"Vorwärts leben - rückwärts verstehen", Predigt zu Jeremia 9, 22-23 von Thomas Volk
9,22
„Hinterher weiß man es besser“, liebe Gemeinde!
Es muss dabei nicht so weit kommen wie bei der älteren Dame, die einen alten Teppich auf dem Speicher fand und ihn in einem Auktionshaus schätzen lies. Der Auktionator schätzte das Stück auf 900 Euro. Später brachte er bei einer Auktion in Augsburg knapp 20 000 Euro ein. Bei einer erneuten Versteigerung im Londoner Auktionshaus Christie´s erzielte der Läufer dann umgerechnet die Rekordsumme von 7,2 Millionen Euro. Daraufhin war die Teppicherbin verärgert und verklagte das Augsburger Auktionshaus. Ohne Erfolg.
Auch in alltäglichen Dingen ist man hinterher schlauer: Wenn sich das Schnäppchen im Internet als eine Mogelpackung herausstellt, von der man besser die Hände gelassen hätte. Wenn man auf Facebook diesen einen Satz zu viel geschrieben hat. Oder wenn man die Schmerzen im Fuß unterschätzt hat und der Heilungsprozess sich ewig hinzieht.
Es wäre schön, wenn man es „jetzt“ schon wüsste. Wie man sich in diesem einen Moment verhalten könnte, damit alles im Gleichgewicht bleibt. Ob man an dieser Stelle seine Meinung unbedingt einbringen oder besser schweigen sollte. Oder wie diese komplizierte Gebrauchsanweisung richtig zu verstehen ist.
Die Personen, die viele Jahre später die Worte des Propheten Jeremia zu einer Schriftrolle zusammengestellt und auf sein Leben und seine Zeit zurückgeschaut haben, wussten es hinterher auch besser. Sie haben im Nachhinein auf die große Katastrophe zurückgeschaut, die die Stadt Jerusalem und das ganze Land getroffen haben. Sie haben noch die schlimmen Ereignisse vor Augen, wie die Stadt geplündert, der Tempel zerstört, die Oberschicht verschleppt worden ist. Sie kennen Geschichten, wie ganze Familien auseinandergerissen, wie Hoffnungen auf eine frohe Zukunft verschüttet und wie großes Vertrauen in das Leben untergegangen sind. Und sie haben auch versucht, Antworten auf die Frage zu finden, wie man dies alles mit dem Glauben an Gott in Verbindung bringen kann.
Wenn man selbst mittendrin ist, kann man vieles noch nicht wissen, sondern höchstens fragen, wann der Himmel wieder aufgeht.
Der Prophet Jeremia ist auch mittendrin gewesen, als er diese Worte an die Bewohner von Jerusalem gesprochen hat:
„So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR“ (Jeremia 9,22-23).
Jeremia hat auf der einen Seite geahnt, dass da etwas Gewaltiges auf ihn und die Stadt zurollt, das man nicht mehr stoppen kann. Das Land ist längst zu einem Spielball der umliegenden Großmächte geworden. Jede Form von Überheblichkeit könnte das Ende der politischen Eigenständigkeit bedeuten
Auf der anderen Seite hat er gehofft, dass den Menschen endlich die Augen aufgehen. Sie müssten es doch längst wissen: Es ist jetzt nicht mehr die Zeit, in der man sich brüsten kann, wie schlau man doch ist und wie gut man bislang alles hinbekommen hat. Es ist nicht der Augenblick um lauthals zu verkünden, wie stark man doch ist und wie spielend man doch bisher alles geschafft hat. Und es ist auch nicht der Moment auf seinen Reichtum zu pochen und auf seine Beziehungen zu vertrauen, die bisher immer geholfen haben.
Wenn jetzt überhaupt die Zeit ist, sich mit etwas zu brüsten, dann - so Jeremia - mit Gott. „Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne“ (V.23a).
