Schatz und Perle, Träume? Erfüllbar? Jesu Rede vom Reich Gottes - Predigt zu Mt 13,44-46 von Paul Geiß
13,44-46

Schatz und Perle, Träume? Erfüllbar? Jesu Rede vom Reich Gottes - Predigt zu Mt 13,44-46 von Paul Geiß

Mt. 13. 44 – 46
44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles, was er hat, und … kauft den Acker. 
45 Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, 
46 und da er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und … kaufte sie.

Liebe Gemeinde,
Jesus erzählt wunderbare Gleichnisse. Damit weist er uns offen oder verdeckt auf etwas hin, was für unser Leben unendlich wichtig ist.
Schauen wir näher hin:
Da sind zwei Menschen überwältigt. Der eine findet einen Schatz, vielleicht Geld, Gold, Juwelen, wertvolle Pokale, Krüge, Schmuck. Das überwältigt ihn. Er wird davon gepackt, wird aktiv, will den Schatz haben, fragt auch nicht nach einem möglichen Eigentümer, will keinen Finderlohn, er will alles. Den Schatz verbirgt er in einem Acker. Dann verkauft er alles, was er hat, um den großen Acker als persönliches Eigentum mit diesem verborgenen Schatz zu erwerben. Beim Notar heißt es dann sicher: gekauft wie besehen, um nachträgliche Reklamationen oder gar Eigentumsansprüche auszuschließen. Sein Traum geht in Erfüllung, der Schatz macht ihn unermesslich reich.
Der andere, ein Kaufmann, entdeckt eine wunderbare Perle, schimmernd, Perlmutt, groß und gleichermaßen unermesslich schön und wertvoll. Sie hat ihren hohen Preis. Den kann er nicht aufbringen, also wirft er in die Preisverhandlungen alles, was er hat, mit ein: Haus, Vermögen, sein Geschäft, seine Ländereien, und er erwirbt diese eine wertvolle Perle. Jetzt hat er sie. Ein wunderbarer Schatz, jetzt ist er glücklich. Sein Traum geht in Erfüllung, er ist am Ziel seiner Träume.
So weit so klar, so eindeutig die Rede Jesu. Die Abfolge dieser Ereignisse kann man verallgemeinern:

Ein Traum, eine Hoffnung, ein risikoreicher Einsatz und dann: Ziel erreicht, würde der Navi, das Navigationsgerät sagen.

Ist das realistisch?
Jede und jeder von uns träumt etwas, wünscht sich etwas, möchte etwas sein, etwas erwerben, etwas bekommen, einen Lebenstraum verwirklichen. Denken Sie doch einmal nach, wovon Sie einst oder auch jetzt geträumt haben und … heben Sie Sich den Traum gut auf für das Ende der Predigt. Sie brauchen ihn noch.
Vergegenwärtigen Sie Sich in einem kurzen Moment, wovon Sie immer mal wieder geträumt haben. Dazu eine kurze Pause zum Nachdenken.
(Pause mindestens 20 sec., langsam in Gedanken mitzählen, damit man nicht früher aufhört, weil vielleicht die Zuhörer*innen unruhig werden)
Haben Sie etwas entdeckt?

In der Jugend sind manche Träume utopisch, scheinen unerfüllbar. Aber dann ergreift es den einen oder die andere und sie setzen alles dran, diese Träume zu erfüllen.
Zu einem Traum-Beruf zum Beispiel gehört eine Vision, eine Hoffnung, Einsatz und eine gediegene Ausbildung mit entsprechendem Durchhaltevermögen. Dann bedarf es der Chance, im rechten Moment eine auf diesen Traum zugespitzte Anstellung zu erhalten.
Was waren Ihre Träume? Was mussten Sie einsetzen, um sie zu verwirklichen? Darüber könnte man lange sprechen. Aber jetzt geht es erst einmal um das, was mit Träumen verbunden ist, um Sehnsucht und Hoffnung.

Träume von einer gelingenden Zukunft sind von Sehnsucht geprägt, sind mit Hoffnung gepaart, Hoffnung, dass sich das Ziel erreichen lässt. Man kann Gott dafür bitten, kann sie sich in allen Details ausmalen und wie ein Maler von einem gelungenen Bild träumen. Dann bekommt man eine Ahnung vom Ziel. Dann kann man sich hoffnungsfroh auf Gottes Fügungen einstellen und für seinen Traum aktiv werden, das Ziel anvisieren und alles tun, um darauf zu zu steuern.
Die meisten Menschen haben nicht nur einen Traum, sie haben in jeder Lebensphase unterschiedliche Träume und Hoffnungen. Die Schule zu Ende bringen, die Berufsausbildung, Lebenspartner oder –partnerinnen finden, gemeinsame Beziehungen aufbauen, vielleicht auch Familie gründen oder sogar auch einen Schatz finden, die Welt aufsuchen, entdecken, forschen, etwas ganz Neuartiges finden.
Um Träume zu verwirklichen bedarf es dann aber eines ausdauernden, geduldigen, auch risikoreichen Einsatzes.

