Von der Herrlichkeit des Palmsonntags und der Herrlichkeit der Auferstehung - Predigt zu Joh 17,1-8 von Andreas Pawlas
17,1-8

Von der Herrlichkeit des Palmsonntags und der Herrlichkeit der Auferstehung - Predigt zu Joh 17,1-8 von Andreas Pawlas

Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche; so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben. Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.

 

Liebe Gemeinde!

Wie wir vorhin im Evangelium gehört haben, ist das Thema des Palmsonntags der Einzug Jesu in Jerusalem. Und solche Einzüge kennen wir doch. Ja, wir wissen doch wie das ist, wenn große Stars, Helden, Politiker in eine Stadt einziehen! Da gibt es Trompeten- und Fanfarengeschmetter, mit Eskorte vorweg und hinterher. Dann folgt üblicherweise der Empfang beim Bürgermeister, mit Übergabe des Schlüssels der Stadt, mit Volkstanz und Besichtigung der wichtigsten Baudenkmäler und Fabriken. So etwas ist eben ein großes Fest, bei dem die Menge jubelt, hin und her wogt und der Hauptperson entgegen zieht. Ob sich Putin vorgestellt hat, so in Kiew empfangen zu werden?

Aber nun zurück von den aktuellen schlimmen, vom Krieg geprägten Ereignissen in das damalige Jerusalem, das in gewisser Weise ähnlich vom Krieg geprägt war. Wie wir im Evangelium gehört hatten, nimmt nun die Volksmenge, da sie keinen roten Teppich zum Ausrollen vorrätig hat, stattdessen Palmzweige, breitet ihre Kleider auf den Weg und ruft: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!“ Ja, so lässt sie den großen Wundertäter hochleben, den viel gerühmten Wundertäter, der doch Lazarus von den Toten auferweckt hatte.

Jedem Politiker muss es jetzt sofort in die Augen springen, was dieser Einzug Jesu in Jerusalem für eine Chance ist, die Massen zu formen und zu beeinflussen. Und ich glaube, die Pharisäer und Führer des Alten Gottesvolkes, die sehen es genau so: Denn wenn Jesus jetzt in diesem so günstigen Augenblick das richtige zündende Wort sagen würde, wenn er jetzt die Zügel fest in die Hand nehmen würde, die Massen jetzt richtig lenken würde, dann hätte er alle Macht über sie! Dann müssten nicht mehr die Waffen sprechen. Und was für Hoffnungen und Sehnsüchte könnten so endlich erfüllt werden! Wieviel Gutes und Notwendiges, könnte so endlich erreicht werden! Gutes und Notwendiges, das diese gequälte und geschundene Welt mit einem Schlage verbessern würde. Und wer sonst, wenn nicht der Christus, der Gesalbte, der Messias, könnte und müßte doch hier endlich alles besser machen! Und außerdem wäre doch dabei von ihm als göttlichem Menschen kein Missbrauch zu befürchten. Ja, was für eine Chance!

Jedoch, ganz genau aus dieser turbulenten Palmsonntagsszene, wie sie nun einmal zum Sonntag vor Ostern damals wie heute gehört, zieht uns heute unser Predigttext sanft aber bestimmt heraus. Warum denn das? Doch, um uns um so konzentrierter auf das Osterfest vorzubereiten. Aus allem diesem Trubel nimmt er uns heute mit zu diesem besinnlichen Abschnitt aus dem Johannesevangelium, der traditionell als „Abschiedsreden“ Jesu bezeichnet wurde.
Was für ein Kontrast! Denn da schallt uns nicht lauthals die Verkündigung eines umwerfenden politischen Programms entgegen, wie es zu einem triumphal nach Jerusalem einziehenden Messias gehören würde, sondern wir dürfen jetzt Zeuge eines persönlichen Gebets werden, eines Gebets, in dem Jesus Zwiesprache hält mit seinem und unserem Vater im Himmel.

Und so merkwürdig das ist, trotzdem geht es dabei in Vorbereitung auf das Osterfest genau um das Thema des Einzugs in Jerusalem, nämlich um Verherrlichung und Macht. Aber das in einem Gebet? So macht man das doch nicht! Seit Urzeiten macht man das so nicht! Denn wir haben doch alle vor Augen, wie die Mächtigen der heutigen Zeit sich aus gutem Grund mit Paraden und Konfetti und am besten noch Freibier verherrlichen und ihre Macht feiern lassen.
Aber halt! Wenn es nun um eine solche menschliche Verherrlichung und Macht eben am Palmsonntag nicht gehen soll und es auch zu Ostern nicht gehen soll, worum es geht dann? Es geht um Verherrlichung und Macht von Gott und vor Gott! Es geht dabei um ewiges Leben! Ja, das ewige Leben!
Jedoch: Wie sollte so etwas Unbegreifliches wie ewiges Leben uns normalen Menschen verständlich sein und angehen? Wie sollten wir denn einen Sinn dafür haben, da doch einfach alles an uns vergänglich ist? Wie sollten wir als elend sterbliche Menschen so etwas Unsterbliches vernehmen und für uns annehmen können – zumal es offenbar nicht mit großem Getöse, sondern in der Stille des Gebetes zum Ausdruck kommt?

