S Läbe isch e schlotzer - Predigt zu Röm 6,3-8 von Berenike Brehm
6,3-8

I

s Läbe isch koi schlotzer – so pflegt man hier im Schwäbischen zu sagen. Als „Neigschmeckte“ hoffe ich, dass ich es einigermaßen richtig ausgesprochen habe. Auf Hochdeutsch, was ich besser kann, gibt es eine ähnliche Redewendung: Das Leben ist kein Ponyhof. Beides meint, dass das Leben hart ist. Dass es nicht nur süß und bunt und schön ist. Sondern, dass es schwere Zeiten bereithält. Dass das Leben „Gschäft“ ist. Dass man nicht nur auf der faulen Haut liegen kann, dass man sich die Hände schmutzig machen muss, und es ohne Schrammen nicht auskommt. Trotzdem: Wenn ich solche Sprüche höre, dann denke ich oft: „Spaßverderber“. Oder auch: „Warum denn eigentlich nicht?“
Ok, dass das Leben kein Ponyhof ist, kann ich bei näherem Hinsehen verschmerzen: Denn so ein Ponyhof macht immerhin ganz schön viel Arbeit und Dreck. Was da alles zu tun und zu erledigen ist! Aber so ein großer runder Lolly mit Regenbogenfarben drin – der ist doch was! (Lolly hervorholen und hochheben) Wäre das nicht schön, wenn das Leben genauso bunt und süß wäre? Wenn es einfach voll Genuss und Freude wäre?

II

Aber so ist das Leben nicht. Das wissen Sie – und das weiß ich. Ganz besonders wird einem das an den Rändern des Lebens bewusst: Etwa am Anfang des Lebens. Wenn man ein Neugeborenes auf dem Arm hält und sich fragt, was das Leben ihm wohl bringen mag. Wenn man sich für das neue Leben wünscht, dass ihm kein Haar gekrümmt wird, dass es sich nie eine Schramme zuzieht, oder das Knie aufschürft, dass es im Kindergarten oder in der Schule nie blöde Worte über sich hören muss, nie Angst vor einer Klassenarbeit hat, dem eigenständig Werden oder der Job-Suche. Oder auch, dass das Kind nie etwas ausprobiert, was ihm schadet, und als Heranwachsender nie Liebeskummer erleben muss. All diese Wünsche tragen wir in uns, wenn wir neugeborenes Leben ansehen. Und gleichzeitig wissen wir: s Läbe isch ebe koi schlotzer. Es ist brüchig. Verletzlich. Wir Menschen sind verletzlich. – Und nicht nur das. Wie oft sind wir es selbst, die andere verletzen!

III

Im Leben kommen wir einfach nicht ohne Schmerzen durch. Wir kommen nicht umhin, es auch mal zu versemmeln. Das ist zum einen ganz natürlich: Rückschläge gehören zum Leben dazu. Nur so finden wir heraus, wer wir sind; entwickeln Lebensweisheit und Klugheit. Oder wie die Bibel sagt: Lernen, Gut und Böse voneinander zu unterscheiden. Das Problem ist dabei nur: So sehr Schmerzen auch zum Leben gehören; so sehr es natürlich ist, zu fallen und sich etwas zu brechen; so sehr wir wissen, dass unser Körper nicht unangreifbar ist, sondern uns schnell etwas zustoßen kann; so sehr wir uns bewusst sind, dass unsere Seele im Leben Schaden nehmen wird. Das alles tut einfach richtig weh. Da gibt es nichts kleinzureden. Und so sehr es dazugehört, falsche Entscheidungen zu treffen, die eigenen Worte mal nicht mit Bedacht zu wählen, bei einem Vorhaben zu scheitern; so schnell es auch passiert, nur auf sich zu sehen, und die anderen aus den Augen zu verlieren. Bei alldem machen wir uns schuldig. Da gibt es nichts schönzureden.
Ja, unser Schmerz und unsere Schuld können schwer auf uns lasten. Sie können zwischen uns und dem Leben stehen. Oder in unserem Lolly-Bild: Schmerz und Schuld frieren das Leben ein. Es ist, als umhüllen sie den süßen Lolly mit einer dicken Eisschicht: So dass ich, wo ich doch nur vom süßen Leben kosten will, beim Schlecken mit der Zunge kleben bleibe. Mir noch mehr Schaden zufüge. So dass das Leben eiskalt wird. Verfahren und beängstigend. (Lolly einwickeln/verhüllen)

IV

Es braucht also etwas, das den Lolly auftaut. Etwas, das diese Eisschicht aus Schuld uns Schmerzen schmilzt. Es braucht jemanden, der alles wegräumt, was zwischen uns und dem Leben liegt.

