[Vor der Predigt singen wir Lied EG 27, 1-5]
Die Tür zum Himmel steht offen. Weihnachten ist das Fest der offenen Tür. Denn Gott beschenkt uns mit seinem Sohn. Der hat uns Gotteskindern aus den Völkern die Tür für immer aufgemacht.
Dafür setzt er viel ein und sich selbst vielem aus. Er wechselt seinen Platz vom Himmel auf die Erde. Er rückt uns auf den Leib, nimmt unser Fleisch und Blut an. Der Herr und Schöpfer über alle und alles wird zum Knecht aller. Er lässt sich mit Haut und Haar ein aufs Menschsein. Und ist darauf nicht vorbereitet.
Wie wir alle wird er lernen, wie Menschsein geht. Und wird es so sein, dass viele staunen: So also geht das. Man kann Mensch sein, ohne wie Gott werden zu wollen. An Jesus kann man das sehen, bis heute. Menschlich sein und dabei Gott vertrauen, dass er uns nichts vorenthält, sondern alles schenkt, was sein ist. Auch was Jesus mit Gott dem Vater verbindet, versteht er nicht als Privatbesitz. Das ist für ihn nichts Exklusives, nichts für ihn allein. Er will, dass wir alle seinen Vater auch unseren Vater nennen.
Mit Jesu Geburt schüttet Gott sein Füllhorn an Gaben aus. An Jesus dem Kind in der Krippe wie am Erwachsenen in seinen Dreißigern geht uns auf, wie ein Mensch nach Gottes Willen lebt.
Ein Mensch, der bedürftig ist und bleibt. Abhängig von anderen. Angewiesen auf alles, was der Mensch zum Leben braucht. Und zugleich überreich beschenkt. Gewollt. Geliebt. Erfüllt von Gottes Güte.
An Weihnachten feiern wir das:
Wir sind am Leben. Wir sind gewollt. Wir sind geliebt.
Am Fest von Jesu Geburt wird uns das jedes Jahr neu in Erinnerung gerufen. Wie reich wir sind, weil Gott uns mit einer Fülle an Gaben beschenkt.
Daran erinnert auch der Apostel Paulus seine Gemeinde in Korinth. Und er verknüpft diese Erfahrung der Fülle mit einer Bitte. Die Korinther mögen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der Kollekte für die Geschwistergemeinde in Jerusalem beteiligen. Hört aus 2. Korinther 8:
[Lesung des Predigttexts in der Übersetzung der Zürcher Bibel]
7Ihr seid doch über die Massen reich in jeder Beziehung: reich an Glauben, Begabung zur Rede, Erkenntnis, an jeglichem Bemühen und an der Liebe, die wir in euch gewirkt haben. So beteiligt euch doch auch an diesem Werk der Gnade in reichem Mass! 8Ich sage das nicht als Befehl, sondern um durch die Spendefreudigkeit anderer die Echtheit auch eurer Liebe zu prüfen.
9Ihr kennt ja die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Um euretwillen ist er, obwohl er reich war, arm geworden, damit ihr durch seine Armut reich werdet.
Glauben, reden, erkennen, sich bemühen, lieben – das alles wirkt Gott und noch viel mehr. Die Liste seiner Gaben an die Korinther und an uns ist längst nicht fertig geschrieben. Sie ist eher ein Impuls, bei mir selbst nachzuschauen, woran ich reich bin.
Pastorin Josephine Teske aus Hamburg veröffentlicht auf ihrem Instagramkanal @Seligkeitsdinge sogenannte Goldmomente, die ihr zugeschickt werden. Kleine Geschichten, die die großen Worte unseres Glaubens in Alltagsbegegnungen golden aufscheinen lassen. Und die Wochenzeitung DIE ZEIT hat auf ihrer letzten Seite eine Spalte mit der Überschrift „Was mein Leben reicher macht“. Dort geben Menschen aus dem ganzen Lesegebiet Einblicke in beglückende Augenblicke. Bei vielen erlebe ich einen Nachklang bei mir selbst, innere Zustimmung, den Impuls, schau an, schau hin, das ist so schön.
Das Staunen in den Augen eines Kindes im Schokoladengeschäft, überwältigt von der Vielfalt des Angebots und doch zufrieden mit dem eigenen kleinen Geschenk. Eine Mutter, die das eine Lebensjahr mit ihrer Tochter, die dann starb, hütet wie einen kostbaren Schatz, auch noch nach 30 Jahren.
Die Busfahrerin, die ausnahmsweise dort hält, wo jemand dringend aussteigen muss. Der Dönerverkäufer, der den plötzlichen Hunger stillt und Schulden anschreibt. Der Schaffner, der in drangvoller Enge Humor und Leichtigkeit bewahrt.
