Pyrrhussiege – oder – entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs - Predigt zu 1. Korinther 9,24-27 von Markus Kreis
9,24-27

Pyrrhussiege – oder – entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Das stimmt nicht nur für das Schachspiel, das gilt für jeden Sport und Wettbewerb. Und diese Erkenntnis heißt nicht, dass körperliches Training damit zweitrangig geworden ist. Allein schon deshalb, weil das Gehirn in dieser Hinsicht ein wesentliches Element des Kopfes ist. Und das Gehirn ist bekanntlich ein Körperteil. Mentales Training und körperliche Ertüchtigung gehören zusammen.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Das gilt erst recht für die Trophäe, um die es Paulus geht. Der begehrte Siegeskranz ist ihm nämlich nicht aus Lorbeer geflochten, sondern aus Dornen. Will sagen: Der größte Sieg besteht mitunter darin, offensichtliche Niederlagen hinzunehmen in stiller Größe. Das gilt bei Siegen übrigens auch.

Eins ist klar: In der heutigen Mediengesellschafft kommt man nicht umhin, im Falle eines großen Erfolgs ein paar Worte darüber in Mikrofone und Kameras zu verlieren. Oft genug gilt das auch für die Inhaber weniger edler Metall- oder gar Holzmedaillen, für die Verlierer.

Aber in diesen Interviews kann man so oder so sich ausdrücken, so oder so einem Publikum begegnen, sich als solcher oder solcher Mensch erweisen. Kämpfe gewinnt und verliert man im Kopf.

Und in so einem Interview drückt sich ein Kopf aus. Da zeigt sich, was in ihm vorgegangen sein könnte, in diesem Kopf, bei seinem mehr oder minder erfolgsgekrönten Tun. Selbst der offizielle Sieger kann mit seinem Kopf aus einem Interview letztlich wie ein Verlierer raus kommen.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Denn mit dem Kopf können wir unseren Leib bezwingen wie Paulus sagt. Wobei das Bezwingen nicht nur ein Widerstehen und Unterdrücken meint, sondern auch ein Formen und Gestalten.

Paulus nennt das Unterdrücken und Widerstehen in seinem Text Enthaltsamkeit: Wir können leibliche Bedürfnisse und Entwicklungen, die uns nicht in den Kram passen, unterdrücken und hemmen - durch Diäten zum Beispiel.

Beim Boxen kennt man zum Beispiel das sogenannte Abkochen: Der Sportler hungert oder schwitzt sich Kilos oder auch nur ein paar Gramm vom Leib, damit er einer bestimmten Gewichtsklasse zugehört. Wir wissen bei all dem nur zu gut: Was Diäten betrifft, da gibt es Übertreibungen, die nicht mehr die körperliche Ertüchtigung fördern.

Und wir können auch zulegen. Durch Training und neue Reize gewünschte Entwicklungen anfeuern und fördern. Paulus spricht in seinem Text das Laufen an, als ob er die heutige weit verbreitete Jogging- und Marathoneuphorie erahnt hätte. Und er nennt daneben das Boxen.

Für meinen Geschmack irrt er sich da ein bisschen. Nicht nur mit Sparring kann man sich trainieren, auch mit Schlägen in die Luft. Bei den meisten Sportarten kommt es auf eine exakte und schnelle Bewegungsausführung an. Das kann und muss man beim Boxen trocken vor dem Spiegel trainieren. Immer und immer wieder. Oder denken wir nur an den partnerlosen Drill der Schattenboxer.

Auch hier wissen wir bei all dem nur zu gut: Was das Gestalten und Trainieren betrifft, da gibt es Übertreibungen, die nicht mehr die körperliche Ertüchtigung fördern, die, zumindest langfristig, die Gesundheit eher schädigen. Zum Beispiel durch Doping. Doping produziert Sieger, die in Wahrheit Verlierer sind. Auch wenn es zunächst nicht so rüber kommt.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Der Kampf, um den es Paulus eigentlich geht ist die Buße. Moderner gesagt, die Empfänglichkeit für Kritik. Die Texte von und über Paulus bezeugen direkt oder indirekt, dass er dauernd im Clinch mit sich und seiner Umgebung gelegen ist. Und wie darauf reagiert hat in Gedanken und Werk, was für uns heißt: Schriftwerk.

Im Anliegen des Paulus geht es um Buße. Also um die Fähigkeit, Einsicht zu zeigen für von außen an meine Person heran getragene Kritik. Umso mehr, wenn so ein kritisches Urteil letztlich von Gott kommt und getragen wird.

Natürlich gibt es auch unzutreffende oder unberechtigte Kritik. Man muss sich nicht jeden Schuh anziehen. Man kann ihn anschauen, in die Hand nehmen, ihn darin drehen und wenden, auch ausprobieren, ob er denn passt. Und dann anziehen oder gegebenenfalls wieder zurück ins Schuhregal stellen oder gar in die Altkleidersack stecken. Manchmal wiederholt man das Ganze auch mehrmals.