Ich lese aus dem Römerbrief, Kapitel 6, die Verse 3-8:
Ihr wisst doch: Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind einbezogen worden in seinen Tod. Und weil wir bei der Taufe in seinen Tod mit einbezogen wurden, sind wir auch mit ihm begraben worden. Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen. Denn wenn wir ihm im Tod gleich geworden sind, werden wir es auch in der Auferstehung sein. Wir wissen doch: Der alte Mensch, der wir früher waren, ist mit Christus am Kreuz gestorben. Dadurch wurde der Leib vernichtet, der im Dienst der Sünde stand. Jetzt sind wir ihr nicht mehr unterworfen. Wer gestorben ist, auf den hat die Sünde keinen Anspruch mehr. Wir sind nun also mit Christus gestorben. Darum glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.

V

Ausgerechnet der Tod soll also die Eisschicht schmelzen? Dass wir mit Jesus sterben, soll der Schlüssel zum süßen, bunten Leben sein? Ist denn nicht vielmehr der Tod gerade das, was uns am meisten vom Leben trennt? Ich denke: Paulus würde uns nicht widersprechen, wenn wir so empfinden; wenn sich unser Innerstes sperrt angesichts der Aussage, dass ausgerechnet der Tod das Leben bringen soll. Denn wir erleben doch, wie Schmerz, der uns belastet, unsere Lebensfreude kleiner und kleiner werden lässt, bis sie irgendwann in uns erstirbt. Wie Schuld, die uns nachhängt, unsere Beziehungen schlechter werden lässt, bis sie irgendwann brachliegen und keine Frucht mehr tragen. Wir erleben doch, wie Schmerz und Schuld unser Leben ersterben lassen.
Genau diesen Tod aber ist auch Jesus gestorben, und, darauf kommt es jetzt an: Er hat ihn überwunden! Das ist es, worauf Paulus hinauswill: Dass Jesus alles getragen hat, was unser Leben ersticken will oder die Lebensfreude in uns gefrieren lässt. Dass er alles weggeräumt hat, was zwischen uns und einem befreiten Leben liegt. (Lolly befreien / Tuch von Lolly ziehen)

VI

Was sich also zuerst so düster anhört – in der Taufe mit Jesus zu sterben –, das ist eigentlich eine wahrhaft frohe und helle Botschaft. Denn es heißt nichts anders als: Wir sind alles Alte los! Durch die Taufe auf Jesu Namen wird von uns gewaschen, wo wir uns schuldig gemacht haben. Wird weggespült, was unserem Leben Schwere verleiht. Ja, Jesus hat das Eis geschmolzen, das uns von der Süße des Lebens trennt! Weder Schmerzen noch Schuld haben jetzt noch Macht über uns.
Darum können wir aus der Gewissheit leben: Was auch immer uns gerade vom süßen und bunten Leben trennen mag: Keine Eisschicht der Welt kann so dick sein, dass wir sie nicht mit Gottes Liebe zum Tauen bringen könnten. Keine Eisschicht kann so hart sein, dass Gottes Vergebung sie nicht schmelzen könnte. Ja, wenn wir getauft sind, so gibt es nichts, was uns noch einmal vom Leben trennen wird. Die Eisschicht auf dem Lolly ist eben nicht unser wahres Leben und unter Schmerz und Schuld wartet schon die pralle Süße des Lebens auf uns. Vielleicht ischs Läbe mit Gott halt doch e schlotzer. Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Berenike Brehm

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Ein Gottesdienst, der live gestreamt wird, und sowohl in der Kirche als auch zuhause mitgefeiert wird. Die Predigt sollte daher sowohl medial als auch unmittelbar funktionieren. Wir verabschieden an diesem Tag auch zwei junge Menschen aus dem Technikteam, so dass insgesamt mit einem altersmäßig sehr gemischten Publikum zu rechnen ist.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Das Bild vom Lolly, das mich selbst sehr anspricht und an die Süße des Lebens erinnert.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Dass in Jesus alles auf den Kopf gestellt ist, was wir über das Leben zu glauben meinen. Der Tod ist für uns gestorben.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Leider konnte ich das Manuskript aus Zeitmangel nicht zum Coaching einreichen.

Perikope
24.07.2022
6,3-8