Sicherheit in schwierigen Zeiten
Stars und solche, die sich dafür halten oder gerne wären, sonnen sich gern im Blitzlichtgewitter und Lampenglanz der Fernsehkameras. Wichtige Leute umgibt ein besonderer Glanz.
Als es noch keine Blitzlichter, keinen Medienrummel, „Walk of Fame“ oder Paparazzi gab, da malten alte Meister besonderen Personen einen goldenen Strahlenkranz um den Kopf. Jedem Betrachter wird schnell klar: hier ist mehr als irgendein Mensch. Hier leuchtet eine andere Sonne auf. Ein Licht aus dem Himmel.
Jesus, Petrus, Jakobus und Johannes sind hoch oben auf dem Berg. Plötzlich leuchtet Jesu Gesicht in einem seltsamen Glanz. Auch die Kleidung wird weiß. Was für eine Erscheinung! Petrus erfasst es wieder mal zuerst. Er sagt gleich: In diesem Himmelsglanz wollen wir immer bleiben.
Eine seltsame Geschichte erzählt Matthäus vom Licht, vom Himmelsglanz auf der Erde und von der Sehnsucht, dieses Gefühl nie wieder einzutauschen. Keine Finsternis, kein Alltag sollen ihre Schatten je wieder ausbreiten können. Nur Himmel und Glanz und Schein.
Wenige Wochen später sind Petrus und Jakobus und Johannes mit in Gethsemane und teilen mit Jesus die Todesangst der Karfreitagnacht. Werden sie an die Erscheinung auf dem Berg gedacht haben in dieser tiefsten Finsternis?
Auf dem Berg aber erst einmal die Gottesverheißung: „Dem folgt. Er zeigt euch den Weg zum Leben!“ Nichts anderes zeigt sich in Jesus Christus.
Dieser Sonntag schließt die nachweihnachtliche Zeit ab. Kerzen und Lichterglanz sind von den öffentlichen Plätzen, aus Vorgärten und Wohnungen längst wieder verloschen. Die Glühweinstände abgebaut. Die öffentlichen Plätze und Straßen haben Terror und Weltdunkelheiten zurück erobert. Die ersten finsteren Tage oder gar Wochen des Jahres liegen schon hinter uns.
Wir kommen her aus der Feier der Freude und des Lichtes. Noch einmal leuchtet wie auf einem Höhenzug dieser ferne Glanz von weit her, bevor es endgültig in die Ebene des Alltags und Lebens geht. Gerade darum tragen die eine oder der andere und wir alle miteinander die Erinnerung und die Sehnsucht nach dem besonderen Glanz mit den Worten: Jesus zeigt den Weg zum Leben.
Manchmal wünscht man sich, dem Himmel näher zu bleiben. Wer hat sich noch nicht ein Leben gewünscht, das sich nicht allein dem täglichen Kampf verdankt. Viele Ratschläge, viele „Lebensprogramme“ haben das als Hintergrund. Der Ausstieg aus dem Alltag. Man nennt das heute „schwammig spirituelle Erlebnisse“ sagte Helge Adolphsen, der frühere Hauptpastor an der Hamburger Michaeliskirche dazu einmal.
Nur von den Höhepunkten des Lebens aus scheinen die normalen Niederungen des Lebens begehbar und erträglich. Wir erleben Zeiten, in den eigener Mut und innere Kraft und Erfolge tragen. Wie beschwingt hüpft man dann gewissermaßen von Gipfel zu Gipfel.
Nächsten Sonntag beginnt die Passionszeit. Leben zwischen Höhen und Tiefen. Nur das Licht aus der Höhe gibt dann noch Orientierung um einigermaßen durchzufinden durch die grauenvollen leidvollen Erfahrungen.
Wie gut könnten wir die Erfahrung gebrauchen, von der die Verklärungsgeschichte erzählt. Hütten bauen und bleiben können, wo es gut ist. Nicht mehr weiter gehen und schon gar nicht abtsiegen müssen in die Grauzonen.
