Predigt zur Konfirmation über 1. Korinther 3, 21b-23 von Jochen Riepe
3,21

Predigt zur Konfirmation über 1. Korinther 3, 21b-23 von Jochen Riepe

I
Erfahrung , Wissen  und Gesetz taten sich zusammen , machten sich schwer , sooo schwer , und sprachen : ‚Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser’. Da springt die Gnade dazwischen , macht einen Spalt und dreht es keck um : ‚Kontrolle ist gut. Vertrauen ist besser’.
II
Hatten Sie , liebe Gemeinde, liebe Eltern , Großeltern und Paten , das Glück , als Jugendliche einmal allein zu Haus zu sein?  Ich meine : über Nacht. Gar zwei , drei Tage oder mehr. Früher sagte man : ‚Kevin- allein- zu -Haus-Stimmung’  und noch früher : Sturmfreie Bude. Die Eltern schrieben einen Zettel :’Vergiß das nicht!’ und erteilten letzte Anweisungen. Der Kühlschrank war gefüllt. Ich weiß noch , was ich als erstes tat , als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten … Ich lief zum Fenster und sah nach , ob sie auch wirklich losgefahren waren.
III
‚Alles gehört euch’, ja, diese Worte stehen im Predigttext am Sonntag der Konfirmation.  Am letzten Elternabend und auch im Unterricht haben wir darüber gesprochen. Ist das nicht ein gefährlich – kribbelnder Satz : ‚Alles gehört euch’ ?
Paulus treibt mit den Korinthern  hohe Theologie , Lehre von Gott.  Ja, Gott ist so frei , uns diese Welt anzuvertrauen . ‚Alles’ ist gleichsam unserem ‚Gebrauch’  übergeben. Bleiben Sie aufrecht , liebe Gemeinde : Der Druck der Gegenwart , die Angst vor der Zukunft , die Macht des Todes , die Sehnsucht nach Leben – sie sind in unsere Hände gelegt. Schaffen wir das ? Können wir mit diesem Geschenk, dieser Begabung umgehen? Bleiben Sie aufrecht , liebe Gemeinde!
IV
‚Alles ist euer…’ Als ich begann , zu studieren , da waren es solche Sätze  , die mich – angenehm verwirrten. Besonders der 1. Brief des Paulus an die Gemeinde in Korinth  spricht von Gottes Gnadengaben und der Freiheit des Menschen in provozierender Weise. ‚Alles ist erlaubt’ , so überbietet Paulus sich selbst  wenig später. Ich kam vom Lande, war ziemlich leicht zu beeindrucken und staunte , dass so etwas in der Bibel steht. Wir Studenten lernten allerdings auch die Skepsis mancher Bibelausleger kennen. ‚Der Apostel neigt zum Schwärmen’, sagten die . ‚Sturmfreie Bude’ – nicht wahr , es gibt Elternerfahrungen  , die eher gegen solche Freiheitsräume und Aktionen sprechen. Wir kamen nach Hause  und die Nachbarn sagten als erstes : Wissen Sie , was bei Ihnen heute Nacht los war ?
V
Erfahrung , Wissen und Gesetz taten sich zusammen , machten sich schwer und wichtig und sprachen : Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.  Da sprang die Gnade herzu und drehte es um : Kontrolle ist gut . Vertrauen ist besser.  Natürlich , liebe Eltern, liebe besorgte Eltern ! Vorsicht und Skepsis haben neulich auch manche von Ihnen bewegt , und wir wären keine Eltern, Großeltern oder Paten , eben ‚gebrannte Menschen’ , wenn wir nicht den Weg unserer Kinder mit Sorge , Fürsorge und auch Kontrolle begleiteten. Ich nenne das einmal die ‚Mutter- und- Vater-Geiß-Haltung’ oder ‚Mutter -und- Vater-Geiß-Befürchtung’. Erfahren , schmerzlich erfahren geworden wissen die ja : Wenn die Kinder allein sind , machen sie dem Wolf auf und der wird sie auffressen. Auch der Apostel hat diese Dimension  der Gefahren aus und der Gefährdung der Freiheit im Blick. Er benennt die Mächte  der Verführung und Verstellung, den Missbrauch der Freiheit und auch ihre Schlingen. Aber er nimmt sie als Gottesgabe nicht zurück. Er macht sie  vielmehr konkret , indem er ihr einen Leib gibt , den Leib Christi : ‚Alles ist euer. Ihr aber gehört Christus. Alles ist erlaubt. Aber nicht alles trägt zum Aufbau des Leibes Christi bei’.