Von einem wunderbaren Beispiel habe ich kürzlich gelesen: 1992 hat der Engländer Derek Jarman begonnen in der Grafschaft Kent in Dungeness in einem dürren Heidegelände einen Garten anzulegen neben einem trostlosen Industriegelände. Er war an Aids erkrankt und wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Da wollte er noch eine große Idee verwirklichen, für die er seine letzte Lebenszeit aufzuwenden bereit war. Er war im Einverständnis mit seinem Tod und hat ihn akzeptiert, wollte aber für die Nachwelt etwas Bleibendes hinterlassen, das seinen Tod überdauert, vielleicht so etwas wie Auferstehung mit seinem Namen verbunden? Mit Feuereifer und abnehmender Kraft wühlte er mit seinen Händen und mit seinem Arbeitsgerät in der Erde, pflanzte und bebaute seinen Garten als eine Art Garten Eden. Prospect Cottage nannte er sein Projekt, Hütte mit Zukunft. Bald wurzelte und blühte es inmitten der Öde. Es wuchsen Wildpflanzen und Kulturpflanzen einträchtig miteinander. Eine blühende Insel in der kargen Landschaft. Nach seinem Tod arbeitete sein Lebenspartner weiter daran, diesen Garten zu erhalten. Es war ja der Traumgarten seines Mannes im Blick auf dessen begrenzte Lebenszeit und sein Andenken. Für Derek Jarman war es ein risikoreicher Einsatz, er wusste nicht, ob er das mit seinem Traum noch schaffen könnte, er musste ständig krankheitshalber in die Klinik und wühlte weiter, wenn er wieder eine Frist bekommen hatte.
Der Schatzsucher und der Kaufmann in Jesu Gleichnis, sie haben sich mit Eifer und vollem Risiko daran gemacht, ihren Traum umzusetzen.

Mit Träumen sind allerdings auch Gefahren verbunden. Ein gnadenloser Kaiser, ein Diktator, ein Eroberer, sie bringen mit ihren Träumen von Macht und Herrschaft Unglück über Millionen Menschen. Die Welt ist gegenwärtig voll von solchen Unheil-Bringern, Menschen, die absolut herrschen wollen und deshalb Krieg und Verderben anzetteln.
Wir können uns aber auch fragen, ob die wunderbare Perle, der riesige Schatz den beiden Traumfängern in der Geschichte von Jesus wirklich zu einem andauernden Lebensglück verholfen haben.
Was will uns Jesus mit diesen seltsam hinkenden Vergleichen sagen, die doch nur irdischen Reichtum oder unstillbares Verlangen nach Kunst und Schönheit beschreiben, beides hat ja, so scheint es, glücklich gemacht. Also: Auf was will Jesus mit diesen Gleichnissen hinweisen?
Jesus geht es mit seiner Zielvorstellung um den Einsatz für etwas, das in ihm und mit ihm jetzt schon angebrochen und verwirklicht ist, und … um etwas, auf das wir uns freuen können jenseits von Zeit und Welt, es geht um Gottes Reich, es geht um das Himmelreich, das er verkündet und verkörpert. Er setzt sein Leben dafür ein, seine Predigt weist darauf hin, sein Ziel ist ein Leben und Tod überwindender Einsatz für das Reich Gottes. Lasst Euch versöhnen mit Gott und mit den kritischen Zuständen dieser Welt, setzt Euch ein für Eure Träume von einer besseren Welt. Das Reich Gottes ist doch schon da in unseren Gemeinschaften.

