1. Die Straße seines Lebens fröhlich ziehen!
„Er aber zog seine Straße fröhlich“, heißt es mutig und programmatisch zugleich von einem Finanzminister aus dem ferner Äthiopien. Zuvor wurde er – mir nichts, dir nichts -- von Philippus an einem Bach – sie kamen ganz zufällig da vorbei -- getauft. Ja, was ist denn das? Die erste Taufe, von der ausführlich in der Bibel berichtet wurde – und so ganz anders als bei uns die Taufen ablaufen. Kein ordentliches Taufbekenntnis (erst in späteren Schriften dogmatisch korrekt hinzugefügt) – kein liturgisches Gottesdienstgeschehen, keine Paten, keine anschließende Familienfeier, kein nachgezogener Taufunterricht in der Konfirmandenzeit, nichts von alledem, was wir heute von der Taufe kennen. Einfach so. „Sieh, da ist Wasser. Was hinderts, dass ich mich taufen lasse?“ Nichts hindert den Philippus daran. Er tauft einfach. Und ab sofort ist der hohe Finanzminister aus Äthiopien ein getaufter Christ. Einfach so. „Und er zog seine Straße fröhlich“. Wir hören nichts mehr von ihm in der Bibel. Also, ob er im Glauben standhaft blieb, ob er im fernen Äthiopien eine Gemeinde fand, in der er zu Hause sein sonnte. Wie er überhaupt seinen neuen christlichen Glauben lebte? Nix da, bleibt alles im Dunkel. Doch „er zog seine Straße fröhlich“.
2. Die Straße unseres Lebens fröhlich ziehen?
Manchmal frage ich mich, wie denn das bei uns ist mit unserer Taufe, die wir als mehr oder weniger gute Christen irgendwann einmal empfangen haben? Ziehen wir unsere Straße fröhlich durch unser Leben? Was auch immer kommen mag, was das Leben auch immer bringen mag, macht nichts, wir ziehen unsere Straße fröhlich, so oder so ? Hat die Taufe solch eine Wirkung bei uns? Es wäre wirklich schön, wenn es so wäre. Doch manchmal frage ich mich, ob das nicht nur ein schöner Traum ist, zu schön um wirklich wahr zu sein? Oder?
3. Eine unwirkliche Geschichte. Wirklich?
Es ist fast schon eine unwirkliche Geschichte, die da erzählt wird von der ersten Taufe der Christenheit. Alles ist phantastisch irreal. Ein Finanzminister aus Äthiopien pilgert als Judenfreund nach Jerusalem, um anzubeten und da vielleicht – vielleicht!. – den rechten Glauben zu finden. Schon das ist ungewöhnlich. Aber nun ja, nicht ganz unvorstellbar bei der Verbreitung des Judentums in der damaligen Welt. Und Jerusalem war schon damals eine religiöse Hochburg. Schmelztiegel von allerlei religiösen Impulsen. Da will der Finanzminister also hin, will ein bibeltreuer Jude werden, wie immer das auch aussehen mag. Er ist nun schon auf der Heimreise Ob er in Jerusalem das fand, was er suchte, wissen wir nicht. Es heißt nur, dass der in der (hebräischen) Bibel liest, natürlich eine ganz zentrale Stelle, Jes. 53, eines der sogenannten Gottesknechtslieder, die der christliche Glaube auf Jesus hin deutet. Und er versteht – wen wundert das? – nichts, versteht nur Bahnhof, dieser Finanzminister. Es muss in seinem Kopf wie in einem Brummkreisel vorgehen, alles dreht sich, man könnte schwindlig werden. Religiöse Erleuchtung aus Jerusalem? Eher religiöse Verwirrung. Der arme Kerl.
Doch da ist Philippus zur Stelle. Ein Engel hat ihn dazu beauftragt, heißt es am Anfang. Also – so übersetze ich mal in der Psychologen-Sprache unserer Zeit – eine innere Stimme, die ihn halb bewusst, halb unbewusst auf den Weg nach Gaza schickt (ach Gaza denke ich, gerade Gaza, wo die Leute dort heute ganz andere Sorgen als eine theologische Diskussion über Jes. 53 haben). Dort kreuzen sich die Wege dieser beiden Menschen, des hohen Finanzministers und des angehenden Apostels und Tauflehrer Philippus. Die Wege kreuzen sich, es kommt zu einer Begegnung mit all den grandiosen Folgen, die dann in geballter Form kurz beschrieben sind. Also:
a. Jes. 53, das Gottesknechtslied
b. „Ich verstehe nix“
c. Kannst du mir da helfen?
d. Natürlich, ich kann es. Eine Predigt von Christus.
„Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Schriftwort an und predigte das Evangelium von Jesus“. Wie er es predigte, erfahren wir nicht. Nur, dass er es tat. Und es muss wohl eine umwerfende, ja revolutionäre Kraft für und in dem hohen Finanzminister ausgelöst haben. Sein Leben muss sich – kann man nur mutmaßen, aber anders ist es nicht vorstellbar, was da geschieht – um und um gekehrt, auf den Kopf, nein besser, erst jetzt endlich auf die Füße gestellt haben. „Er wurde bekehrt zu unserem Herren Jesus“ sagen fromme Pietisten zu diesem Geschehen. In ihm kam es zu einem entscheidenden „inneren Durchbruch“ sagen uns die Psychologen. Wie bei Saulus-Paulus bei Damaskus, „Das Alte ist vergangen, siehe alle ist neu geworden“ und weiter bei Paulus „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“. So etwas Ähnliches muss bei dem Finanzminister passiert sein. Nicht genau bei wie Paulus theologisch sauber reflektiert, in der Sache aber sehr ähnlich. So dann auch seine spontane Reaktion „Siehe da ist Wasser, was hinderts, dass ich mich taufen lasse?“
Und nun das Besondere, das für uns heute Überraschende. Nichts hindert, rein gar nichts. Kein ordentliches Taufbekenntnis, keine Katechismusfragen. Es reicht aus, dass der Finanzminister es einfach will. Und Philippus tauft ihn am Wasser: Und ab sofort ist der Finanzminister ein Christ. Einfach so. Punkt, Ende, Aus. Das war‘s, Und so soll es bei jeder Taufe (es ist ja die erste Taufe, von der in der Bibel berichtet wird, also ein exemplarisches Vorbild aller Taufen) zugehen. Geht es so zu bei uns?
„Und er zog seine Straße fröhlich“, also so an die 1000 Km weiter bis nach Äthiopien, südlich von Ägypten, fast schon im tiefsten und heißesten Afrika, ganz weit weg von der normal christlichen Zivilisation.
„Und er zog seine Straße fröhlich“.
4. Die Straße seines Lebens fröhlich ziehen! Ja, wirklich!
Ja, darauf kommt es an: Die Straße seines Lebens fröhlich zu ziehen. Dazu dient die christliche Taufe. Denn ganz unabhängig von allen dogmatische Quisquilien über die Taufe ist die Taufe – Dogmatik hin, Dogmatik her – ihrem Wesen nach eine innere Verbindung mit Gott. Ich sage nicht nur: eine äußere. Das ist sie auch. Ein äußeres Zeichen, dass man zu Gott gehören will. Äußerlich. Aber Taufe ist noch mehr. Das äußere Zeichne einer inneren Verbindung zu Gott. Ich und Gott, Gott und ich sind nicht mehr voneinander zu trennen. Das steht fest, Im Stammbuch jedes Täuflings heute wird durch ein kirchliches Siegel amtlich dokumentiert und vermeldet, dass Gott und der Täufling zusammen gehören. Nicht weil der Täufling so toll ist, sondern weil Gott so „toll“ ist, sich mit dem Menschen, mit jedem Menschen, verbinden zu wollen. Das ist christliche Ur-Überzeugung, dokumentiert in der Ur-Kunde von der Taufe des hohen Finanzministerns aus dem fernen, uns allen allzu fernen Äthiopien. Ein fernes Dokument selbst im Neuen Testament ein fernes Dokument, doch es gilt für alle. Bis heute! Bis zu diesem Augenblick.
