Predigt zum Kinder-Erst-Abendmahl: Hanna und Samuel (1. Samuel 1 – 3)

Predigt zum Kinder-Erst-Abendmahl: Hanna und Samuel (1. Samuel 1 – 3)

Predigt zum Kinder-Erst-Abendmahl: Hanna und Samuel (1. Samuel 1 – 3)
  mit Gestaltungsvorschlag für die Geschichte
  
  Zur Situation: Die Gemeinde bietet für Kinder, die dies möchten,  einmal jährlich eine 5-wöchige Abendmahlsunterweisung an, an deren Ende ein Erstabendmahls-Gottesdienst steht. Für die Kinder ist das ein Höhepunkt. Während der Predigt sind sie zum Kindergottesdienst in der Sakristei; die Predigt richtet sich also an Erwachsene.
  
  Liebe Eltern, liebe Gemeinde,
  
  Hanna bringt ihren Sohn Samuel in den Tempel. Er wächst dort auf, bekommt Unterricht und zugleich die Grundlagen für seine spätere berufliche Existenz. Zu allen Zeiten haben Eltern ihre Kinder zu Heiligtümern und Kirchen gebracht. Mütter haben ihre Kinder dort abgelegt als Findelkinder, weil sie nicht weiterwussten. Besonders für unverheiratete Mütter war das oft der letzte Ausweg. Die ersten Babyklappen entstanden an Kirchen und Klöstern.
  Klöster waren auch attraktiv wegen der Bildungschancen, vor allem für Mädchen. Im Mittelalter waren Klöster so gut wie die einzigen Orte, an denen Frauen geistige Talente entfalten konnten und Mädchen unterrichtet wurden. Manche Frauenklöster entwickelten sich zu geistigen Zentren, so wie das Kloster Helfta bei Eisleben.
  Der Adel brachte oft die Zeit- und Drittgeborenen im Kloster unter. So waren sie versorgt, das Erbe musste nicht geteilt werden und eine geistliche Karriere konnte der Machtposition der Familie trotzdem sehr nützlich sein.
  
  Hanna aber bringt ihren Erstgeborenen zum Tempel. Samuel, der langerbetene, ist ihr am kostbarsten. Er hat ihrer Kinderlosigkeit, ihrem Makel, ein Ende gesetzt. Er ist ein Gottesgeschenk. Er gehört nicht ihr, so wie auch unsere Kinder nicht uns gehören und wir sie nicht nach Belieben nach unseren Vorstellungen formen dürfen. Samuel gehört Gott und so will Hanna ihn Gott weihen.
  
  Wofür opfern Eltern in Deutschland 2012 ihre Kinder? Dem Vaterland zum Glück nicht mehr. Heutzutage fließt kein Blut. Aber Ehre und Ruhm? Da landet ein Kind schon einmal in einer Fernsehshow, in die es noch nicht gehört hätte. Und wie viele Opfer werden gebracht für den Satz: „Was werden die anderen dazu sagen?“ – die Klassenkameradinnen und -kameraden, die Familie, die Freunde? Ängste der Eltern engen Kinder ein oder auch ihr Ehrgeiz. Kinder sollen erreichen, was den Eltern verwehrt geblieben ist, sollen ihre Defizite ausbügeln. Kinder sollen die Träume ihrer Eltern verwirklichen und kommen gar nicht dazu herauszufinden, wovon sie träumen. Um Kinder wird erbittert gestritten, um Unterhalt und Umgangsrecht – sie werden Opfer von Beziehungskonflikten.
  
  Samuel gehört Gott. Hanna gibt ihr Kind frei. Sie wird ihn in Zukunft nicht mehr umarmen können, seine weichen Hände spüren, ihm die seidigen Haare aus dem Gesicht streichen. Sie wird ihm nicht mehr beibringen können, wie Brot gebacken und die Ziegen gemolken werden, und sie wird ihm auch nicht beistehen können wenn er einst seinen ersten Liebeskummer hat. Was weise ist, was gerecht und ungerecht, wann es wichtig ist zu streiten und wofür es sich zu leben lohnt - das wird er von anderen lernen. Wird er behütet bleiben, nicht hart werden in der Fremde? Wird er sich überhaupt an sie erinnern, wenn sie in einem Jahr wiederkommt, sie wieder anlachen? Das, was sie in ihn hineingelegt hat, muß reichen.
  Hanna verzichtet auf viel.  Sie wird ihr Kind nicht beeinflussen und prägen können. Sie verzichtet darauf, Lohn für ihre Zuwendung zu ernten, anerkannt und bewundert zu werden – Kinder spenden verschwenderisch Anerkennung - , Liebe zurückzubekommen. Nur ein paar Kleider wird sie ihrem Kind noch bringen können, gleichsam Hüllen, nicht viel mehr als das, was von einem Menschen übrig bleibt, wenn er von dieser Welt in eine andere geht. Doch was können wir wirklich unseren Kindern mitgeben? Ist es tatsächlich so viel mehr – außer uns selbst? Ist all das Andere, das Äußere, nicht nur Ersatz?
  
