Sympathieträger des Aufbruchs in Gottes Namen: Abraham – Predigt zu 1. Mose 12,1-4a von Christian Bogislav Burandt
12,1-4a

„Wir sind Weltmeister!“ – Das, liebe Gemeinde, war der Ruf vor vier Jahren. Da hatte die deutsche Fußballnationalmannschaft den Weltmeistertitel in Brasilien geholt. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen. Sie feierten den sportlichen Erfolg, und sie feierten das Wir-Gefühl, das die Nationalmannschaft vermittelte. In der Weltmeister-Elf fühlten die Menschen sich aufgehoben, fast schien es, als hätte nun jeder Deutsche die Goldmedaille umhängen: Wir sind Weltmeister!

 

Freilich: Erfolge verblassen und jedes erhebende Gefühl bleibt eine Momentaufnahme. Nur allzu schnell holen uns die Niederungen des Alltags wieder ein, die eigenen Aufgaben, Nöte und Sorgen, und dann ist das Wir-Gefühl verschwunden. Aber die Sehnsucht nach einem größeren Zusammenhang, in dem ich mein Ich unterbringen kann, die bleibt. Und sie kommt immer wieder.

 

Von einem Sympathieträger der besonderen Art, in dem viele Menschen sich untergebracht haben und sich unterbringen, haben wir gerade gehört. Ich meine damit den Erzvater Abraham aus dem ersten Buch Mose. Zuerst hieß er nur Abram, bevor Gott ihm den neuen Namen Abraham verlieh. Abraham genießt höchstes Ansehen und zwar gleichermaßen bei Juden, Christen und Muslimen. Und warum?

 

An einem spektakulären Erfolg kann das nicht liegen. Denn Abraham hatte zu Lebzeiten nach menschlichen Maßstäben keinen Erfolg. Das einzige Stück Privateigentum, das er erwarb, war ein Erbbegräbnis für seine Frau. Und das im Land, das ihm verheißen wurde! Auch unter dem Gesichtspunkt von Integration gibt es im Blick auf ihn keine Erfolge zu verzeichnen. Abraham ist gebürtiger Iraker mit mutmaßlich syrischem Pass; denn er wohnte vor seinem Aufbruch bei seiner Sippschaft in Syrien. Spätere Kontakte zu der Bevölkerung des verheißenen Landes sind sporadisch und nicht immer positiv. Stichwort: Sodom und Gomorrha. Und auch Abrahams Familienleben ist weit davon entfernt als glücklich oder als ideal bezeichnet zu werden...

 

Aber immerhin. Gegen jede Wahrscheinlichkeit wird ihm und seiner Frau trotz ihres hohen Alters doch noch ein Sohn geboren. Wenigstens ein sichtbares Zeichen dafür, dass Gott es mit seiner Verheißung ernst meint.

Aber ansonsten. Ist Abraham ein Verlierer, ein Looser? Auf keinen Fall. Abraham ist vielmehr der, der ganz nach vorne lebt; dadurch, dass er an der Verheißung Gottes festhält; gegen alle Zweifel, Rückschläge und Misserfolge. Weil er sich Gottes Wort zu Herzen nimmt, hat er Mut und kann er aufbrechen.

 

Die Mühe beim Aufbrechen, die kommt in unserer Sprache ja schon im Wort selbst zum Ausdruck. Aufbrechen, Aufbruch, da geht etwas in Stücke. Da müssen erst Gewohnheit, Bequemlichkeit oder Fesseln der Tradition zerschlagen werden, damit Bewegung entsteht. Und das ist natürlich ungeheuer mühsam!

 

Gott spricht: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Gott redet und verschafft sich bei Abraham Gehör. Aufbrechen soll der. Was für eine Zumutung! In dem Alter mit 75 ins Ungewisse aufbrechen, ohne Versicherung, ohne Rente und ohne die Hoffnung, dass die Verwandten ihn einmal pflegen würden. Keine Kinder, keine Zukunft, so musste Abraham denken!

