Ich bin ein Star - holt mich hier raus! Das Safeword der Teilnehmer im Dschungelcamp, liebe Gemeinde. Was Dschungelcamp heißt, versteht fast jeder. Aber was bedeutet der Begriff Safeword?
Ein Safeword gibt es im Kampfsport. Zum Beispiel beim Judo. Wer da dreimal schnell hintereinander mit der Innenseite der Hand auf die Matte haut, der spricht ein Safeword aus. Wer im Judo so abklopft, der äußert: Ich gebe den Kampf auf. Und befreit sich so schnell aus einem Hebel oder einem Würgegriff oder Ähnlichem. Damit steht er als Verlierer fest. Und doch zugleich als irgendwie gerettet. Vielleicht vor dem eigenen Ehrgeiz? Dreimal flach auf die Matte schlagen - ein stummes Safeword.
Es gibt auch gesprochene Safewords. Genauer gesagt: Es gibt Kämpfe, in denen einer ein Safeword ausspricht und nicht nur per Geste anzeigt. Damit ist dann ein Konflikt sofort beendet. „Ich bin ein Star - holt mich hier raus!“, das ist so ein Safeword. Es beendet einen Wettstreit im Dschungelcamp. Einer der Teilnehmer sagt es. Und befreit sich aus einer misslichen Lage. Damit macht er sich allerdings zum Verlierer. Was aber kaschiert wird durch den Vordersatz: Ich bin ein Star. Eigentlich könnte der Satz genau so gut heißen: Ich bin ein Loser - holt mich hier raus!
Ist ein Safeword eine Bitte oder ein Befehl? Im Kampfsport und Wettstreit ist das klar. Es gilt wie ein Befehl. Und wer dem Befehl nicht gehorcht, der nimmt sich selbst aus dem Spiel. Da mag man noch so klar der Sieger sein: Ein Sieger, der das Safeword missachtet, der macht sich zum Verlierer.
Wenn Regeln und Kontrolle fehlen, dann sieht das anders aus. In Kämpfen ohne Schiedsrichter wird das Safeword zur Bitte. Es wirkt nicht wie ein Befehl. Das Ergehen des Sprechers liegt in der Hand des Hörers. Immer wieder werden Soldaten trotz erhobener Hände erschossen. Oder Verdächtige, nach denen die Polizei fahndet. Oder Opfer, die von Verbrechern mit der Waffe bedroht werden. Der Ruf „Hände hoch!“ befiehlt, ein Safeword auszusprechen.
Richtet sich ein Safeword immer an ein Gegenüber? Oder kann es keinen Hörer haben außer seinem Sprecher? Kann es auch ein Monolog sein? Nur zu sich selbst gesprochen? In einem inneren Kampf sozusagen. Kann man sich selbst ein Gegner sein? Einen inneren Streit auskämpfen? Und diesen mit einem Safeword beenden?
Im Dschungelcamp ficht mancher Teilnehmer diesen Kampf. Hin und her gerissen zwischen Ekel und Hunger. Zwischen Scham und Lust am Posen. Zwischen Durchhalten und Aufgeben. Zwischen der Hoffnung, geliebt zu werden, selbst wenn man aufgibt. Und der Furcht, den Fans nicht alles gegeben und deshalb sie verloren zu haben.
In diesem Kampf ein Safeword zu sagen, das heißt: sich als Verlierer zu outen. Vor sich selbst. Sich selbst als Loser zu befinden. Verlierer, weil und indem man seine Bedürfnisse ohne Ekel stillt. Verlierer, weil und indem man auf sein Schamgefühl hört. Loser, weil und indem man ablässt und nicht weiter kämpft. Loser, weil und indem man meint, deshalb nicht mehr liebenswert zu sein.
Heutzutage wird jeder zum Star - und wenn es nur für 15 Minuten ist. So kämpft es in uns, weil wir diese 15 Minuten Ruhm schon genossen haben. Oder weil wir sie noch unbedingt genießen wollen. Es kränkt uns, wenn wir uns in diesem Zwist der Gefühle als Loser zeigen und nicht als Star. Und vielleicht befinden wir uns öfter als Loser als uns lieb ist.
Wir sehnen uns danach, geliebt zu werden. Trotz und mit all unseren Schwächen und Fehlern. Wir wollen unbedingt als liebenswert wie ein Star befunden werden, was immer wir gerade getan haben. Nichts fürchten wir mehr, als keine Liebe zu finden. Ich bin ein Star - holt mich hier raus! Der Dschungelcamper, der das sagt, der meint eigentlich: Ich bin ein Loser - liebt mich trotzdem!
Ein wahrer Star kennt und spricht nur ein Okayword. Der bedient in einem Kampf den Totmannschalter - komme, was da wolle. Der Totmannschalter ist ihnen bekannt? Ein Zugführer zum Beispiel muss alle paar Sekunden für kurze Zeit einen Schalter runter drücken. Nur dann fährt der Zug weiter. Wird der Schalter nicht mehr gedrückt, weil der Zugführer ohnmächtig geworden ist, dann stoppt der Zug sofort. Mitten auf offener Strecke. Ein echter Star zieht ohne Stopp dahin.