VI
‚Ihr aber gehört Christus.’  Im Gespräch über dieses Wort fiel es uns schwer , das Zusammenspiel  von Freiheit und Bindung griffig auf den Punkt zu bringen. Und diese Schwierigkeit , liebe Gemeinde, ist auch sachgerecht. Das müssen wir lebenslang ja lernen , Alt und Jung  und die dazwischen besonders , wie die Freiheit mit einer Zugehörigkeit , einer Selbstbindung zusammen gehört. Entweder bin ich frei oder ich bin gebunden – aber beides auf einmal ? Wir haben im Unterricht viele Jesus- Geschichten kennen gelernt  und vielleicht habt ihr dies , liebe Konfirmanden, doch behalten. Jesus hat sich von keiner Sache in dieser Welt knechten lassen oder abhängig gemacht. Er hat aber auch nicht selbstherrlich für sich gelebt. Er hat sein Leben von Gott bestimmen lassen und so seine Freiheit geteilt , mitgeteilt, ja: die Menschen gleichsam mit ihr angesteckt. Er lebte sein Leben in Liebe und jeder , der zu ihm gehört, bindet sich mit ihm an diese Liebe , die Gott uns gewährt. Die Liebe ist gleichsam der Leib der Freiheit.
VII
Haben Sie, liebe Gemeinde, einmal als Jugendliche das Glück gehabt , allein zu Haus bleiben zu dürfen ? Und wissen Sie noch , wie das war , als Sie zum ersten Mal Ihren Kindern Haus und Hof , Kühlschrank und Vorratskammer überließen , sich  draußen noch einmal umschauten und irgendwie das Gefühl hatten : Da steht doch einer hinter der Gardine  und sieht nach , ob wir auch wirklich losfahren !  Erfahrung , Wissen und Gesetz  sind Mächte der Sorge  und ohne diese Mächte gibt es keinen Weg ins Leben. Viele Jahre wurdet ihr von euren Eltern  begleitet und diese Grundhaltung der Fürsorge  … sie ist ihnen in Fleisch und Blut übergegangen. Kontrolle : es könnte etwas passieren. Mutter-Vater-Geiß-Haltung. Mutter-Vater-Geiß- Komplex.  Immer dann , wenn dieser zu heftig, nervig und lähmend wird , dann springt die kecke , heilsame , Frieden schenkende Gnade Gottes herbei , schafft Distanzen und sagt : Laß sie. Laß ihnen die Chance auf ihren Weg. Kontrolle ist gut. Vertrauen , Glauben ist besser. Kein Weg ohne Versuch und  Irrtum. Kein Weg ohne Risiko.
VIII
‚Alles ist euer.’ Ist das nicht ein gefährlich- kribbelnder Satz ? Gott ist in Christus diesen Weg der befreienden Gnade vorangegangen. Er hat mit dem Menschen und dessen Freiheit seine Schöpfung gefährdet , aber er nimmt seine Gabe nicht zurück. In Christus schenkt er uns alles.
Bleiben Sie aufrecht , liebe Gemeinde ! Der Druck der Gegenwart , die Angst vor der Zukunft , die Sehnsucht nach dem Leben  … Laßt alles in Liebe zum Besten dienen.