Aber ehe uns diese Unbegreiflichkeit des ewigen Lebens völlig sprachlos macht, lasst es uns mit einer negativen Abgrenzung versuchen: Sind wir uns nicht einig darüber, dass ewiges Leben auf keinen Fall das ausmachen dürfte, was in vielen Völkern von ihm geglaubt wird, nämlich dass es so eine Art Schlaraffenland sei oder eine Art Austobe-Wiese für Machos. Nein, wir hören in unserem Predigttext nichts davon, dass ewiges Leben etwa mit gebratenen Tauben zu tun hat, die einem in den Mund fliegen – aber doch mit wahrer Gotteserkenntnis. Denn so bekräftigt unser Predigttext: Der ist in das ewige Leben hineingenommen, wer den wahren Gott erkennt und den von ihm gesandten Jesus Christus.

Wohlgemerkt, nichts gegen große feierliche Prozessionen, aber heute ist der entscheidende Ort dieser Erkenntnis die Besinnung im Gebet, ist heute, sich dem Wort Gottes in der Stille zu öffnen, und sodann, die Liebe Gottes als Nächstenliebe weiterzugeben. Der entscheidende Ort dieser Erkenntnis ist heute die ganz persönliche Ergriffenheit von der Ewigkeit Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes, der dadurch verherrlicht wird.

Allerdings ist meist für uns normale Menschen und in unserem Alltag eine solche Berührung mit der Ewigkeit nur bestenfalls dunkel erahnbar. Jedoch, was ist es da für ein großes Geschenk, dass wir uns in jedem Osterfest wieder die Überwindung der Vergänglichkeit des Todes durch das ewige Leben, durch die Auferstehung Jesu Christi vergegenwärtigen dürfen. Was ist es da für ein großes Geschenk, dass wir uns in jedem Osterfest wieder einüben dürfen in diese unserem Alltag so fremde Dimension. Dass wir uns dadurch hineinnehmen lassen dürfen in die Gewissheit, dass die Macht und Herrlichkeit Gottes etwas ganz anderes ist als prachtvoll repräsentative Einmärsche mit Würstchen und Kartoffelsalat und Freibier.

Allerdings bringt Ewigkeit, wie sie zur Macht und Herrlichkeit Gottes gehört, noch eine ganz andere und einfach unfassbare Dimensionen mit sich: Denn Ewigkeit will sich nicht nur auf die beschränkten Ebenen unseres persönlichen Bewusstseins erstrecken, sondern existierte schon in aller Herrlichkeit, ehe die Welt war.
Ja, in der Berührung mit dem Ewigen wird alles Begrenzte dieser Welt durchbrochen, alle Einschränkungen gelöst, alle Verkürzungen werden ausgeglichen, alles Unerfüllte erfüllt. Und das wirklich Unfassbare dabei ist, dass wir als Glaubende uns in genau diese Ewigkeit eingezeichnet wissen dürfen. Unbegreiflich, aber doch wunderbar! Und wie kann das Paul Gerhardt in seinem anrührenden Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier“ so schön ausdrücken:

„Da ich noch nicht geboren war,
da bist du mir geboren
und hast mich dir zu eigen gar,
eh ich dich kannt, erkoren.
Eh ich durch deine Hand gemacht,
da hast du schon bei dir bedacht,
wie du mein wolltest werden.“

Ja, daran dürfen wir glauben und unser Leben danach ausrichten, dass genau Du und ich diejenigen Menschen sind, die unser Gott diesem Jesus Christus aus der Welt gegeben hat, so, wie es in unserem Bibelwort heißt.

Wohl dem, der das wirklich fassen kann! Wohl dem, der darüber staunen kann! Wohl dem, den das völlig erfüllen kann! Was sollte der noch in diesem Leben brauchen?

Aber, was heißt das denn jetzt für unser widerspenstiges Alltagsleben, in dem Vieles so ganz anders ist als wir es uns vorstellen? In der es Krieg, Flucht und Vertreibung gibt, aber auch den so wichtigen Waffendienst zum Schutz des Nächsten? Sollten wir jetzt etwa dieser Welt völlig entrückt sein? Sollte uns jetzt die Not und alles Versagen auf dieser Welt nichts mehr anhaben können? Sollten wir z.B. jetzt nicht mehr zur Hilfe für Menschen in Not gefordert sein oder nicht mehr krank werden, also jetzt richtig unverletzlich sein?