“Und er zog seine Straße fröhlich“, dieser hohe Finanzbeamter aus dem fernen weithin heidnischen Äthiopien. Ich glaube ihm und ich glaube an ihn. Ich glaube, dass er seine Fröhlichkeit behalten hat. Er ganz allein, mitten in der allzu heidnischen Umwelt seiner Zeit. Warum glaube ich das? Weil ich der Kraft der Taufe – Gott soll da selbst real dabei sein, so bekennen wir lauthals, doch glauben wir‘s auch? – zutraue, dass sie uns fähig macht, die Straße unseres Lebens – wie auch immer mit Sackgassen und Irrwegen sie aussehen mag – fröhlich zu ziehen. Dennoch! Trotz alledem! Trotz all der Misserfolge, die wir uns immer wieder selbst zufügen., also die wir im Laufe unseres Lebens tapfer angehäuft haben. Trotz all der Verleugnungen Gottes, der Verzweiflung an Gott, des Verlustes an Gottvertrauen, das uns plagt, das wir uns selbst zuzuschreiben haben. Trotz alledem? Trotz alledem!
Und so kann ich am Ende nur ganz einfach und schlicht uns alle, uns Christen, Halb-Christen, Vielleicht- noch-Christen, na ja, vermeintlichen Nicht-Christen -- freundlich darauf hinweisen, dass die innere Beziehung zu Gott ganz unabhängig von dogmatischen Verordnungen der Kirche einfach für jeden Einzelnen von uns objektiv möglich ist. Objektiv, sage ich. Weil keine Kirche welche auch immer, Bestimmungen darüber erlassen kann, erlassen darf, wie diese unmittelbare Beziehung zu Gott aussehen mag.
Wenn Sie das nicht glauben und es als unbotmäßige Kritik an der real existierenden Kirche empfinden (ich vermute, einige empfinden es so), so verweise ich Sie am Ende auf den biblischen Text selbst. Den Autoren der Bibel im 1. Jahrhundert war das Verhalten des Philippus schon recht verdächtig. Man kann doch nicht so einfach, ohne die Ernsthaftigkeit des Taufbegehrens zu prüfen, an einem x- beliebigen Wasser so vor sich hin taufen. Geht doch nicht. Der potentielle Täufling muss doch ein ordentliches Bekenntnis ablegen, dogmatisch einigermaßen korrekt. Deswegen die späte Hinzufügung, die (zum Glück) nur als Anmerkung in der Bibel abgedruckt ist „Philippus aber sprach:. Wenn du von ganzem Herzen glaubst, so kann es geschehen. Er aber antwortete und sprach. Ich glaube, dass Jesus Christus Gottes Sohn ist“. Na ja, immerhin noch kein trinitarisches Bekenntnis. Deutlich ist aber dies: Ursprünglich wurde jeder (unabhängig von jeder Glaubensprüfung) getauft, der es wollte. Wer es begehrte. So war es. Und er konnte –frei von allen dogmatischen Wackersteinen – dann seine Straße fröhlich ziehen. So soll es sein, so soll es wieder werden. Dann aber kamen eben leider die „dogmatischen Wackersteine“, die im Laufe der Zeit immer schwerer wurden. Wen wundert‘s, dass wir alle unsere christliche Straße nicht mehr so fröhlich ziehen. Oder?
Ich plädiere – einseitig und urchristlich wie ich nun einmal bin – dafür, dass wir uns an Philippus halten, der einfach tauft, weil einer es will. Das reicht aus. Ich plädiere dafür, dass wir unseren christlichen Glauben nicht dogmatisch mit Wackersteinen belasten, sondern ihn fröhlich - wie verkorkst er auch immer nach außen aussehen mag - von innen her mit Gott gestalten. Gott setzt keine Vorbehalte, um an ihm zu glauben, er benutzt – neutestamentlich verbürgt – unseren klitzekleinen Senfkornglauben, um ihn von sich aus umzuwandeln in den Glauben, den ein jeder von uns braucht, um die Straße seines Lebens fröhlich ziehen zu können.
Das glaube ich, darauf vertraue ich.
Also: Alle ihr lieben Christen, Halb-Christen, Viertel-Christen, vermeintliche Gar-nicht-mehr-Christen, die ihr getauft seid auf den Namen Gottes, zieht die Straße eures Lebens fröhlich,
Besseres könnt ihr nicht tun. Und wenn ihr meint, ihr seid damit allein und einsam, denkt an den hohen Finanzminister aus Äthiopien. Er war ganz allein. Ganz allein im fernen afrikanischen Äthiopien, nahe am Äquator – und ich vertraue darauf: er zog die Straße seines Lebens weiter fröhlich, wie er Gott gefunden hatte.