Kennen ist noch einmal mehr als wissen. Vielleicht wissen Sie den Namen von der Person, die heute Morgen neben, vor oder hinter Ihnen im Gottesdienst sitzt. Aber kennen ist noch einmal etwas anderes.
Jemanden kennen bedeutet noch mehr: Begreifen, was einen Menschen ausmacht. Verstehen, warum jemand so reagiert. Aufzählen können, was einen einzigartig macht. Nachvollziehen, was ihm heimlich zu schaffen macht oder worüber sie immer noch nicht hinweg gekommen ist.
Und Gott zu kennen ist auch etwas anderes, als nur zu wissen, dass es ihn gibt. Jeremia ist sich sicher, Gott so gut zu kennen, dass er auch in Zeiten, die sich niemand ausgesucht hat, da ist und verlässlich da bleibt. Es ist sein großes Anliegen, dass die Menschen dies von Gott erwarten können, sich nicht wieder eigenmächtig verrennen und dann jammern, wie es nur dazu kommen konnte.
Es ist Jeremia wichtig, dass man Gott gerade jetzt kennt. Wo man mittendrin ist und nicht weiß, wie diese eine Sache ausgeht. Wenn man die sicheren Gewässer schon längst verlassen hat und kurz vor einem Zusammenprall steht, bei dem man ganz schön ins Kippen kommen kann. Und wo man alles verspielen oder vielleicht nochmal mit einem blauen Auge davon kommen kann.
Aber Jeremia kennt auch die Menschen seiner Zeit. Die politisch Verantwortlichen, die lieber auf die eigene militärische Stärke oder auf aberwitzige Bündnisse gegen damalige Weltmächte setzen. Er kennt die religiösen Führenden, die das Land und die Menschen in Sicherheit wiegen und beschwichtigen und sagen: „Es wird alles gut bleiben.“ Und er kennt das Königshaus, das lieber mit seinem Partymanager den nächsten Event vorbereitet, als sich um soziale Gerechtigkeit zu kümmern.
Ich kann mir nur annähernd vorstellen, wie schwer es für Jeremia gewesen sein muss, seine Mitmenschen zu überzeugen. Er ist einer der wenigen seiner Zeit gewesen, die diese große Katastrophe haben kommen sehen, die die Stadt Jerusalem und das ganze Land dann auch tatsächlich überrollt haben. Und er hat sich wie kaum ein anderer gefragt: „Was kann man von Gott noch erhoffen, wenn man das Gefühl hat, dass etwas auf einen zukommt, was man nicht mehr in der Hand hat. Was kann man von Gott erwarten, wenn man sich wie in einem falschen Film vorkommt und meint, man müsste doch jetzt endlich aufwachen und alles wäre nur ein seltsamer Traum gewesen.
Wie gut kann man Gott überhaupt kennen? Worin können wir bei ihm ganz sicher sein, vor allem dann, wenn wir merken, dass unsere Wünsche und die tatsächliche Wirklichkeit weit auseinanderklaffen?
Die Personen, die all die Worte des Propheten Jeremia später zusammengestellt und in Fassung gebracht haben, haben Gott so gut gekannt, dass sie diese Worte im Nachhinein in das Buch hinzugefügt haben: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jeremia 29,11).
Sie sind sich ganz sicher gewesen. In allen Ereignisse, die wir uns nicht ausgesucht haben, durch alle Begebenheiten hindurch, die uns wie eine große oder kleine Katastrophe erscheinen, ist Gott da und weicht nicht von unserer Seite. Er trägt mit. Er hält mit aus. Er hofft und bangt mit. Er gibt Kraft zum Aushalten und schenkt Mut, es ganz anders zu probieren.