Natürlich hat sich das die Menschheit schon immer gewünscht. Und vielleicht wäre es sogar ungesund sich so etwas nicht zu wünschen. Aber eigentlich wissen wir alle genau, dass das ziemlich unrealistisch ist. Nein, solange wir auf dieser Welt leben, wird uns Not, Versagen und Schuld auf dieser Welt anrühren.

Aber was heißt das wiederum für uns? Heißt das, dass wir uns mit allem Reden über Ewigkeit und die Macht und Herrlichkeit Gottes letztlich nur irgendetwas selbst vormachen? Immerhin wissen wir, dass es genügend kluge Leute auf dieser Welt gibt, die genau das von der Christenheit behaupten.

Was wir dem entgegen zu halten haben? Doch allein Christus! Denn auch Jesus Christus hat sich von den Nöten dieser Welt nicht abgehoben entzogen, sondern sich von ihnen anrühren lassen! Obwohl er aus aller Ewigkeit gekommen ist und zu Gottes Ewigkeit gehört, ist Christus doch allem Leid und allem Übel auf dieser Welt nicht ausgewichen in die Herrlichkeit des himmlischen Vaters, aus der er kam. Nein, er hat sogar scheinbar alles Übel auf dieser Welt übermächtig werden lassen und sich ans Kreuz schlagen lassen und ist dort den Tod eines Menschen gestorben.
Und auch mit genau diesem Tod wollten ihn doch die damaligen Mächtigen als billigen Scharlatan entzaubern, ihn auf dem sogenannten „Boden der Tatsachen“ zerschmettern. So wollten sie das von ihm verkündete Reich Gottes als Traumtänzerei entlarven.

Und warum ist ihnen das nicht gelungen? Doch weil Christus auferstanden ist! Weil er eben in diese Ewigkeit aufgenommen wurde, aus der er kam und in der er ist. Und weil dann Menschen angerührt wurden von dieser Ewigkeit. Und weil dann Menschen etwas von Gottes ewigem Wesen erfahren durften. Ja, auch in Not, Versagen und Schuld dieser Welt durften sie sich gewiss werden, dass Gottes Güte und Barmherzigkeit größer sind als alles Schlimme dieser Welt. So haben sie Gott als wahren Gott erkannt. Und so haben sie Christus als den von ihm gesandten Sohn erkannt.

Auch wenn schlimmste Schmerzen einem die Besinnung rauben wollen und selbst wenn man keine Tränen mehr hat: Wer so zu glauben wagt, den beginnt schon Gottes Macht und Herrlichkeit zu umfangen. Was will sich da alles eröffnen in dem Gebet, das sich darauf verlässt! Und was für ein Trost auch für den, der in den Augen der Welt zerbrochen ist, der in Leid und Elend untergegangen ist: Nein, wer so glauben kann, der darf sich mit Leib und Seele gewiss sein, dass er zu den Menschen gehört, die Gott der Vater dem Sohn aus der Welt gegeben hat. Und genau in dem Staunen darüber, genau in dem Weinen darüber, genau in dem Jubeln darüber: Dadurch wird Christus verherrlicht, und dadurch wird Gott der Vater verherrlicht. Denn dadurch wird Gottes Wort und Verheißung erkannt und bewahrt!

Nicht im Rummel eines Volksfestes, sondern in der Öffnung der Herzen im Gebet will und darf sich Ewigkeit ereignen, will und darf somit österliche Auferstehung bereits am Palmsonntag beginnen. Und so Gott, Vater, Sohn und Hl. Geist verherrlicht werden. Gott sei Dank! Amen.

Vier Fragen zur Predigtvorbereitung an Pastor i.R. Dr. Andreas Pawlas: 

1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Es ist eine Vorstadt-Gemeinde versammelt, Alt und Jung sind beieinander. Kinder sind zuerst beim Gottesdienst dabei, dann aber kommt nach dem Evangelium der Auszug der Kinder zum parallelen Kindergottesdienst.

2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Die Dimension der Ewigkeit im aufrichtigen Gebet.

3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
In Gebetsgewissheit in die unterschiedlichen Gestalten der Wirklichkeit schauen und dort das ewige göttliche Wirken erhoffen, erbitten, aber auch dankbar entdecken.

4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
Ich habe gern die Anregung des Predigtcoaches zur anfänglichen Konzentration auf das Palmsonntagsgeschehen wahrgenommen.

Perikope
Datum 10.04.2022
Bibelbuch: Johannes
Kapitel / Verse: 17,1-8