Standhaft, zuversichtlich, voller Hoffnung - Predigt zu Römer 5,1-5 von Jens Junginger
5,1-5

Standhaft, zuversichtlich, voller Hoffnung

Glauben, der Resignation zum Trotz.
Hoffen, den Gegebenheiten zum Trotz.
Handeln, der Angst zum Trotz.
Leben, aller Sorge zum Trotz.

Von Menschen, die auf ihre ganz besondere Weise diese Haltungen verkörpert und gelebt haben erzählt der Publizist Christan Nürnberger. Mutige Menschen nennt er sie.
Er erzählt von Frauen und Männern, die den Mut hatten Hitlers Pläne zu durchkreuzen, Befehle zu verweigern, Menschenleben zu retten:
Er erzählt von Menschen, die den Mut zeigten manche Dinge anders zu sehen, etwas Neues zu wagen, die den Mut hatten mit einer Tradition zu brechen oder einer Übermacht die Stirn zu bieten:
Von 24 mutigen Persönlichkeiten erzählt er. Und doch ist es nur eine Auswahl von weit mehr Menschen, die es gab und gibt, zu allen Zeiten.
Aber einfach mal 24 Namen mit ihren mutigen Lebensgeschichten gebündelt vor sich zu haben, von Menschen, die sich nicht beugen ließen, die für etwas eingestanden sind, das hat was. Das ist wie ein Kraft- oder Energiebündel, das Faszination auslöst, heilige Begeisterung. 

Zugleich frage ich mich:
Kennst du selbst nicht vielleicht auch so jemand?
Jemand, der nicht so bekannt ist und vielleicht ganz unscheinbar der Resignation, der Angst, der der Sorge die Stirn zeigt, der Hoffnung und Zuversicht ausstrahlt?

Der mir eingefallen ist, ist Fußballtrainer einer Flüchtlingsmannschaft.
Kritisch, skeptisch wird er manchmal beäugt, sagt er. Warum er gerade Flüchtlinge trainiert. „Ich mach‘s weil‘s mir Spaß macht und weil es den Jungs gut tut“.
Und er freut sich über die Turniere, zu denen er Vereins- und Firmen- und weitere Flüchtlingsmannschaften gewinnt. Er gibt sich rein, allem abfälligen Geschwätz zum Trotz. Das steckt an.

Indem wir von solchen mutig trotzigen Menschen hören, von ihnen erzählt bekommen oder lesen, lassen wir uns unser Wissen anreichern und speisen unsere Hoffnungsquellen, angesichts unserer mitunter schwankenden inneren Gewissheit.

Das Gefühl der Ohnmacht und Verunsicherung ist oft so viel stärker, dass wir starke innere Bilder und Gewissheiten brauchen.
Unglaubliche Geschichten von mutigen, standhaften, trotzigen Menschen. Die brauchen wir.
Damit das manchmal beinahe erstickende Pflänzchen Hoffnung immer wieder gewässert wird. Damit der mitunter gerade noch glimmende Docht frischen Wind bekommt um neu Feuer zu fangen.
Die kürzlich ausgezeichnete Journalistin Dunja Hayali gehört für mich zu solchen trotzig mutigen Menschen. Sie hat die auf Facebook geschriebenen persönlichen Anfeindungen und die beleidigenden Hassbotschaften veröffentlicht. Sie hat sich an prominenter Stelle als gebürtige Irakerin klar und mutig öffentlich dagegen positioniert.
Und von noch einem möchte ich erzählen:  
Das Leben kann man nicht verlängern, aber man kann es verdichten – so beschrieb der kürzlich verstorbene Roger Willemsen seine Lebensphilosophie, mit einer abgewandelten Selbstaussage Jesu (Vgl. Mk 8,35 par). Der umtriebige, selbstlose und hoch engagierte immer sprudelnde Intellektuelle, verstand sich selbst als ein Mitarbeiter an einem Engagement des radikalen Liebens. Bei Amnesty International, Care, in und für Afghanistan.
Du würdest keinen anderen in mir finden als jenen den du kennst, sagte er geradlinig und ungebrochen, noch vor kurzem in seiner stets trotzig schwärmerischen Haltung. Und fügte hinzu: Es sei Zeit für einen energischen Aufstand.[1]
Von solchen Menschen zu erzählen, das sind wir uns selbst schuldig. Das sind wir erst recht Menschen schuldig, die bisweilen davon überzeugt sind, Glaube, Liebe, Hoffnung habe keinen Sinn mehr.
Wir sind es uns schuldig, auch weil die überwältigende Macht der medialen Bilder und Botschaften, deren Anzahl stetig wächst, einen erschlägt.

Christenmenschen, so sagt Paulus, die der Resignation, der Angst und der Skepsis mit Zuversicht und Hoffnung entgegentreten, tun dies, weil sie aufgrund des Glaubens ihren Frieden haben, Frieden in Gott und mit Gott.
Er sagt es auf Grund seiner innersten Haltung heraus und aufgrund seiner persönlichen Erfahrung. Und er will diese Gewissheit weitergeben.
   
