Gnade sei mit uns und Frieden von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus
Amen.
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Handwerkerinnen und Handwerker,
1.
Die biblische Geschichte von der Stillung des großen Sturmes ist alles andere als gemütlich. Wer sich vorstellt das Leben der Jünger und der Christen gleicht einer idyllischen Kahnpartie im Abendsonnenschein mit leisem Wassergeplätscher und etwas irischem Segen wird enttäuscht werden. Martin Luther sagt über die Geschichte:
„So geht es, wenn Christus in das Schiff kommt. Dann wird es nicht lange still bleiben, es wird ein Wetter und Ungestüm kommen, die Sonne scheint nicht mehr und das Meer wütet und tobt.“ Das ist eine Wahrheit, die wir gern überhören: es ist uns eben nicht verheißen, dass es in unserem Leben immer ruhig bleibt und manchmal ist es der Glaube, der uns – wenn wir ihm folgen – in stürmische Wasser führt, also in Auseinandersetzungen und Konflikte. Es wird stürmisch werden: Aber im Sturm kommen wir nicht um: das ist die Zusage der Geschichte für alle Hörerinnen und Hörer.
2.
Und als der Wind bläst und der Kahn schwankt, da geht es sofort auch – wen wird es wundern – um das Thema Vertrauen. „Habt ihr kein Vertrauen?“ ist Jesu erste Frage an die verschreckten Jünger. In älteren Übersetzungen lautet die Frage: „Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam?“
So ist es eben: Vertrauen und Glauben oder Kleinglauben und Mangel an Vertrauen gehören ganz eng zusammen. „Glauben“ ist im Grunde immer ein Vertrauen. Luther nennt Glauben manchmal auch eine „verwegene Zuversicht“.
Jesus fragt also habt ihr kein Vertrauen? Ja, jetzt hätte er auch sagen können: Da seht ihr es. Das habt ihr nun von eurem Kleinglauben. Jetzt geht ihr unter mit dem Kahn.
Nein, so passiert es nicht. Der kleine Glaube der Jünger scheint auszureichen, um gerettet zu werden.
Aber: Ein kleiner Glaube ist besser als gar kein Glaube.
Immerhin, die Jünger kennen die Adresse, sie wissen, wen sie anrufen müssen, sie wissen, wenn sie schreien, wo sie sich hinwenden müssen. Und sie rufen eben nicht nur „Wir verderben!“ wie so viele rufen und klagen. Sondern sie rufen: „Herr hilf, wir verderben!“, das macht einen gewaltigen Unterschied, wenn man eine Adresse für seine Klage hat.
3.
Und hier wird gleich eine weitere Konsequenz deutlich: Vertrauen hat es mit persönlichen Beziehungen zu tun. Wem ich vertrauen soll, den will ich kennen, das macht es so viel leichter.
Im heutigen Leben müssen wir ganz oft anonym bleibenden Menschen vertrauen, von morgens bis abends: Wenn ich früh aufstehe und Zähneputzen will, muss ich den Mitarbeitern im Wasserwerk vertrauen, die ich nicht kenne. Wenn ich zur Arbeit fahre muss ich den anonym bleibenden Stellwerksleitern vertrauen, die die Weichen hoffentlich richtig stellen. Die Bäckermeisterin muss den unbekannten Lebensmittelkontrolleuren vertrauen. Und abends muss ich den Mitarbeitern der „heute-Redaktion“ vertrauen, dass sie mich offen und ehrlich informieren. Usw. usw. bis zum Schlafengehen.
Wie viel leichter ist es hingegen, jemanden zu vertrauen den ich kenne, der für mich ein Gesicht und einen Namen hat?
Merken Sie, liebe Handwerkerinnen und Handwerker, dass Sie da ein ganzes Stück weit privilegiert sind? Sie leben in einer Arbeitswelt, wo man sich kennen kann. Der Kunde hat für sie ein Gesicht. Das ist ein unschätzbarer Wert, ein ehrliches Kapital, das es zu nutzen gilt. Gerade in einer Gesellschaft, wo Vertrauen stetig durch Kontrolle ersetzt werden soll. Immer mehr gesetzliche Reglungen prasseln auf uns nieder mit dem Erfolg, dass es dann findige Sucher von Schlupflöchern im Gesetzesdschungel gibt. Und die rufen dann wieder die „Schlupflochstopfer“ auf den Plan. Es scheint ein unseliger Wettbewerb ausgebrochen zu sein zwischen den „Schlupflochsuchern“ und den Schlupflochstopfern“.
Das sollen wir nicht hinnehmen: Das Handwerk, „die Wirtschaftsmacht von nebenan“ – wie es sich so gern nennt - hat Kraft und Möglichkeiten in unserer Gesellschaft da andere Akzente zu setzen. Das Handwerk kann heute einen wichtigen Beitrag zur Kultur des Vertrauens in unserem Land leisten.
4.
Aber: bei politischen Forderungen kann es nicht bleiben: Unsere Kirche, unsere Pastoren in den Kirchengemeinden haben den Einzelnen im Blick. Sie sehen die Handwerkerin und den Handwerker, die sich mühen, die im Grunde ihres Herzens genau das wollen: Ehrbares Handwerk, wie toll wäre das!