  Der Abschied vom Kind, er steht allen Eltern bevor, auch wenn der Schnitt nicht so radikal ist, sondern sich in Etappen vollzieht. Der Gottesdienst heute kann so eine Etappe sein. Für die sechs Mädchen ist es jedenfalls eine. Sie dürfen jetzt zum Abendmahl wie Samuel damals den Tempel betreten durfte. Hanna ermöglicht es ihm bewusst, religiöse Erfahrungen zu sammeln.
  
  Kinder nehmen auf, was die Erwachsenen vorleben. Sie bekommen mit, welche Rolle Glauben zu Hause spielt. Sie spitzen die Ohren, wenn beim Abendbrot darüber diskutiert wird. Sie mögen es, wenn die Großen Geschichten aus der Kinderbibel vorlesen oder erzählen und wenn sie entdecken, dass diese Geschichten etwas mit unserem Leben, mit unserer Welt zu tun haben. Genauso wie sich der Sinn für Schönheit erst entwickeln muß und Eltern ihn bestärken oder blockieren können, so kann auch die religiöse Dimension bei den Kindern geweckt und angestoßen werden.
  Welche spirituellen Erfahrungen werden die Kinder noch machen in ihrem Leben? Woran werden sie sich reiben, wo werden sie landen? Welchen Weg ein Kind geht, niemand hat es in der Hand. Wir können nur Wege öffnen und den Anfang ebnen. Aber das ist auch unsere Aufgabe: zeigen, wo Türen sind.
  
  Samuel wurde später ein bedeutender Prophet, salbte Könige und redete ihnen ins Gewissen. Dennoch beschäftigt mich der Abschied von seiner Mutter. Ob es immer ein Zuckerschlecken für ihn war? Ist er wirklich schon mit drei Jahren, als er abgestillt wurde, von zu Hause weggekommen  - oder ist die Bibel hier eher symbolisch zu verstehen? Gab es noch andere Kinder bei Eli, haben sie sich gezankt, hat er unter Rivalitäten gelitten, war er der Hackordnung der Älteren ausgeliefert? Wo konnte er sich ausweinen, wenn er traurig war? Oder wurde er vernachlässigt oder sogar misshandelt von Elis eigenen erwachsenen Söhnen, die als skrupellos galten? Hat er Heimweh gehabt oder war er froh, der harten Arbeit auf dem Feld entronnen zu sein? Die Geschichten aus der Bibel sind nah und gleichzeitig überaus fremd.
  
  Bei Samuel passiert etwas Bewegendes: Er hört Gottes Stimme. Gott spricht zu ihm. Sicher: Es hat Jahre gebraucht – Samuel musste erst im Tempel leben, vertraut werden damit, wie es hier zugeht. Er musste Lichter anzünden und Türen öffnen, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne. Es musste erst zum Alltag werden für ihn. Aber dann – dann hat Gott zu ihm gesprochen. Genau zur rechten Zeit, nicht früher oder später, sondern als er reif dafür war. Und – das finde ich so schön an der Geschichte – Gott spricht mit einem Kind! Es müssen keineswegs die erfahrenen, überlegenen Erwachsenen sein. Gott ist kein Alte-Männer-Gott, sondern redet mit Frauen und Kindern und schert sich nicht um die Mauern, die jede Religion und Kultur aufrichtet. Gott gesellt sich zu denen, die niemand haben will, fragt bei den Rechtlosen nach, redet aus dem Mund der Armen und Unmündigen. Ein Kind kann Gottes Stimme hören!
  
  Allerdings . Samuel muß erst lernen, diese Stimme herauszuhören und zu unterscheiden von anderem. Als Kind braucht er noch Hilfe von einem Erwachsenen. Es ist gut, dass Eli da ist, der sich darauf versteht und der sich seiner annimmt. Der alte Priester lehrt ihn, zu hören, was von Gott ist. Und er lehrt ihn ein zweites, nämlich darauf zu reagieren, zu antworten, damit umzugehen.
  Wenn wir wachsen wollen im Leben, stehen wir immer wieder neu vor der Frage: Was ist das, was mir hier begegnet, und was fange ich damit an.
  Die Antwort finden wir nicht immer allein, ebenso wenig wie die, die uns am nächsten stehen. Hier zeigt sich an Eli, welche Funktion ein Priester hat – die des geistlichen Begleiters, der geistlichen Begleiterin, die hilft, das Verwirrte zuordnen und zu klären.
  
