Unerwartet – Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Barbara Bockentin
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Unerwartet – Predigt zu Jesaja 9,1-6 von Barbara Bockentin

Vollkommen unerwartet kommt die Nachricht, nach der sie sich so sehr gesehnt haben. Endlich ist sie schwanger. Sie kann es kaum erwarten, es ihm zu erzählen. Als sie die Haustür öffnet, kommt er ihr entgegen: „Und?“ Sie strahlt ihn an. Später schmieden die beiden Pläne: für das Kinderzimmer, wann sie es den anderen sagen, wie das Kind heißen soll…

In den Wochen und Monaten darauf beginnt sich ihr Leben zu verändern. Zuerst merken sie es kaum. Mit der Zeit fällt es ihnen immer mehr auf. „Wenn unser Kind erst da ist, ...“ so reden oder denken sie oft. Manches erscheint in einem ganz anderen Licht. Anderes wiederum nehmen sie besonders bewusst war. Die vielen schwangeren Frauen zum Beispiel. Oder die Kinderwagen, die von Vätern geschoben werden. Auch sie selbst beginnen, sich zu ändern. Wenn es ihnen auffällt, dann lachen sie darüber: „Das sind nur die Hormone.“ Insgeheim freut sie sich darüber, dass er aufmerksamer geworden ist. Und er genießt es, dass sie ruhiger ist.

Die Zeit bis zur Geburt können sie kaum abwarten. Wenn sie daran denken, überzieht ein Lächeln ihre Gesichter mit einem besonderen Glanz.

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell.

Früher – ja früher, da haben sie oft darüber gesprochen, ob es verantwortungsvoll ist, ein Kind in diese Welt zu setzen. Was sie sich da nicht alles ausgemalt haben! So vieles ist nicht in Ordnung auf der Welt. So vieles muss besser gemacht werden. So vieles gehört gestoppt. Der Klimawandel, die Kriege, die nicht in Gang gekommene Energiewende, und, und, und … Da sind sie sich einig gewesen, in so eine Welt soll kein neuer Erdenbürger geboren werden. So haben sie gedacht und geredet. Bis dann doch die Sehnsucht nach einem Kind in ihnen gekeimt ist.

Jetzt ist vieles anders. Sie sind voller Ideen, wie sie etwas verändern können. Es ist, als ob das Kind neue Energie in ihnen freisetzt. Sie werden sich auf den Weg machen. Sie wollen Vorbild sein für ihr Kind. Dass die Welt verändert werden kann, davon sind sie fest überzeugt. Dass treibt sie an. Davon reden sie jetzt und suchen andere zu überzeugen.

Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt.

Dann ist es soweit: das Kind, ein Junge, erblickt das Licht der Welt. Es ist ein verregneter Tag. Im Radio ist zu hören, dass die Hungersnot im Jemen sich immer mehr ausweitet. Dass alles nehmen sie nur am Rand wahr. In dem Moment als sie ihrem Sohn in die Augen blicken, bleibt die Welt draußen. Für diesen Augenblick bleibt sie stehen. Später am Tag kommen die ersten Besucher. Alle bewundern das Baby. Wetteifern darin, eine Ähnlichkeit zu Mutter, Vater, Großeltern festzustellen. Versuchen das Kind zum Lachen zu bringen. Vor allem aber lachen sie sich gegenseitig an. Die Freude und das Glück über dieses kleine Wunder will geäußert werden.

Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben.

Später, als wieder Ruhe im Zimmer eingekehrt ist, fragt sie ihn, wie denn ihr Sohn heißen soll. „Lass uns einen Namen wählen, der aus unseren Familien kommt.“ schlägt er vor. „Ich erinnere mich gerne an meinen Opa. Von ihm habe ich viel gelernt. Wie wäre es mit seinem Namen?“ Sie möchte einen zweiten Namen hinzufügen. Sie stellt sich einen Namen vor, der jetzt und auch noch in dreißig Jahren zu ihrem Sohn passt. Einen Namen, der in sich eine Botschaft trägt, der eine Bedeutung hat.

Er heißt Wunder-Rat, Gott- Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er´s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit.

Monate später schauen die beiden die Bilder aus den ersten Tagen ihres Sohnes an. Gotthilf heißt er nach dem Großvater und Benjamin mit Rufnamen. Die Nachrichten sind im Hintergrund zu hören. Der Krieg in Syrien ist auf einem neuen Höhepunkt. In immer mehr Schulen wird am Freitag gestreikt. Jugendliche protestieren so gegen die Politik, die dem Klimawandel zusieht. Von solchen Aktionen werden sie ihrem Sohn erzählen. Und davon, wie sehr seine Geburt, ihre Einstellung verändert hat. Sie vertrauen darauf, dass sie etwas in Gang bringen können. Wer, wenn nicht sie. Wenn Benjamin erwachsen ist, werden sie mit Stolz auf das blicken, was sich dann verändert hat.

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.

Vollkommen unerwartet kommt die Nachricht, nach der sie sich so sehr gesehnt haben. Ein Kind ist geboren worden, dass alle Welt in Bewegung setzt. Viele werden sich von ihm begeistern lassen. Viele werden sich von seinem Glauben anstecken lassen, dass schon heute Gott da ist. Viele werden dafür brennen, dass seine Worte wahr geworden sind.