Umkehr ist Not wendig
4 Sprich zu ihnen: So spricht der HERR: Wo ist jemand, wenn er fällt, der nicht gern wieder aufstünde? Wo ist jemand, wenn er irregeht, der nicht gern wieder zurechtkäme?
5 Warum will denn dies Volk zu Jerusalem irregehen für und für? Sie halten so fest am falschen Gottesdienst, dass sie nicht umkehren wollen.
6 Ich sehe und höre, dass sie nicht die Wahrheit reden. Es gibt niemand, dem seine Bosheit leid wäre und der spräche: Was hab ich doch getan! Sie laufen alle ihren Lauf wie ein Hengst, der in der Schlacht dahinstürmt.
7 Der Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit, Turteltaube, Kranich und Schwalbe halten die Zeit ein, in der sie wiederkommen sollen; aber mein Volk will das Recht des HERRN nicht wissen.
Liebe Gemeinde,
Umkehr ist nötig.
Der Prophet tritt auf im Namen Gottes. Er sagt dem Volk, dass Umkehr notwendig ist, lebensnotwendig.
In der Umkehr allein liegt die Kraft, Not zu wenden.
Dass Not herrscht, daran besteht kein Zweifel. Das sehen und erleben alle.
Aber zur Umkehr muss gerufen werden, und zwar eindringlich. Das versteht sich scheinbar nicht von alleine. Warum eigentlich nicht? Die Lage ist doch für Alle offensichtlich.
Eindringlich, so berichten die Medien übereinstimmend, war das Votum des Vertreters der Philippinen auf dem Weltklimagipfel in Warschau vergangene Woche.
So kann es nicht weitergehen, war der Tenor seines Votums. Natürlich auf dem Hintergrund aktueller, dramatischer Erfahrungen in seinem Heimatland. Ein Tornado mit bisher nicht gekannter Geschwindigkeit hat Tod und Zerstörung angerichtet, dass Worte nicht ausreichen, das auch nur annähernd zu beschreiben.
Die Menschheit als Ganzes, die Summe aller Staaten dieser Erde sind zu einem veränderten Verhalten genötigt. Sonst werden Katastrophen dieser Art und Stärke zunehmen.
Über den Einfluss menschlichen Handelns auf solche Szenarien muss nicht ernsthaft diskutiert werden.
Das Problem ist, dass alle die Probleme sehen, aber viele eine Änderung nicht wollen.
Sie wäre aber nötig, notwendig, die Not vieler Menschen wendend. Eine Umkehr ist angesagt.
Eindringlich war das Votum des Vertreters der Philippinen, weil er nicht nur geredet hat, sondern seinen Worten Nachdruck verliehen hat. Er hat angekündigt, keine Nahrung mehr aufzunehmen, bis sich auf dem Weltklimagipfel wirklich etwas bewegt. Inzwischen haben sich ihm Mehrere angeschlossen.
Leider braucht es oft Katastrophen, damit Menschen anfangen, nachzudenken und eine Umkehr überhaupt in Erwägung zu ziehen.
Der amerikanische Journalist Weisman hat gerade ein Buch veröffentlicht. Es trägt den Titel: ‚Der Countdown fürs Überleben läuft‘. Dabei beschäftigt er sich mit den Folgen der Überbevölkerung auf der Erde und was das für die Ressourcen bedeutet, vor allem, wenn es um Wasser und Nahrung geht. In einem Interview wurde ihm dazu auch die Frage gestellt:
Wir müssen also umdenken?
Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass die Wirtschaft permanent wachsen muss und dass konstantes Wachsen ein Zeichen von Gesundheit ist. Reichtum kann auch bedeuten, ein erfülltes Leben zu führen, Zeit zu haben, weniger zu arbeiten und nicht nur immer neue Sachen zu kaufen.
Umdenken als Impuls zur Umkehr, zu einem veränderten Verhalten.
‚Da ging er in sich‘ heißt es nach Luthers Übersetzung in Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der auch eine Katastrophe brauchte, um ins Nachdenken zu kommen. Solange das Geld ausreichte und der Magen gefüllt werden konnte, schien eine Umkehr gar nicht nötig.
Aber in der Gesellschaft von Schweinen sah das dann doch anders aus.
Solange alles gut geht, ist ein Umdenken nicht dran und eine Umkehr nicht nötig.
Aber wenn deutlich erkennbar ist, so kann es nicht weitergehen, dann muss doch etwas geschehen.
Wie kann jemand sehenden Auges einfach immer so weitermachen, wenn man doch sieht, wohin das führt?
Es kann doch nicht sein, ist die passende Aussage.
Kopfschütteln ist das angemessene Körperverhalten.
Weil es eine so augenscheinliche Diskrepanz gibt zwischen dem, was man erlebt, als Not erlebt, und den Konsequenzen, die man daraus zieht.