Goldmomente, die das Leben leicht machen, wo es schwer ist, und ein Glück glitzern lassen, wo alles grau in grau erscheint. Es sind kleine Gesten der Großzügigkeit, die den Unterschied machen: Sie bringen Weite in beengte Situationen, lassen das Getriebe einen Moment innehalten. Freche Anmut schmuggelt sich in die Trägheit des „das machen wir aber immer so“. Jemand pocht nicht auf sein Recht, sondern lässt einem anderen den Vortritt. Rücksicht und Nachsicht helfen aufatmen. Vertrauen öffnet die Herzen anderer. „Mit Vergnügen“ – rufen die Leute einander zu mit einem Lachen.
So wird die Fülle der Gaben Gottes, die unter und an uns wirken, spürbar in unseren alltäglichen und zugleich so besonderen Erfahrungen. Alle auf ihre Weise durchsichtig für andere. Ein Echo der vielen eigenen.
Gottes Spuren zu entdecken in allen diesen Erfahrungen, dazu verlocken sie selbst. Und zum Staunen. All das geschieht unverhofft, unerwartet, überraschend, alles andere als selbstverständlich. Vom Staunen führt der Weg zum Danken. Das Danken ist eine schöne Weise des Echos auf solche Goldmomente. Danke, Gott! In der Bibel danken Menschen mit wenigen Ausnahmen ausschließlich Gott, auch für zwischenmenschliche Gaben und für die großen Hilfen: für Rettung aus Irrwegen, unverhoffte Liebe, Vergebung, das Leben selbst. Gott danken, das ist: Gott da sein lassen und mich dem Geheimnis aussetzen, das viele Namen trägt: die Ewige, der Lebendige, der Herr, die Schöpferin.
Im Dank fließt etwas von der Gabe zurück an Gott und reichert Gottes Überfluss an. So fließt es hin und her wie in einem Kreislauf. Was habt ihr, das ihr nicht empfangen habt? So fragt Paulus an anderer Stelle. Das ist auf unser ganzes Leben gemünzt. Alles ist Gabe. Auch wenn viele denken: Das hab ich mir doch alles selbst erarbeitet. Mir wurde nichts geschenkt. Doch, das Wichtigste hast du, ohne dass du dich mühen musstest.
Weil wir in diesem göttlichen Überfluss stehen, ist es nur ein Kleines, von den eigenen Gaben abzugeben, nach dem Maß unserer Möglichkeiten. Paulus fordert von den Korinthern nicht: Verausgabt euch, macht euch arm, gebt alles ab, was ihr habt, um Christus gleich zu werden. Christus wird ja gerade arm, damit wir reich werden, woran wir sonst Mangel litten. Paulus lockt vielmehr zum Mittun, zur Teilhabe an dem göttlichen Überfluss:
So beteiligt euch doch auch an diesem Werk der Gnade in reichem Maße.
Beteiligt euch – gebt euern Teil. Seid ein Teil von Gottes Werk, das längst an euch und anderen sichtbar ist. Macht mit, wie ihr könnt. Wie nur ihr es könnt. Überreich beschenkt – in reichem Maße weiterschenken. Paulus setzt durch seine werbenden Worte längst voraus, was er erst bewirken will: dass die Korinther sich den Geschwistern in Jerusalem so verbunden sehen im Werk der göttlichen Gnade, dass sie ihren Dank in eine Spende übersetzen und damit wiederum Anteil an der überfließenden Gabe Gottes haben.
Übersetzt in unsere Tage: Wo immer wir spenden, wo immer wir uns engagieren, fließt etwas aus dem empfangenen Reichtum aus Gottes Gnade weiter, da werden Beschenkte zu fröhlich Gebenden, geliebte Gotteskinder zu Liebenden. Gott sei Lob und Dank dafür. Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Den Gottesdienst am 2. Christfesttag feiern wir als Predigtgottesdienst mit Abendmahl und vielen weihnachtlichen Liedern. Er ist konzipiert für solche, die Weihnachten noch einmal in Ruhe genießen und für sich vertiefen und feiern wollen.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Mich haben die Predigtmeditationen von Felix Roleder und Stefanie Wöhrle (Predigtstudien) sowie von Magdalene Frettlöh (Göttinger Predigtmeditationen) inspiriert. Vor allem das Augenmerk auf den vorhandenen Reichtum an Gaben und die Teilhabe am göttlichen Gnadenfluss wurde mir dabei wichtig.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Die Entdeckung, auf welch charmante Weise Paulus ein Spendenprojekt einführt, anpreist und seine Gemeinde dazu verlockt. Das hat mir einen frischen Blick auf den Vers „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ eröffnet.
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Coaching war leider nicht im Angebot. Die bisherige Tradition sollte unbedingt fortgesetzt werden.