1Nach diesen Ereignissen kam das Wort des Herrn in einer Vision zu Abram: »Fürchte dich nicht, Abram! Ich selbst bin dein Schild. Du wirst reich belohnt werden.«2Abram erwiderte: »Herr, mein Gott! Welchen Lohn willst du mir geben? Ich werde kinderlos sterben, und Elieser aus Damaskus wird mein Haus erben.«3Weiter sagte Abram: »Sieh, du hast mir keinen Nachkommen gegeben, sieh doch, deshalb wird mich mein Verwalter beerben.«4Da kam das Wort des Herrn zu Abram: »Nicht Elieser wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein.«5Dann führte er Abram nach draußen und sagte: »Betrachte den Himmel und zähle die Sterne –wenn du sie zählen kannst!« Er fügte hinzu: »So zahlreich werden deine Nachkommen sein.«6Abram glaubte an den Ewigen, und das rechnete ihm Gott als Gerechtigkeit an.
(Übersetzung: Basis Bibel)
Worüber man nicht spricht
„Ach, Sie haben keine Kinder?“ fragt ein älteres Ehepaar,
das Tim und Anna im Urlaub treffen. „Nein“, erwidert Anna.
Und ahnt schon, was jetzt kommt.
Der mitleidige Blick, weil einem ohne Kindersegen
das „eigentliche“ Leben angeblich verwehrt bleibt.
Die Vorwurfshaltung,
die jedem kinderlosen Paar oberflächlichen Egoismus unterstellt:
Statt Verantwortung zu übernehmen, ginge es nur um die eigene Karriere.
Und immer wieder die gespielt harmlosen Nachfragen der Verwandtschaft.
So kennen es Anna und Tim –
und haben keine Lust mehr, darauf zu antworten.
Zu sehr schmerzt die immer wieder enttäuschte Hoffnung.
Als hätten sie versagt,
als sei es das Einfachste auf der Welt, Eltern zu werden.
Liebe nach Fahrplan,
Medikamente, die den Hormonhaushalt durcheinanderbringen.
In-Vitro-Fertilisation als letzte Hoffnung, die oft genug scheitert.
All das lastet auf ihrer Liebe.
Und doch wollen sie noch nicht aufgeben.
Ein letzter kleiner Funke Hoffnung ist noch da.
Verdunkelte Hoffnung
Auch Abram und Sara waren kinderlos.
Lech l‘cha!, war das erste Wort Gottes an Abram.
„Geh hinaus aus deiner Heimat, deiner Familie.“
Gott hatte sie gesegnet und ihnen Wohlstand,
Land und eine große Kinderschar versprochen.
Ja, ein ganzes Volk soll aus ihnen beiden hervorgehen.
Tatsächlich ist aus dem Flüchtling Abram ein wohlhabender Mann geworden.
Aber was nützt ihm all der Reichtum, wenn die Kinder ausbleiben?
Mit leeren Händen steht er da.
Zu alt, um noch auf Kinder zu hoffen.
Verzweifelt und in Sorge.
Womöglich sind sie nicht nur die erste,
sondern auch die letzte Generation im Land,
das Gott ihnen versprochen hat.
Dabei haben sie alles getan für das lang ersehnte Kind:
Elieser, den Verwalter, adoptiert,
damit das Erbe wenigstens gesichert ist,
wenn sie einmal nicht mehr sind.
Aber er ist eben nicht ihr eigenes – wie Gott es versprochen hat.
Sogar eine Leihmutter haben sie engagiert.
Hagar, die Sklavin von Sara, muss Ismael, den Sohn von Abram, zur Welt bringen.
Keine gute Idee, vor allem für die beiden Frauen nicht.
Hagar führt sich wie die neue Lieblingsfrau von Abram auf.
Die verletzte Sara lässt sie dafür von Abram buchstäblich in die Wüste schicken.
Dort wäre sie mit ihrem kleinen Sohn umgekommen -
wenn Gott nicht eingegriffen hätte.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (Gen 16,13) bekennt sie dankbar.
Aber Gott sieht offenbar nicht die Not Abrams.
Zweimal bittet der ihn: „Schau doch hin!
Sieh dir doch mit eigenen Augen an,
dass wir womöglich niemals Kinder bekommen werden!“
Niemals.
Ein schreckliches Wort. Endgültig wie der „Tod“.
Tod ist ewiges „Niemals“.
Fegt alle Hoffnung vom Tisch.
Fürchte dich nicht – sorge dich nicht!
„Fürchte dich nicht!
Lech l‘cha! Geh hinaus aus allem, was dich festhält.
Aus deiner Angst, deiner Sorge.“
So ein Aufbruch fällt schwer.
Ich weiß nicht, was kommt.
Die Sorge bleibt, denn sie ist wirklich und sie ist berechtigt.
Hitze, Dürre und verheerende Waldbrände bedrohen uns,
Starkregen und tödliche Überschwemmungen,
im Meer versinkende Inseln -
wie sieht da die Zukunft unserer Kinder und Enkel aus?
Können wir überhaupt noch verantworten, Kinder in diese Welt zu setzen?
Die Welt fährt Achterbahn – und niemand stoppt sie.
„Wach auf, geh hinaus aus der lähmenden Selbsttäuschung,
alles könnte so bleiben, wie es ist.
Geh von dir weg, um zu dir zu kommen!
Ich nehme deine Sorge ernst.
Ja, ich teile sie.
Aber fürchte dich nicht, hab keine Angst, ich lass dich nicht allein.“
Unterm Sternenzelt
Und dann nimmt Gott Abram behutsam an der Hand.
Wie ein Freund, Seite an Seite.
Führt ihn ins Freie.