Ein wahrer Star kennt kein Safeword. Der kennt und spricht nur ein Okayword. Der würgt unerfüllte Bedürfnisse hinunter. Der gibt die Rampensau und übertüncht seine Schamgefühle. Der macht weiter und lässt nicht nach. Der ist Optimist in jeder Lage und fürchtet keine Verachtung, noch Tod noch Teufel.
Ja, das gibt es auch. Auch uns dürfte im Leben schon manches Okayword über die Lippen gekommen sein. Aber so richtig wissen wir das nie: Ob in uns ein Okayword oder ein Safeword das Sagen bekommt. Deshalb sehnen wir uns danach, geliebt zu werden. Trotz und mit all unseren Schwächen und Fehlern. Wir wollen unbedingt als liebenswert befunden werden. Was immer wir gerade getan haben. Nichts fürchten wir mehr, als angesichts unserer Fehler keine Liebe zu finden.
Wie gut, dass Gott uns sein Okayword gibt. Wie schön, dass da die Geschichte vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen gilt. Wir müssen nicht auf offener Strecke im Nirgendwo stecken bleiben. Gott sucht und findet uns. Befindet uns als liebenswert. Mögen wir uns auch noch so sehr als Loser vorkommen.
Gott rettet die, die sich in den Umständen ihres Lebens als Loser eingenistet haben. Er rettet die, welche sagen: Finde mich, auch wenn ich ein Loser bin. Liebe mich angesichts meiner Schwächen.
Wer sucht, der findet, das ist selbstverständlich, liebe Gemeinde. Nicht selbstverständlich ist, dass einer das findet, was er sucht. Wer hat schon mal bei Google eine Suchanfrage eingegeben? Um was ging es dabei? Und wie lautete das Ergebnis? Zu viele Treffer? Wie viele falsche Treffer? Gab es einen Volltreffer? Und woran lag das? Stimmte etwas mit der Eingabe nicht? Ist etwa falsch gesucht worden? Oder war da alles richtig? Wie bei Gott, der das Verlorene sucht. Die, die sich angesichts ihres Tuns nicht als liebenswert befinden. Gott sucht das Richtige, Gott sucht Verlorenes.
Gott sucht nicht nur das Richtige, Gott sucht richtig. Und findet deshalb. Das kennen wir Menschen auch anders. Wer da klopft, dem wird aufgetan, heißt es. Wir wissen: Der zweite Halbsatz hat es in sich! Oder wie verstehen Sie denn den Halbsatz „dem wird aufgetan“? Was ist das Verschlossene, das sich einem öffnet?
Ist das ein Mitmensch hinter einer Tür, der dem Anklopfenden entgegenkommt? Oder ist das eine Einsicht des Klopfers, die ihm plötzlich in den Sinn kommt. Eine Idee, die ihm bis zu diesem Zeitpunkt fremd war, verschlossen? Wie zum Beispiel der Gedanke, selbst falsch zu liegen. Zu irren über sich selbst, zum Beispiel über das eigene Verloren sein. Oder zu irren über andere, zum Beispiel über deren Verloren sein.
Wer Kontakt sucht, kriegt Antworten. Manchmal eine gute, manchmal eine wenig erfreuliche. Manchmal eine wahre und manchmal eine Falschauskunft. Oder gar eine Lüge. Und keine Antwort ist halt auch eine Antwort. Und über all den verschiedenen Antworten kann einem ein Licht aufgehen. Ein Licht über den, zu dem man Kontakt sucht. Manchmal auch neue Einsichten über sich selbst. Wer im Internet Freundschaftsportale oder Whats-App nutzt, der kennt das. Der hat manch anderen besser kennengelernt. Und manchmal auch sich selbst.
Gott kennt sich schon längst, von je her. Der braucht sich nicht mehr kennen zu lernen. Er kennt auch uns, seine Menschen. Mit ihren abweisenden Antworten. Ihm muss dazu kein Licht mehr aufgehen. Nur noch uns. Wir müssen erkennen: Er findet uns. Und wir müssen uns finden lassen. Das heißt: Auch wenn wir uns angesichts unseres Tuns nicht als liebenswert befinden, sagen wir uns doch einfach Gottes Okayword. Sprechen wir es als unser Safeword aus.
Fragen wir also Gott: Wie findest Du mich eigentlich so? Dann wird er meinen, anfangs stumm, dann zusehends deutlicher: „Ich finde dich eigentlich gut. Ohne Einschränkung liebenswert. Wer und wie immer Du auch bist und seist.“ Und wir werden uns geliebt fühlen. Was immer wir getan und erlebt haben. Amen.