  Eine Mutter bringt ihr Kind zu Gott. Und das Kind hört Gottes Stimme. Von beidem erzählt diese Geschichte, hier gehört beides zusammen.
  Heute im Gottesdienst erleben wir etwas Ähnliches. Eltern begleiten ihre Kinder in die Kirche. Die Kinder haben sich selbst dafür entschieden. Sie möchten Abendmahl feiern, es ist ein Fest für sie. Sie wollen es selbst und deshalb ist es für sie an der Zeit. Wir freuen uns und bitten, dass Gott uns weiter begleitet und begegnet, die Kinder und die Erwachsenen. Amen
  
  
  Vorschlag zur Gestaltung der Geschichte
  Die Geschichte wurde gekürzt, aber sie orientiert sich eng an der biblischen Geschichte (meist wörtliche Übernahme aus der Bibel in gerechter Sprache.). Die eingeflochtenen Dialoge (kursive Teile) werden aus einem Nebenraum mit drahtlosem Mikrofon gelesen; die Sprechenden sind dabei nicht sichtbar.
  Die Gemeinde spricht im Wechsel den Lobgesang der Hanna, dafür entfallen Psalm und Eingangsliturgie am Gottesdienstbeginn.
  
  Ein Mann mit Namen Elkana hatte zwei Frauen, Hanna und Peninna. Hanna hatte kein Kind, Peninna hatte mehrere Töchter und Söhne und blickte hochmütig auf  Hanna herab. Jedes Jahr zog die gesamte Familie zum Tempel in Schilo, um Gott zu danken und zu opfern. Danach setzten sie sich zu Tisch. Und sie erhoben die Hände zum lecker bereiteten Mahle. Elkana teilte das Fleisch selbst aus. Hanna, seiner Lieblingsfrau, legte er ein besonders schönes Stück auf den Teller. Hören wir, was die beiden miteinander reden.
  Elkana: Hanna, meine Liebe, koste doch wenigstens dieses Jahr davon.
  Hanna (Schluchzen)
  Elkana: Du bist so traurig und isst nichts. Hat Peninna dich wieder gekränkt?
  Hanna: Nur weil sie Kinder hat und ich keine, tut sie mir so weh.
  Elkana: Aber ich habe dich lieb. Bin ich nicht besser für dich als zehn Kinder?
  Hanna hatte es schwer. Ihre Rivalin kränkte sie tief, um sie zu erniedrigen. Die Wallfahrt zum Tempel war immer besonders schlimm.
  Hanna saß weinend vor ihrem Teller und wartete darauf, dass das Mahl endlich zu Ende ging. Dann stand sie auf und stieg noch einmal in den Tempel. Der Priester Eli saß noch auf seinem Stuhl am Türpfosten.
  Im Tempel brach Hanna in Tränen aus. Sie schütte ihre ganze Bitterkeit vor Gott aus und flehte Gott an:
  Hanna: Ich bin doch deine Sklavin! Gott, laß mich schwanger werden, schenk mir ein Kind. Wenn es ein Junge ist, soll er dir gehören. Kein Haar will ich ihm krümmen, ja ich will seine Haare nicht einmal schneiden, weil das Kind dir gehört.
  Hanna flüsterte lange. Der Priester Eli beobachtete sie die ganze Zeit. Ihre Lippen bewegten sich, sie zitterte. Doch er hörte nichts. Er hielt sie für betrunken und stellte sie zur Rede.
  Eli: Wie lange führst du dich noch betrunken auf?
  Hanna: Nicht doch, mein Herr. Ich bin eine willensstarke Frau. Wein und Bier habe ich nicht getrunken. Sondern ich habe mein Herz vor Gott ausgeschüttet. Weil mein Kummer so groß ist, habe ich bis jetzt geredet.
  Eli: Geh in Frieden. Israels Gottheit gebe dir, was du von ihr erbeten hast.
  Hanna: Möge deine Dienerin bei dir Gehör finden.
  Hanna ging getröstet weg. Sie aß wieder etwas. Sie sah besser aus. Als sie nach Rama zurückkehrte, fing ihr Bauch an zu wachsen. Sie war schwanger.
  Nach neun Monaten gebar sie ein Kind. Einen Jungen. Sie nannte ihn Samuel, das bedeutet: „Von Gott habe ich ihn erbeten“.
  In diesem Jahr blieb Hanna zuhause, als die Familie zum Tempel in Schilo zog, und im nächsten Jahr auch. Drei Jahre lang stillte sie ihren Samuel. Und sie hütete ihn wie ihren Augapfel. Sie kämmte ihm sorgfältig das Haar, aber sie schnitt es nicht ab. Samuel gehörte Gott. Als es an der Zeit war, löste sie ihr Versprechen ein. Sie packte Opfergaben zusammen: drei Stiere, Mehl und Wein, und pilgerte nach Schilo. Im Tempel opferte sie Gott. Zusammen mit Samuel trat sie vor Eli:
  Hanna: Ich bin die Frau, die hier vor dir stand. Um diesen Jungen habe ich gebetet und Gott hat mir gegeben, was ich erbeten habe. So mache ich ihn nun selbst zu einem, der von Gott erbeten ist.
  Hanna pries Gott. Ihr Loblied steht in der Bibel und wir wollen es gemeinsam sprechen:
  (Gemeinde im Wechsel)
  