Als Petrus und die Brüder Jakobus und Johannes gerade diesem Gefühl nachgeben und Baumaterial zusammenschleppen wollen, hören sie die Stimme: „Das ist mein Sohn. Hört auf ihn“. Jesus erscheint in einem ganz andren Licht. Nicht der Rückzug. Nicht das Aussteigen. Nicht das süße niedliche Kindlein. Hier kommt der Himmel ganz nahe. Und mit ihm steigt man herab von den Höhenzügen, den falschen Sehnsüchten, den irrigen Erwartungen. Mit dem Himmel geht es zurück auf die ausgetretenen Wege durch den Alltag. Der Maßstab christlicher Glaubenserfahrung ist die zuversichtliche Rückkehr in den Alltag. Der verheißungsvolle Weg verläuft hoch und fern über allem, das festgehalten werden will. Er führt durch alles hindurch. Sicherheit und Zuversicht kommen aus der Erfahrung, dass Gott in diesem Jesus da ist.
„In mir ist es finster, aber bei Dir ist das Licht;
Ich bin einsam, aber Du verlässt mich nicht;
Ich bin kleinmütig, aber bei Dir ist die Hilfe;
Ich bin unruhig, aber bei Dir ist der Friede;
In mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld;
Ich verstehe Deine Wege nicht, aber Du weißt den Weg für mich“
dichtete Dietrich Bonhoeffer. Am 9. April vor 70 Jahren war er durch Gott an sein Ende geführt worden und wurde in Flossenbürg hingerichtet (zit. Nach GottesdienstPraxis, 2. Reihe, Bd. 1, 1991, 138f).
Warum die schönen Augenblicke, die erhabenen Gefühle, die glanzvollen Eindrücke nicht bleiben lässt sich kaum begreifen.
Matthäus erzählt, dass die Sicherheit für das Leben aus dem Glauben an Gottes menschgewordenes Wort Jesus Christus kommt. Er bringt uns den Himmel näher und der Sehnsucht, wie Leben sein könnte. Das ist die Voraussetzung für das Leben auf der Erde. Jesu Wort verlockt, gegen den Augenschein zu glauben und gegen manche bittere Erfahrung immer wieder aufzustehen, das Baumaterial der falschen Sicherheit und Zufriedenheit liegen zu lassen. Darum ist christlicher Glaube die Rettung. Es ist diese Spannung zwischen Glauben und Zweifeln, Hören und Sehen, Berg- und Talfahrten, die es anzunehmen gilt. Die mit Jesus auf den Berg steigen – und das können wir uns ja bildlich gut vorstellen – Gott damit ein Stück näher gekommen sind, sie machen diese entscheidende Glaubenserfahrung. Wo Menschen unterwegs sind, Ruhe und Sicherheit suchen, auf den mächtigen bewahrenden Gott hoffen, da sehen sie auf Jesus Christus. In ihm leuchten Gottes Nähe und Bewahrung.
Sonntag für Sonntag und manchmal dazwischen gleichen wir den Dreien ja ein bisschen. Und die Frage ist also, ob es etwas gibt, das auch uns herausholt aus dem Schleier der Ohnmacht und wie von einem hohen Berg Gottes Hilfe und Nähe sehen lässt und Hoffnung gibt unten auf der Erde.
„Fürchtet euch nicht“ sagt Jesus zu seinen drei Begleitern.
„Wir können uns…, von diesem Sonntag aus, erneut dem Leben zuwenden, dem alltäglichen Leben…Glaube bedeutet: Normalisierung…Wir können an unsere Arbeit gehen und von ihr ausruhen, jung sein und alt werden, uns freuen und traurig sein, mit uns selbst einig und auch einmal mit uns selbst zerfallen sein, lieben und auch manchmal kräftig verabscheuen“ (M. Trowitzsch: Die bunte Gnade Gottes. Chr. Kaiser, München 1988, 119).
„Fürchtet euch nicht“ ist der typische, immer wiederkehrende Trost Gottes aus dem Himmel. Gott ist da und geht mit. Das erfuhren die Hirten. Das hören die drei auf dem Berg. Es ist die himmlische Botschaft an uns heute.
Vielleicht ist es der eigene Konfirmationsspruch, in dem sie uns manchmal aufleuchtet, ein Lied oder irgendetwas anderes, in denen wir Jesus neu sehen und durch sie hindurch Gottes Stimme hören.
Auf dem Berg zeigt sich den Jüngern, dass Jesu Weg aus dem Glanz in das Dunkel der Weg ist, auf dem Gott mit unterwegs ist. Die Wirklichkeit wird nicht verklärt.
Das hilft aufzustehen, sicher zu werden, den Überblick zu behalten auch in schwierigen Zeiten.
Amen