Damit haben wir das Ziel vor Augen und können so auch unsere eigenen Unvollkommenheiten und Fehler verkraften lernen, das erweist uns doch immer wieder die Abendmahlsgemeinschaft. Es geht darum, diese von Gott geschenkte Gemeinschaft zu erleben und weiter zu befördern durch Glaube, Hoffnung und Liebe, wie Paulus in seinem Hohen Lied von der Liebe in 1. Korinther 13 schreibt. Paulus hat sich diesen Zielen ebenso bewusst und konsequent verschrieben wie der Kaufmann der Perle und der Schatzsucher seinem Acker. Um seine Träume zu verwirklichen schreibt er im Philipperbrief: „Ich möchte nicht behaupten, dass ich alles  schon erreicht habe oder bereits am Ziel bin. Aber ich laufe auf das Ziel zu, um es zu ergreifen. Denn ich bin ja auch von Jesus Christus ergriffen. (Phil. 3, 12)
Ergriffen von Christus beginnt er seine Reisen in Kleinasien. Es ist immer wieder spannend in der Apostelgeschichte von seinen Abenteuern zu lesen. Auch seine Briefe zeugen davon. Er wird krank, er wird ins Gefängnis geworfen, ausgepeitscht, ihm wird der Mund verboten. Aber er gründet Gemeinden, erlebt auch neue freudige Gemeindeglieder, die sich dem Evangelium anvertrauen. Er bringt den christlichen Glauben nach Europa über eine Purpurhändlerin namens Lydia (Apg. 16, 11ff.). Und, eine kuriose Anekdote: Als er viel zu lange bis weit in die Nacht(!) predigt, kippt ein Junge aus dem Fenster und landet auf der Erde, bewusstlos. Durch Mund zu Mund Beatmung wird der Junge wieder ins Leben zurück gerufen. Paulus – ein Träumer mit lebensbedrohlichen Einsätzen für seinen und unseren Christus.

So will Jesus mit diesen beiden knappen und kleinen Gleichnissen Mut machen, an den Träumen von einer gerechteren Welt, an den Träumen vom Himmelreich Gottes zu arbeiten. Es ist ja in der Begegnung mit Jesus Christus schon vorhanden.
Das heißt jetzt: liebevoll, achtsam und wertschätzend die eigene Welt zu gestalten, an unseren Beziehungen zu arbeiten mit dem Ziel vor Augen, schon Gottes Reich hier zu erleben und über den Tod hinaus in Gottes Reich geborgen zu sein.
Es heißt für uns Christen, was das Traumziel ganz am Ende des Neuen Testaments anvisiert. Es ist das Ziel, auf das wir uns freuen können. In der Offenbarung steht er, der von Gott verheißene Traum vom Ende von Zeit und Welt, der alte Seher Johannes auf der Insel Patmos, er hat ihn uns überliefert: „Schaut hin, da ist sie: die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wohnt bei ihnen, und sie sind alle seine Völker, und er selbst, Gott ist mit ihnen, ist ihr Gott. Und Gott wischt alle Tränen von ihren Augen ab, und der Tod ist nicht mehr, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz ist mehr; denn das Erste ist vergangen. Siehe, ich mache alles neu.“ (Offb. 21, 3ff)
Und das umgreift alle Völker, nicht nur die Christen. Das ist das Ziel. Und Hütte Gottes, das ist heute schon seine Kirche.

Zurück zu ihren eigenen Träumen zu Beginn der Predigt. Sie werden weiter gebraucht, um nach vorn blicken zu können und das Vergangene vergangen sein zu lassen.
Vergessen Sie sie nicht ihre Träume, um Gottes willen!

Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Paul Geiß: 

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Der Gottesdienst bietet auch eine Möglichkeit zum Träumen von Zielen, die man gern erreichen möchte, realistische und vielleicht illusionäre. Vielleicht wäre es dann die Situation: Zuhören und Träumen und Lieben und Hoffen im bergenden Rahmen eines ganz normalen Gottesdienstes ohne Eventcharakter.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die intensive Wahrnehmung der möglichen Ziele, die mit Träumen verbunden sind, hat mich beflügelt. Soll es irdischer Reichtum sein? Befriedigung in Kunst und Kultur, Machtgewinn, Hoffnung darauf, dass sich endlich Gerechtigkeit und Frieden küssen als Endergebnis des Einsatzes Jesu für seine Vision vom Reich Gottes?
Ergebnis: Halte Deine Träume fest!

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Immer wieder wird uns Pfarrern vorgeworfen, wir würden Illusionen nachhängen mit unserem Festhalten an Glauben, Liebe und Hoffnung in ihrer neutestamentliche Beschreibung. Die Entdeckung und der Glaube daran, dass in Jesus schon wesentliche Elemente des Reiches Gottes gegenwärtig sind, hat mich veranlasst, die Offenbarungshoffnung von Offb. 21, 3ff präsentisch zu übersetzen.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Die Coach hat mich zu Reduktionen veranlasst, zu Präzisierungen und im Gespräch mit ihr sind mir Zuspitzungen und andere narrative Elemente aus der Paulusbiographie eingefallen, die ich dann eingebaut habe. Ich liebe peripatetische Predigtvorbereitung, um im Gespräch und in der homiletischen Praxis dem Predigttext näher zu kommen, das hat mir die Rückmeldung ermöglicht.

Perikope
Datum 28.07.2024
Bibelbuch: Matthäus
Kapitel / Verse: 13,44-46