  Mein Herz ist fröhlich in Gott, denn ich freue mich deiner Hilfe.
  Die Bogen der Helden zerbrechen,
  und die Schwachen rüsten sich mit Macht.
  Die Satten müssen sich um Brot verdingen
  und die Hunger litten, hungert nicht mehr.
  Sogar die Unfruchtbare gebiert siebenfach,
  und die Kinderreiche welkt dahin.
  Gott tötet und macht lebendig,
  führt hinab zu den Toten und wieder herauf.
  Gott beraubt und bereichert; erniedrigt und erhöht,
  Gott richtet Geringe aus dem Staub auf
  und erhebt Arme aus dem Müll, um sie an die Seite Edler zu setzen.
  Die Schritte der Getreuen behütet Gott
  und die Übeltäter kommen im Finstern um.
  Gott richtet die Enden der Erde. Gott erhebe das Haupt des Gesalbten.
  aus 1. Samuel 2,1.4-10
  
  Hanna umarmte Samuel. Sie verabschiedete sich von ihrem Sohn und kehrte nach Hause zurück. Samuel blieb im Tempel. Er wuchs dort auf. Er bekam einen Priesterschurz aus Leinen.
  Der Priester Eli kümmerte sich um ihn und unterrichtete ihn.
  Hanna dachte oft an Samuel. Zuhause nähte sie ein Obergewand für ihn. Das brachte sie ihm auf ihrer nächsten Wallfahrt mit und zog es ihm an. Jedes Jahr betrachtete sie ihn, wie groß er geworden war, jedes Jahr nähte sie ein neues Gewand für ihn.
  Samuel wurde der Gehilfe Elis und lernte alles, was ein Priester können muß. Des Morgens öffnete er die Türen des Tempels, am Abend bettete er sich im Heiligtum.
  Eines Nachts nun legte er sich im Tempel zur Ruhe. Auch Eli lag schon auf seinem Platz. Er war hinfällig geworden und seine Augen waren trübe. Da rief Gott Samuel. Der sagte:
  Samuel: Da bin ich!
  Er rannte zu Eli und sagte:
  Samuel: Da bin ich! Du hast mich ja gerufen.
  Eli aber wunderte sich:
  Eli: Ich habe dich nicht gerufen, mein Sohn. Lege dich wieder hin!
  So legte Samuel sich wieder hin. Und Gott rief noch einmal:
  Gott: Samuel!
  Samuel stand wieder auf und ging zu Eli:
  Samuel: Da bin ich! Du hast mich ja gerufen.
  Eli: Ich habe dich nicht gerufen, mein Sohn. Lege dich wieder hin.
  Dann rief Gott Samuel zum dritten Mal. Der stand auf, ging zu Eli und sagte:
  Samuel: Da bin ich! Du hast mich ja gerufen
  Da begriff Eli, dass es Gott war, der den Jungen rief. Und Eli sagte zu Samuel:
  Eli: Geh! Lege dich hin! Wenn dich dann jemand ruft, sag: Rede, Gott! Dein Getreuer hört ja.
  Da legte sich Samuel und legte sich an seinen Platz. Und Gott kam, stellte sich hin und rief wie die anderen Male
  Gott: Samuel! Samuel!
  Da antwortete Samuel: Rede! Dein Getreuer hört ja.
  In dieser Nacht sprach Gott lange mit Samuel.
  Als der Morgen gekommen war, erzählte er Eli alles. Und Eli sagte: Es war wirklich Gottes Stimme, die du gehört hast.
  Samuel wuchs heran. Gott war mit ihm und ließ von all seinen Worten nichts unter den Tisch fallen. So erkannte das ganze Volk, dass Samuel als Prophet für Gott bestätigt war.
  1. Samuel 1, 1- 3,20 i.A., Bibel in gerechter Sprache