Hebt ihm die Augen auf.
Und zeigt ihm den nächtlichen Sternenhimmel.
„Betrachte den Himmel und zähle die Sterne –wenn du sie zählen kannst!“
Abram schaut versunken nach oben.
Sternlein zählen – unmöglich!
Gott allein kann es, der höher ist als all meine Vernunft.
Kennt sie mit Namen. Übersieht kein einziges.
Schließlich flüstert ihm Gott ins Ohr:
„So zahlreich werden deine Nachkommen sein.“
Das Bett in meinem Kinderzimmer stand genau unter einem Dachfenster.
Zum Einschlafen konnte ich den unendlichen Sternenhimmel sehen.
Überdacht von einer grandiosen Welt.
Unter diesem blauen Sternenzelt habe ich beten gelernt.
Das Bild vom Sternenzelt – es wird Abram für immer leuchtend vor Augen stehen.
So unendlich unzählig und unfassbar viele Funken der Hoffnung!
Zum Sternenhimmel aufsehen, heißt Gott ansehen, der über allem thront.
Gott an meiner Seite
Woher nimmt Abram den Mut, aus seiner Sorge aufzubrechen
und sich Gott erneut anzuvertrauen?
Er stellt ihm keine Bedingungen.
Hat keine Erwartungen mehr an ihn.
Es heißt: „Er glaubte an den Ewigen.“
Er vertraut sich ihm mit Haut und Haaren an.
So wie Gott ihn an der Hand nimmt und ins Freie führt,
so wird er wie ein Freund an seiner Seite bleiben, was immer da kommen mag.
„Lech l‘cha, geh, sieh von deiner Angst ab, denn ich sorge für dich.“
Ob Gott ihm jemals einen Sohn schenken wird,
bleibt offen und ist nicht mehr entscheidend für sein Leben.
Abram: „Ich danke dir, ich gebe mich in deine Hand.
Mit dir wird es ein guter Weg.
Und ich will ihn mit dir gehen.“
Gott: „Das werde ich dir nicht vergessen.“
Gott lässt keinen guten Willen ohne Dank.
Es mag sein, dass Tim und Anna kein leibliches Kind bekommen werden.
Sehnsucht wird nicht immer erfüllt.
Das gehört zu der bitteren Wahrheit unseres Lebens jenseits von Eden.
Abschied zu nehmen von dem Wunsch,
ein Kind zu bekommen und aufwachsen zu sehen,
– dazu braucht es Zeit zu trauern.
Und liebe Menschen auf diesem Weg.
Auch Gott kann so ein Begleiter sein.
Auf dem Weg dahin, dass es andere „Kinder“ im Leben gibt,
die wir hinterlassen.
Die unser Leben reich machen
in der Liebe, die wir weitergeben.
Die das weiterführen, was wir angefangen haben.
Den Garten pflegen, die Früchte von den Bäumen ernten,
die wir einmal gepflanzt haben.
Die sich dafür einsetzen, dass diese Welt nicht vor die Hunde geht.
Ganz viele Funken Hoffnung, die das Leben lieben – auch ohne ein leibliches Kind.
Gerechtigkeit liebt das Leben
„Abram glaubte an den Ewigen, und das rechnete ihm Gott als Gerechtigkeit an.“
Gerechtigkeit heißt, nach Gottes gutem und gerechten Willen leben.
Gerechtigkeit will nicht mit sich allein bleiben.
Sie liebt die, die aufbrechen und tun, was in ihrer Kraft steht.
Sie liebt das Leben und das Lachen.
Als Sara und Abram erfahren, dass sie tatsächlich ein Kind bekommen,
da können sie nicht anders, als von Herzen laut zu lachen.
Unvorstellbar, was Gott da verspricht!
Aber ihr Lachen öffnet sich auch für das , was sie für unmöglich halten.
Für eine Heiterkeit, die den Ernst der Welt nicht leugnet – und doch verwandelt.
So wird auch ihr Kind heißen: „Isaak – der Lachende!“
Lachen ist das Kind des Gottvertrauens.
Lachen, dass einem die Tränen kommen.
Strahlende Gesichter.
Von unzähligen Funken der Hoffnung beschienen.
Von Sorge befreit.
Amen.
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
In meinem näheren und weiteren Umfeld erlebe ich immer mehr Frauen und Männer, die ungewollt kinderlos bleiben. Ich erlebe ihr Leiden und wie dieses Problem gesellschaftlich tabuisiert wird. Im Alten wie im Neuen Testament hingegen zieht es sich durch und gehört als schmerzliche Erfahrung zum Leben. Zu der Frage, wie es nach mir weitergeht und was ich hinterlasse, gehören für mich auch die Unwetter, die viele Urlauber in den Sommerferien hautnah miterlebt haben und sich deshalb Sorgen machen. Im Kontext des Wochenspruchs möchte diese Sorge ernstnehmen.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Beflügelt hat mich das Sternenzelt und die sehr basale Erinnerung an die Gebetserfahrung in der Kindheit. Und das Lachen Abrams (Gen 17,17) und Saras (Gen 18,12f), das ich im Anschluss an G. Strenger (G. Strenger, Jüdische Spiritualität, 49f) nicht nur als Ausdruck der Skepsis verstehe, sondern auch als Öffnung zu ungeahnten Möglichkeiten.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Spannend bleibt für mich das biblische Verständnis von Gerechtigkeit, das immer sozial gedacht ist in der Beziehung zwischen Mensch und Gott wie zwischenmenschlich. Das darüber hinaus integraler Bestandteil von Glauben und Handeln ist und hier mitnichten einen christlich konstruierten Gegensatz darstellt.