Und die immer wieder die Erfahrung machen: es geht nicht: Manche stimmen etwas zynisch in das bekannte Lied „der Prinzen“ aus Sachsen ein: „Du musst ein Schwein sein in dieser Welt. Du musst gemein sein in dieser Welt“
Freilich, viele wollen das nicht und wünschen es sich im Grunde ihres Herzens anders. Sind die äußeren Zwänge zu mächtig?
Das ist eine alte Grundfrage, die auch in der biblischen Geschichte anklingt: Wie sehr fürchten wir die äußeren Mächte? In unserer Geschichte sind es Sturm und Wellen. Im modernen Leben sind es oft ganz andere Gewalten. Manchmal, etwa beim Hochwasser spüren wir noch die Kraft des Wetters. Meistens sind es aber Kräfte und Gewalten, die wir ebenso wenig beeinflussen können wie das Wetter: Den Kurs des Euro etwa, Vorschriften und Gesetze aus Brüssel oder Berlin, Zwänge bürokratische Hürden, die das Arbeiten erschweren. Der kleine Mann ist dem allen ausgeliefert wie auf einen schwankenden Kahn.
Wie schnell gewinnt dann der „Kleinglaube“ die Oberhand: Da kannst Du nichts machen. Da musst Du dich rein fügen. Da musst Du mit den Wölfen heulen usw. Sie kennen die vermeintlichen Gründe, die so unabweislich zu gelten scheinen.
Im Blick auf unsere biblische Geschichte sind das alles Sätze des Kleinglaubens, ja des Unglaubens. Christlicher Glaube tickt anders:
Der Glaube leitet dazu an, auch den eigenen Kleinglauben zu hinterfragen und sich nicht zu schnell abzufinden mit dem, wo man – angeblich – nichts machen kann. Der Glaube leitetan zum genauen Hinsehen. Wenn Sie das, liebe Handwerkerinnen und Handwerker, tun, aufmerksam und nüchtern, dann werden wir voller Staunen und Dankbarkeit feststellen dürfen: Es sind jetzt nicht die schlechtesten Zeiten für das Handwerk.
Vor allem aber gilt es, das dankbar wahrzunehmen. Die Dankbarkeit ist eine ganz wichtige Kraft und Quelle auch für widrige Zeiten.
Ich scheue mich das nicht zu sagen: Viele male am Tag kann ich gerne sagen „Gott sei Dank!“ Bei Aufstehen, beim Essen bei meiner Arbeit. Ich hoffe, davor bewahrt zu bleiben, das alles als selbstverständlich zu nehmen. Wer von Herzen dankbar ist, hat hoffentlich auch die Kraft diejenigen nicht zu übersehen, denen es nicht so gut geht, bei uns und in der weiten Welt.
Auch bei uns gibt es Handwerksbetriebe in Not und es gibt nicht wenige, die mit Sorgen in die Zukunft sehen, z.B. weil sie immer noch nicht wissen wie es weitergehen soll, weil keine Kinder da sind, die den Betrieb einmal übernehmen können oder wollen.
5.
Merken Sie das ein gutes Gottvertrauen nicht die schlechteste Grundlage für eine Kultur des Vertrauens in dieser Gesellschaft sein Kann?
Gott vertrauen kann zur Hilfe und Basis für das Leben, auch für das berufliche Leben werden.
Ich muss mich geborgen und getragen wissen, damit ich das Risiko des Vertrauens eingehen und auch unausweichlich folgende Enttäuschungen besser überwinden kann.
Am Ende, auch am Ende unserer Geschichte steht das Staunen:
„Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: „Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?“
Ihn sollen wir gut kennen. Er ist der Grund für unsere Hoffnung, für unseren Glauben und unsere Liebe, mit der wir anderen hoffentlich begegnen.
Wir müssen uns dieses Grundes immer wieder versichern, jede und jeder ganz für sich persönlich. Jeden Sonntag kannst Du kommen und dich durch Gottes Wort neu ausrichten lassen. Am Mittwoch hast du es vielleicht wieder vergessen, aber am nächsten Sonntag kannst Du ja wiederkommen.
Vertrauen will geradezu immer wieder neu eingeübt und trainiert werden.
Das Handwerk hat ja im Laufe der Jahrhunderte selbst Formen der Vergewisserung entwickelt: Freisprechungen und Meisterfeiern, Innungsfeste und Handwerkstage, bei Richtfesten und Einweihungen. Manchmal in Tracht und in zünftiger „Kluft“ und mit Schlapphüten, mit Fahnen und Symbolen und „Innungsladen“. Lassen Sie sich das nicht ausreden. Auch wenn das alles zunächst einmal äußerlich ist: Da kann von außen nach innen etwas wachsen und die äußeren Formen können nach innen Werte und Überzeugungen befestigen und neu gründen helfen.
Ich wünsche allen Handerkerinnen und Handwerkern die „verwegene Zuversicht“ des Glaubens.
Damit wir darin nicht müde werden, dafür steht die kurze Bitte „Gott schütze das ehrbare Handwerk!“
Amen.