In Frieden mit Gott leben, sich im tiefsten Glauben von ihm angenommen, geliebt zu empfinden – egal was kommt. Das – und davon bin ich überzeugt -  das setzt Kräfte frei. Das stärkt die Zuversicht.

Ich erinnere mich an persönliche Begegnungen mit Menschen, bei Besuchen und Gesprächen, die diese unglaubliche Glaubenshaltung hatten und ausgestrahlt haben. Obwohl ihre Lage so schwer war, dass es mir selbst sehr schwer fiel die Situation und die Belastung mit auszuhalten.

Als von Gott angenommener Mensch Widrigkeiten und Anfechtungen standzuhalten, Zuversicht zu haben das umschreibt Paulus mit: Aufgrund des Glaubens Frieden in Gott und mit Gott haben.

Er führt seine Gedanken noch weiter aus. Er schreibt im 5.Kapitel des Briefs an die Freunde in Rom:

Weil wir also aufgrund des Glaubens als gerecht gelten,
haben wir
Frieden,
der auch bei Gott gilt.
Das verdanken wir unserem
Herrn Jesus Christus.
Durch den
Glauben hat er uns
den Zugang zur
Gnade Gottes ermöglicht.
Sie ist der Grund,
auf dem wir stehen.
Und wir dürfen stolz sein
auf die sichere Hoffnung,
zur
Herrlichkeit Gottes zu gelangen.
Aber nicht nur das.
Wir dürfen auch auf das stolz sein,
was wir gegenwärtig erleiden müssen.
Denn wir wissen:
Das Leid lehrt, standhaft zu bleiben.
Die Standhaftigkeit lehrt,
sich zu bewähren.
Die Bewährung lehrt zu hoffen.
Aber die Hoffnung macht uns nicht zum Gespött.
Denn Gott hat seine Liebe
in unsere Herzen hineingegossen.
Das ist durch den
Heiligen Geist geschehen,
den Gott uns geschenkt hat.


Trotz alledem!
Das könnte als Überschrift über diesem Abschnitt stehen.
Denn wer so inständig von der Hoffnung spricht, von Standfestigkeit, von Bewährung in gegenwärtigem Leid, der lässt erkennen, dass sich Resignation, Angst, Sorge breitmachen und dass Gefährdung in der Luft liegt.
Paulus setzt dagegen trotzig zuversichtliche Gelassenheit. „Weil Gott uns nicht gegeben hat den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“(2.Tim 1,7)

Das Gefühl, das Empfinden von Resignation, Angst, Sorge und Gefährdung liegt seit geraumer Zeit auch bei uns in der Luft, wenngleich die Situationen nicht unmittelbar vergleichbar sind.
Dennoch:
Da fliehen wieder Tausende aus Aleppo
Da stehen Tausende sehnsüchtig und Aufbruchbereit an der türkischen Mittelmeerküste
Sie hoffen auf Europa!
Es ist die Bewährung, die sie das Hoffen lehrt
und Ihr Leid, das sie lehrt standhaft zu bleiben.
Und da sind Tausende, die rufen nach einem bewaffneten Festung Europa, nach Stopp, nach Abgrenzung.
Ihre Bewährung lehrt sie auf Abgrenzung, auf Zurückweisung und auf eine national-völkische Gemeinschaft zu hoffen und zu setzen.
Sie leiden an Angst vor Überfremdung, Werteverlust, vor möglichem Jobverlust an weniger Wohnraum, an weniger staatlicher Sozialhilfe. Und das macht sie standhafter in der Entschiedenheit, im Hass und in der Gewaltbereitschaft
Und es sind wiederum Tausende, die leiden an der Hetze, an der aufheizten Stimmung, an fehlender Organisation und fehlendem Personal, am Mangel an Menschlichkeit.
Die Bewährung in dieser Lage lehrt auch sie das Hoffen und das Standhalten
Da ist Resignation, Angst und Skepsis gleich in mehrfacher Weise da.
Wir ahnen und spüren, dass da gerade etwas Historisches passiert.
Dabei geht es – so scheint es - weniger darum was wirklich ist, was real ist, wie die Fakten liegen. Viel entscheidender ist derzeit, was wird empfunden, gefühlt und was könnte evtl. zu erwarten, zu befürchten sein? 

Dem mit Zuversicht und Hoffnung zu widerstehen, das können wir als Christen als christliche Gemeinde, als Kirche – in dem wir uns von Paulus Gewissheit zusprechen lassen, uns vergewissern lassen,
dass wir den Frieden haben, und aus dem Frieden zuversichtlich und gelassen handeln können, dem Frieden, der bei Gott gilt.

