weihnachtsessen. Lassen sie uns hinsehen, auf das, was Paulus einem seiner engsten Mitarbeiter, was er Titus schreibt.

Gleich zu Beginn kommt der Paukenschlag, der wesentliche Satz, der die neue Sicht der Christen auf die Welt beschreibt: „So hat sich Gott allen Menschen gezeigt, sich Ihnen zugewandt und Ihnen Hoffnung  gebracht.“

Was mit 2000 jähriger Verspätung betrachtet, sprich heute, ein wenig geschraubt klingt, hat Leute wie Titus und die jungen Christen in seiner Gemeinde in Begeisterung versetzt. „Gott hat sich allen Menschen gezeigt, sich Ihnen zugewandt und Ihnen Hoffnung  gebracht“ – die Christen um Titus hatten erlebt: Gott ist keine ferne Macht, kein Schicksal, oder eine Illusion die, die Menschen brauchen, um sich da Leben leichter zu machen.

Nein, Titus und seine Freunde hatten verstanden. Mit  Jesus ist Gott all das nicht mehr – Seit Jesus in die Welt kam, ist Gott Mensch! Gott zeigt sich  den Menschen menschlich - ist ihnen zugewandt. 

Wer hätte gedacht, dass es mit Weihnachten diese Bewandtnis haben könnte? Es geht nicht um ein paar Tage gefühlvollen Karneval bei Marzipan oder auf dem Weihnachtsmarkt mit Glühwein in der Hand. Es geht heute um die Befähigung des Menschen zum Menschlichen!  Das ist mit Jesus in die Welt gekommen!

Friedrich von Bodelschwingh hat das mal so erklärt: „Nach Hause kommen, das ist es, was das Kind von Bethlehem allen schenken will, die weinen, wachen und wandern auf dieser Erde.“

Was im Titusbrief „Hoffnung“ genannt wird, die entsteht, „weil Gott sich allen Menschen zuwendet“  heißt bei Bodelschwingh schlicht „nach Hause kommen!“ Und dieses nach Hause kommen, haben alle die nötig, für die das Leben nicht nur eine einzige Party ist. Für die, die  wissen was es heißt zu weinen, zu wachen und wandern auf dieser Erde -  für diese Menschen ist Weihnachten gemacht!

Weinen Sie manchmal? Wachen sie manchmal – weil Sorgen und Not sie nicht schlafen lassen? Dann ist Ihnen das Kind der Krippe geschenkt! Denn im Kind in der Krippe findet sich Gott! Er findet sich arm, nicht mächtig, nicht prächtig, sehr bescheiden, alltäglich, ja nackt, frierend und hilflos und doch mit einem Lächeln durch die Zeiten, das mich erreichen will in meinen Dunkelheiten (nach H.D. Hüsch). Gott hat sich aufgemacht zu wohnen, wo keiner wohnen will, in unserer Schwäche, in unserer Einsamkeit, in unserer Menschlichkeit, die Zeiten größten Glücks und größter Not kennt.

Oder wie es Martin Luther gesagt hat: Wir fassen keinen anderen Gott, als den, der in jenem Menschen ist, der vom Himmel kam. Ich fange bei der Krippe an.“

So ist denn der Predigttext heute kein unpassender Zwischenruf, eine Störung in erlauchten Runde, sondern eine notwendige Erinnerung. Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes. Unser kleines, oft so unvollkommenes  Menschsein hat eine Perspektive der Hoffnung, die alles verändert. Gott ist da, wo wir ihn nicht vermuten, im Kleinen, im Unscheinbaren, in meiner Not und meiner Gebrochenheit!

Mit der Krippe macht Gott einen neuen Anfang, bei der Krippe entdecken Christenmenschen ihren Gott am Werk, wo ihn keiner sonst am Werke sieht! Denn wo es ganz menschlich zugeht, im Guten wie im Bösen, da ist er mitten drin.

Und so kommt der Titusbrief von einer Paukenschlagerfahrung – „Gott hat sich allen Menschen zugewandt!“ und fordert uns auf, zu lernen, was Gott gelernt hat – im „Menschlich-Sein“ geschieht das „Gott-Sein“! Oder, um den Brief zu zitieren:

„Und so hat sich Gott allen Menschen gezeigt, sich Ihnen zugewandt und Ihnen Hoffnung  gebracht. Die Hoffnung will uns verändern. Sie bringt uns dazu, der Gottlosigkeit eine Absage zu erteilen, sie lässt uns aufhören die Dinge dieser Welt festzuhalten. Durch die Hoffnung werden wir verändert, haben Gott fest im Blick. Wir können der jetzigen Zeit als besonnene und gerechte Menschen leben und unseren Glauben ausüben.“

Wer Gott im Menschlichen entdecken lernt – und wer wäre da nicht immer am Anfang des Lernens? – der wird besonnen reden und handeln! Glaubende sehen sich als Lernende auf dem Gebiete des Menschlichen.

Den Gottlosen, also denen, die nichts davon wissen, was Menschlichkeit ist, denen stellen wir unseren menschlichen Gott entgegen! Denen sagen wir – Wir lernen vom Kind in der Krippe, was heißt Mensch zu sein!

Vergessen wir nicht, Gott fing ganz klein an, als Kind in der der, nun, zu Weihnachten 2015 fängt er ganz klein bei mir an! 

Perikope
24.12.2015
2,11-14