Siehe, ich sage euch ein Geheimnis – Predigt zu 1. Korinther 15, 50-58 von Ralph Hochschild
15,50-58

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Der Predigttext für den Ostermontag steht im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther im 15. Kapitel, die Verse 50 bis 58.

 

Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! Darum, meine lieben Brüder und Schwestern, seid fest und unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, denn ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

Herr, segne unser Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde,

“Das sage ich aber …, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.” Es ist, als wirbelte noch einmal ein kalter Wind vom Winter übersehenes Herbstlaub auf. Und mit ihm verwischte Spuren vergangenen Glücks, vertrocknetes Leben, tote Blätter. Im österlichen Frühling erinnert uns Paulus plötzlich an unsere Vergänglichkeit. So wie das jene Industriebrache tut, an der ich ab und an vorbeikomme. Notdürftig hinter einem Bauzaun gesichert und versteckt, “Betreten verboten. Eltern haften für ihre Kinder”, Graffiti am brüchigen Putz, zerschlagene Scheiben, Stille, wo einmal Maschinen unablässig surrten und Menschen ihren Lebensunterhalt verdienten. Vergänglichkeit.

Ich sehe auf meine Hände und in mein Gesicht. Ich sehe in diesem “Fleisch und Blut” meine Lebensgeschichte. Wie vieles ist entschwunden und vergangen? Die unbeschwerte Kindheit, die unbändige Kraft der Jugend, manche Freundschaft und manches Glück. Vergänglichkeit.

So dankbar ich für dieses Leben bin, so sehr ich mich auf das freue, was noch kommen könnte - sollte mein Leben dem Kreislauf von Werden und Vergehen entfliehen, aus dem Vergänglichen Unvergängliches werden, aus dem Verweslichen Unverwesliches entstehen können? Was bedeutet die Auferstehung Jesu und die Hoffnung auf die Auferstehung der Toten für uns, die jetzt Lebenden?

Zum Glück! Paulus ruft uns zwar unsere Vergänglichkeit ins Gedächtnis, aber er lässt uns nicht bei unseren manchmal deprimierenden Gedanken darüber stehen. Er drängt weiter. Wagt einen kühnen Sprung in die Zukunft. Traut Gott etwas zu. Traut unserem Leben etwas zu. Aber. Noch ist das ein Geheimnis. Noch liegt es nicht vor unseren Augen. Noch ist das keine erkennbare Realität. Aber. Paulus behält sein Wissen nicht für sich.

“Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden”. Wo Verwandlung ist, da entsteht neues, frisches Leben. Wir kennen das aus der Natur, die uns so viele Gleichnisse für die Auferstehung schenkt. Bilder von Verwandlungen, Mutationen und Metamorphosen, die uns erkennen lassen, was diese Verwandlung, von der Paulus spricht, für uns bedeutet. Ein neues, anderes Leben.

Wir können es an manchem alten Fabrikgebäude sehen. Im Inneren sind neue Wände gezogen, die Installationen sind erneuert, neue Mieter, neue Gewerbe haben ihren Platz gefunden, die Außenanlagen sind neu gestaltet, frische Farbe leuchtet auf der Fassade, in der alten Kantine ist eine Gaststätte eröffnet. Und auf einmal pulsiert neues Leben im alten Gebäude, die neue Gestalt schafft neue Begegnungen, neue Kontakte, ein neues, anderes Miteinander.

“Typwechsel.” Auch wir haben uns immer wieder verwandelt, neue Impulse für unser Leben gesetzt. Familienkutsche statt Sportwagen, neuer Haarschnitt, Sakko und Hemd statt T-Shirt, plötzlich wieder mit der abgewetzten Lederjacke auf der alten BMW. Kleider machen eben Leute. Meine Kleidung sagt, wer ich sein will, wer ich bin, wer ich sein soll. Und wenn Paulus uns verrät, dass dieser vergängliche und verwesliche Leib die Unverweslichkeit anziehen muss, dieses vergängliche und sterbliche Leben die Unsterblichkeit anziehen muss, so nennt er nicht allein unsere Bestimmung. Er verknüpft unser ganzes Leben mit der Auferstehung Christi. Symbolisch ist das bei der Taufe, bei viele von uns im weißen Taufkleid, längst geschehen. “Ihr habt Christus angezogen” - so kann Paulus die Taufe umschreiben. Deshalb sind wir eng mit Jesus Christus verbunden, können darauf hoffen, dass er den letzten, großen Impuls für unser Leben setzen wird.

“Siehe, ich sage euch ein Geheimnis”. Eigentlich verrät man Geheimnisse nicht. Pins und Passwörter, Fingerprints und Tans sichern unser Leben in unserer digitalen Welt. Jeder bewahrt seine Geheimnisse, so gut er kann. Und es ist oft reizvoll, seine Geheimnisse zu haben. Wer hingegen ein Geheimnis verrät, überschreitet die Grenze zu anderen. Er öffnet sich für sie und bildet eine Gemeinschaft mit ihnen. Es ist mit dem Geheimnis der Auferstehung vielleicht so, wie bei einem gut gehüteten Familiengeheimnis. Werden die Kinder rechtzeitig ins Vertrauen gezogen, dann gibt es zuerst ein großes Staunen. Vielleicht können sie kaum glauben, was sie hören. Aber am Ende wächst das Vertrauen und der Zusammenhalt in der Familie vertieft sich. Ich glaube, so ist es auch mit dem Geheimnis der Auferstehung, das uns Paulus hier verrät. Es stiftet eine Gemeinschaft, die sich vertraut, die glaubt. Eine Gemeinschaft, die, wenn der Auferstehungsglaube schwerfällt, stärkt, zur Hoffnung ermutigt und die, wenn wir es selbst nicht können, ganz einfach für uns glaubt.

“Siehe, ich sage euch ein Geheimnis”. Wer ein Geheimnis kennt, sieht die Wirklichkeit in einem anderen Licht. Denn er weiß und kennt anderes. Er kann seine Welt im Lichte des Geheimnisses deuten und verstehen. Ihre lichten und ihre dunklen, traurigen Seiten. Vieles erscheint uns im Licht der Auferstehung Jesu wie ein Gleichnis unserer eigenen Zukunft. Manches, das uns bedrückt, das einen piekst, einem das Leben sauer macht, das einen zu blockieren, hemmen oder festzunageln scheint, rückt in einen weiteren Horizont.

“Tod, wo ist dein Sieg? Tod wo ist dein Stachel?” Paulus singt vom Sieg über den Tod. Er teilt sein Lied mit uns, dass wir befreit in sein Lied vom Sieg des Lebens einstimmen. Es möge uns immer wieder Mut machen und spüren lassen, dass unser Leben, unsere Arbeit, unsere Hoffnung, unser Glauben Sinn und Zukunft haben – und nicht vergeblich sind. Amen.

Perikope
02.04.2018
15,50-58