 

Aber. Gott gibt nicht Anweisungen ohne Verheißungen. Gott schickt nicht ziellos ins Ungewisse, auch wenn die Unwissenden das Ziel nicht gleich erkennen können. Gott macht keine Zumutungen, ohne Mut zuzusprechen. Ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Die Zumutung an Abraham ist groß, aber die Verheißung ist größer!

 

Im Evangelium haben wir gehört, wie Jesus Menschen auffordert, Netze auszuwerfen. Menschen, die im Trüben gefischt haben und keinen Erfolg hatten, denen mutet Jesus zu, seinem Wort zu vertrauen. Und der Erfolg, der verändert dann alles, der geht über eine größere Fischfangquote weit hinaus! Der macht aus den Fischern Anhänger Jesu!

 

So ähnlich ist es auch mit der Verheißung, die an Abraham ergeht. Sie geht weit über Abraham hinaus und soll es auch! Wenn wir das erste Buch Mose aufmerksam von Beginn an lesen, dann beobachten wir: Die Menschen lassen keine Gelegenheit aus, sich durch Sünde und Bosheit das Leben selber schwer zu machen.

 

Dagegen schreitet Gott ein: Er möchte seinen Segen in die menschlichen Verhältnisse hineinbringen. In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Gott will, dass alle Geschlechter der Erde Segen gewinnen. Und so mutet Gott dem Abraham den Beginn der Geschichte des Glaubens zu, den Beginn einer heilvollen Geschichte, in deren Mitte Jesus Christus steht. Der Apostel Paulus sagt es dann so: „Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.“ (Galater 3,29)

 

Heil und Segen sind Gottes Ziele, darum ermutigt er Abraham zum Aufbruch. Und Abraham geht im Vertrauen auf Gottes Wort und seine Verheißung. Mit ihm beginnt die Geschichte des Glaubens. Das, liebe Gemeinde, das ist einzigartig - die Fans in diesen Tagen würden sagen „weltmeisterlich“ - und darum ist Abraham Sympathieträger bei Juden, Christen und Muslimen, gehört er nicht einer Religion allein. Die Dichterin Nelly Sachs etwa sagt: O Abraham, die Uhren aller Zeiten, die sonnen- und monddurchleuchteten hast du auf Ewigkeit gestellt - .1

 

In der Geschichte des Glaubens dürfen wir uns unterbringen, dürfen uns gesagt sein lassen, dass um Jesu Christi willen der Abraham erteilte Segen auch uns gilt. Lasst uns darum uns an Abraham ein Beispiel nehmen und im Vertrauen auf Gott die Zukunft angehen! Ohne Aufbruch kein Segen! Lasst uns an Gottes Zusagen festhalten, selbst wenn andere Menschen oder die Umstände uns zweifeln lassen!

 

Segen empfangen und weitergeben. Auf seine Weise versucht dies das Orchester des westöstlichen Divans, in dem jüdische, palästinensische und arabische Musiker gemeinsam musizieren. Im nächsten Jahr wird dies Orchester 20 Jahre alt.

 

Mut und Stärkung für den Lebensweg, auch für Aufbrüche, die uns bevorstehen. Dies schenkt Jesus Christus uns durch sein Mahl. Das heilige Abendmahl ist Wegzehrung, es ist sinnlich erfahrbare Erinnerung daran, dass Gottes Verheißung in Kraft ist. Auch für uns. Wir empfangen Segen und geben ihn weiter.

Gott macht keine Zumutungen, ohne Mut zuzusprechen. Gott wird alle Mühen des Aufbruchs belohnen um Jesu Christi willen. Sein Segen wird sich zum Heil der Welt durchsetzen.

AMEN              

 
1 I Nelly Sachs: Abraham, in ‚Spuren des Wortes. Biblische Stoffe in der Literatur. Materialien für Predigt, Religionsunterricht und Erwachsenenbildung’ Bd. 3, Altes Testament, Stuttgart 1990, S.238.

 

Perikope
01.07.2018
12,1-4a