Wenn es Paulus darum geht, sich kritischen Anfragen an die eigene Person zu stellen, dann ist Enthaltsamkeit erforderlich, genauer gesagt: Entsagung. Und das heißt: Verzicht auf sofortige Abwehr durch Beleidigt sein zum Beispiel. Verzicht auf Bezichtigung des Kritikers. Verzicht auf Verdrängung.

Wenn es Paulus darum geht, sich kritischen Anfragen an die eigene Person zu stellen, dann heißt Training: Nachdenken, Nachfragen, Abwägen, tätige Reue, Dank an den Absender für das Angebot an Hilfe zur Selbsthilfe.

Sich kritischen Anfragen an die eigene Person zu stellen ist alles andere als leicht. Auch und gerade wenn diese Anfrage letztlich von Gott kommt. Das fällt schon rein emotional schwer. Gut, das kann und weiß man in gewisser Weise zu trainieren. Aber auch unsere Entsagungsfähigkeit kennt Grenzen. Und hinter den Lippen schimmert Aggression und Abwehr statt Empfänglichkeit und Offenheit auf.

Auch rein kognitiv gibt es manche Hürde. Denn nahezu jeder weiß aus eigener Erfahrung: Auch die gründlichste Gewissenserforschung verhindert nicht notwendig, dass ich einer Verblendung unterliege. Dass ich etwas nicht einsehe, obwohl ich es Recht und genau besehen einzusehen hätte. Ich kann mich irren und täuschen. Das Bewusstsein vermag einem arglistige Streiche bei zu bringen.

Kämpfe gewinnt man im Kopf. Aber das gelingt nur unzulänglich ohne Gottes Hilfe. Ein Sündenbekenntnis sprechen und die eigene Sündigkeit von Fall zu Fall wahrhaft einsehen, das ist zweierlei. Wenn es ein und dasselbe ist, dann ist es Gnade.

Jeder von uns kann letztendlich nur Gott darum bitten, ihm solcherlei blinde Flecke für Kritik zu ersparen. Und in eins damit die persönliche und wahrhaftige Entsagung zu fördern, also den Verzicht auf Verdrängung, Abwehr, Gegenbeschuldigung.

Zum guten Glück ist Gott wie ein Headhunter, der die rechten Leute schon findet. Nehmen wir nur den Paulus. Der hat zu Lebezeiten wohl eher nicht wie ein Sieger gewirkt, wenn man den biblischen Zeugnissen trauen darf.

Oder denken wir an König David und all das Üble, was er in der Bathseba Geschichte angerichtet hat. Und denken sie an das Gleichnis vom armen und reichen Schäfer, das ihm der Prophet Nathan darauf hin erzählte. Hätten sie als ein Mensch, der über sehr viel Macht und Einfluss verfügt, genauso reagiert wie David auf Nathan? Sind sie sich dessen ganz sicher?

Welch ein Lebenswandel bei David! Zuerst ganz viel pralles Leben - mit allen seinen schönen und finsteren Seiten: Begehren, Liebe, Lüge, Meuchelmord - letzterer alles andere als nur verbal und Rufmord. Und dann doch noch mehr Wandel: Empfänglichkeit, Offenheit, Umdenken, Einsicht, tätige Reue.

Lesen sie mal wieder Psalm 51 in diesem Zusammenhang. Oder führen sie sich einfach einen anderen Bußpsalm zu Gemüte. So etwas Ähnliches gehörte sicher zum wöchentlichen Trainingsprogramm von Paulus. Denn der wusste, was jeder ernsthafte Sportler auch weiß: Das richtige Leben und der richtige Wandel - der Lebenswandel ist Kopfsache.

Und: Kein rechter Gewinn ohne Gottes Hilfe. Davon zeugt das ruinöse Ende mancher  Sportler, deren Karrieren von Erfolg gekrönt waren. Und ruinös ist hier nicht unbedingt nur finanziell gemeint.

Noch so ein Sieg und wir sind verloren! In solcher Rückschau gesehen lässt der alte Pyrrhusspruch manchen Sieg der Gewinner von heute in einem neuen Licht erscheinen. Noch so ein Sieg und wir sind verloren! Denkspruch für alle auf dem Karriereweg, wo auch immer – Denke so an dich und denke so an dein Unternehmen.

Gott ist ein entsagungsreicher Headhunter auf Trophäenkurs. Darauf dürfen wir hoffen. Wir genießen dieselben Aussichten und Verheißungen wie Paulus oder David. Kämpfe gewinnt man wie die zwei im Kopf. Denn Gott ist seinem Wesen nach ein entsagungs- und erfolgreicher Headhunter.

Hat er mit seinem liebevollen Wort doch Kopf und Körper des gekreuzigten und auferstandenen Jesus gewonnen. Und so jegliche menschliche Niederlage gewandelt und jeglichen verlorenen Kopf besiegt. Also mit Glaube, Liebe und Hoffnung bedacht.

Hat er mit seinem liebevollen Wort in Jesu Leben und Tod doch seinerseits auf willkürliche Beziehungsaufnahme und Stillstand verzichtet, ihnen entsagt. Und uns stattdessen einen Lebenswandel in seiner ewigen Liebe ausgesprochen. Amen.

Perikope
24.01.2016
9,24-27