Die großen und weltweiten Probleme geben den Anschauungsunterricht für sehr grundlegendes, menschliches Verhalten. Im Kleinen lässt sich das nachbuchstabieren, wenn es ums Rauchen geht, um die Art und Weise der Ernährung, um den Mangel an Bewegung. Die Erfahrung, dass da etwas nicht stimmt, ist gar nicht zu leugnen, aber die praktischen und lebendigen Konsequenzen daraus ziehen, ist etwas ganz anderes.
Es kann doch nicht sein, ist die passende Aussage.
Kopfschütteln ist das angemessene Körperverhalten.
Die entscheidende, also die notwenige, die Not wendende Frage legt Gott dem Propheten in den Mund: Was habe ich doch getan?
Also gegen den natürlichen Reflex: wer ist schuld? Was haben andere verbockt – getreu dem uralten Sündeverschiebespiel, das mit Adam und Eva im Paradies begonnen hat. Die anderen und die Umstände sind schuld, ich nicht.
Diese Frage ‚wer ist schuld?‘ bewegt nichts, verändert nichts.
Ändern kann nur ich mich, wenn ich die Frage nicht auf das Volk Israel schiebe, zu dem Jeremia redet. Sondern sie an mich heranlasse: Was habe ich doch getan?
Mein Leben, mein Verhalten sind im Blick, wenn es um meine Gottesbeziehung und um die Beziehung zu meinen Mitmenschen geht.
Die Richtung ist falsch, sagt Jeremia im Auftrag Gottes. Also gar nicht so sehr dieses oder jenes einzelne falsche Verhalten, sondern die Grundausrichtung ist nicht richtig. Deswegen kommt es zu falschen Einzelentscheidungen.
Was leitet und bestimmt mich in meinem Leben, wonach richte ich mich aus, warum sage ich, was ich sage, warum sage ich es, wie ich es sage, warum tue ich, was ich tue? Diese Fragen für mich zuzulassen öffnet Antworten.
Die könnten lauten: Weil es mir persönlich nutzt. Weil ich davon überzeugt bin, Recht zu haben. Weil es mir Spaß macht. Weil die Andern sich irren und mich ärgern oder verletzen. Weil ich für Gottes Wort gerade keine Zeit habe, mir für das Gebet die Ruhe fehlt; weil ich mich um andere Dinge kümmern muss.
Falsche Richtung, sagt Gott, Lug und Trug, Bosheit.
Was habe ich doch getan?
Mich wie ein Hengst verhalten, der nur eine Richtung kennt: vorwärts, mit aller Macht, ohne Rücksicht auf Verluste. Dass da manch einer rechts oder links liegen bleibt, ist nicht nur unvermeidbar, sondern bewusst in Kauf genommen. Pferde in der Bibel sind fast ausnahmslos Kriegstiere. Das geht es nicht um Verständigung, um Einigung. Da geht es auch schon gar nicht um Umdenken oder gar Umkehr. Da geht’s nur mit vollem Tempo nach vorn, mit Scheuklappen. Da geht es ums Gewinnen, koste es, was es wolle.
Weil ich mich verrannt habe, geht viel kaputt, verloren. Das will ich nicht, das will niemand. Wenn ich merke, dass die Richtung nicht stimmt, möchte ich gern stehen bleiben, die Richtung ändern, umkehren.
Wie der verlorene Sohn zurück zum Vater.
Die Botschaft, die Jeremia im Auftrag Gottes an das Volk richtet, ist sehr ernüchternd. Es gibt niemanden, dem sein Tun Leid täte und sie wissen auch alle nichts vom Recht des Herrn. Da ist keine Aussicht.
Bloß der Hinweis, dass selbst die Vögel ein Gespür dafür haben, wohin der Zug gehen muss, damit Leben möglich ist.
Ob uns die Vögel zum Evangelium werden können?
Dafür, eine Richtung im Leben zu haben, die gut ist. Die befreit und verbindet.
Befreit von den Scheuklappen des Schlachtrosses. Verbindet mit dem Wort des lebendigen Gottes. Das ermutigt, sich selbst kritisch zu sehen. Vielleicht habe ich doch nicht recht oder es ist gar nicht so wichtig zu wissen, wer Recht hat, sondern dass wir in einem gemeinsamen Zug sind. Wie die Vögel. Dahin, wo das Leben möglich ist.
Das Wort, das mir sagt, ich habe es nötig umzukehren, von mir selbst und meinen Behauptungen und Rechthaberein, die doch nur trennen. Hin zum Umdenken und Umkehren, was dem Leben mit Gott und dem Mitmenschen dient.
Barmherzigkeit. Liebe. Vergebung.
An Jesus Christus erleben wir das. Immer wieder. Unaufhörlich.
Darin liegt die Kraft zur Umkehr. Denn ich weiß durch Christus, warum und wohin. Zu ihm, zum Leben und damit auch zu den Andern.
Umkehr ist nötig. Tatsächlich.
Umkehr zum Leben. Amen.