Diesen Frieden – daran erinnert uns Paulus im weiteren - den verdanken wir unserem Herrn Jesus Christus.  
Nun, inwiefern?
Indem wir schauen, wie Jesus mit bedrängenden Fragen umging?
Ich bin ein Fremder gewesen, sagt er. Und: Ihr habt mich aufgenommen (Mt 25,31) und Jesus erinnert dabei an die Heiligen Schriften, wo es heißt:

Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken.
Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst.
(Lev 19,33-34)

Die göttliche Zusage mit denen zu sein, die fliehen und eine neue Heimat suchen müssen, ist Ausdruck christlicher Nächstenliebe.
Wir aber tun uns schwer mit grenzenloser Gastfreundschaft.
Das soll uns für einen Moment innehalten lassen:

Ist es denn nicht so?
Man weiß doch nur, wer man selbst ist, wenn man sich der Unruhe der Fremdheit aussetzt. Und man lernt den eigenen Reichtum und den eigenen Mangel erst kennen, wenn man auf den Reichtum und den Mangel der Fremden stößt.
Wer unter sich bleiben will, bleibt unter seinen Möglichkeiten.
  
Als im vergangenen Sommer der Rapper Fard zur Flüchtlingsdebatte interviewt wurde, platzte ein kleiner Junge in die Video-Aufzeichnung: Der vierjährige Niklas.
Ob er schon im Kindergarten sei, wollte Fard von ihm wissen. Und ob es dort gut sei.
„Ja“, antwortet der Junge. „Sind da auch Ausländer?“, fragt Fard weiter. „Nein“, sagt Niklas, „da sind Kinder!“ [2]
Der Junge übersetzt, was Jesus meinte, wenn er sagte: Und ihr habt mich aufgenommen. Der kleine Niklas vermittelt uns den Frieden Gottes, aus dem heraus Christen entsprechend handeln.

Ein anderes Mal macht Jesus, nach einem langen anstrengenden Tag, die Erfahrung, dass eine Menge ihm hinterhergeht, obwohl er sich zurückziehen will. Sie sind nicht abzuschütteln. Sie haben nichts zu verlieren, weil sie einem Hoffnungsschimmer folgen. Es werden immer mehr.
Die Jünger beginnen sich zu sorgen: So viele Mäuler können wir nicht stopfen. So viele können hier nicht übernachten.  Mehr geht nicht!  Sie hielten es für besser, dass sie zurückgehen, wo sie hergekommen sind. Doch Jesus hat ein grenzenloses Vertrauen, Gottvertrauen.
Er sagt:
„Es ist nicht nötig, dass sie fortgehen; gebt ihr ihnen zu essen.“ Er blickte zum Himmel, so wird erzählt – und sah keine Grenzen. Nur das große Schöpferherz, das allen schenkt, was jeder und jede zum Leben braucht. Er sagte Danke für unser täglich Brot. Danke Gott, dass Du uns von der Sorge befreist, wir könnten es nicht schaffen, es könnte nicht für alle reichen.
Auch die Jünger merken, es ist gar nicht so wenig da, wie sie dachten. Und die Menschen, die kamen, haben auch selbst etwas zu geben.
Am Ende war viel mehr da, als sie dachten.
Es ist viel mehr da, als wir denken. Nur: Es ist es recht ungleich verteilt. Wenn wir gleicher verteilen, fairer, bekommen am Ende alle, was sie brauchen. Es reicht für alle.
In der Gemeinschaft werden wir wirklich satt.[3]
Halten wir im Glauben also daran fest, an diesen beiden einfachen klaren Sätzen:
Da sind Kinder. 

Und:
Es reicht für alle.

Standhaft, trotzig, mutig, zuversichtlich, voller Hoffnung
Aus der Gewissheit:
Aufgrund unseres Glaubens haben wir Frieden in Gott,
Aufgrund unseres Glaubens an Jesus,
an seine Hingabe, an seine Hoffnung
und an sein Handeln
haben wir Gnade.

Das ist der Grund, auf dem wir stehen.
Das macht uns Mut.
Das lässt uns
Glauben, der Resignation zum trotz
Hoffen, den Gegebenheiten zum trotz
Handeln, der Angst zum Trotz
Leben, aller Sorge zum Trotz
Fromme Träumerei, naive Weltsicht!
Mögen manche Vorwürfe lauten.
Sollen sie doch!
Die Bewährung lehrt zu hoffen.
Die Hoffnung macht uns nicht zum Gespött
.
Denn Gott hat seine Liebe
in unsere Herzen hineingegossen.
Das ist durch den
Heiligen Geist geschehen,
den Gott uns geschenkt hat.

Amen

 

 

[1] „Jörg, hier ist Frohsinn“; Die ZEIT, 11.02.2016; S.39

[2] Vgl. Ralf Meister, Andachtsimpuls, in: Themenheft zur Fastenaktion der Evangelischen Kirche, edition chrismon, Frankfurt 2015, S.37

[3] Vgl. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Andachtsimpuls, in: Themenheft zur Fastenaktion der Evangelischen Kirche, edition chrismon, Frankfurt 2015, S.35

 

Perikope
21.02.2016
5,1-5