Oft weiß man das erst hinter. Oft kann man erst im Nachhinein sagen: „Ich bin nicht alleine gewesen. Ich habe Gott an meiner Seite gespürt. Wie ich das nur geschafft habe. Nein, nicht ich alleine. Mit Gottes Hilfe bin ich da durchgekommen. Kaum zu glauben, dass ich wieder nach vorne sehen kann. Vielleicht anders, als ursprünglich gedacht. Und ich kann wieder hoffen. Vielleicht nicht mehr so überschwänglich wie bisher. Aber dennoch spüre ich Boden unter den Füßen. Und vor allem: Ich habe Gott wieder ein Stück weit näher kennengelernt als einen, der „Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden“ (V.23).
Aber wir leben nicht im Nachhinein. Wir leben jetzt. Und hier. An dem Ort, an dem wir gerade sind. Unter diesen Gegebenheiten, die wir uns nicht immer ausgesucht haben. Und das Leben ist nicht immer ein Wunschkonzert, in dem wir alles, was uns nicht gefällt, wegklicken können.
Ich entnehme den Worten des Propheten Jeremia, der aus einer ganz anderen und für mich völlig fremden Zeit kommt, dass Gott da ist, wenn es darauf ankommt. Er lässt die Menschen nicht im Stich. Vor allem dann, wenn ich mit meinem Wissen am Ende bin. Wenn ich merke, dass ich mit meinen eigenen Kräften da nicht mehr rauskomme. Oder wenn ich an einen Punkt komme, wo auch meine ganzen Absicherungen mir nichts mehr nützen. Dann ist Gott da. An meiner Seite.
Der Wochenspruch für diese Woche sagt es so: „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit“ (Dan.9,18). Eine schöne Ergänzung zu den knappen Worten des Propheten Jeremia. Darauf vertrauen dürfen, dass an unserer Seite bleibt, wenn wir mittendrin sind. Mit seiner Barmherzigkeit. Mit Aussichten auf „Zukunft und Hoffnung“, auch wenn ich diese im Moment für mich noch nicht ausmachen kann.
„Das Leben wird immer vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“ (Selma Lagerlöf).
Wir bekommen keine Garantie, dass wir immer nur auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Wie wir auch andererseits keinen Sparkommissar vor die Nase gesetzt bekommen wollen, der uns gängelt und vorschreibt, was wir zu tun und was zu unterlassen hätten.
Wir können wohl immer erst im Nachhinein her ein Gesamtbild von Gott zusammenstellen, wie die Personen, die das Buch Jeremia zusammengestellt und auf das bewegte Leben des Propheten und die große Katastrophe geblickt haben. Erst in der Rückschau lässt sich aus Bildern und Einzelgeschichten ein Ganzes erstellen. Dazu soll dann auch die Erfahrung gehören, dass Gott an den entscheidenden Eckpunkten da gewesen, an unserer Seite geblieben und alles, was uns zu schaffen machte, mitgetragen hat.
Und jetzt, wenn wir wieder einmal mittendrin sind, soll uns diese Zuversicht nicht ausgehen, die der Wochenpsalm in einem Vers so umschreibt: „Groß ist deine Güte, Herr! Du hältst sie bereit für die Menschen, die dich ernst nehmen. Vor aller Augen zeigst du sie denen, die bei dir Zuflucht suchen (Psalm 31,20 nach der Übersetzung „Hoffnung für Alle“).
Und die Gegenwart Gottes, die höher und tiefer und näher ist als alles menschliche Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Es muss dabei nicht so weit kommen wie bei der älteren Dame, die einen alten Teppich auf dem Speicher fand und ihn in einem Auktionshaus schätzen lies. Der Auktionator schätzte das Stück auf 900 Euro. Später brachte er bei einer Auktion in Augsburg knapp 20 000 Euro ein. Bei einer erneuten Versteigerung im Londoner Auktionshaus Christie´s erzielte der Läufer dann umgerechnet die Rekordsumme von 7,2 Millionen Euro. Daraufhin war die Teppicherbin verärgert und verklagte das Augsburger Auktionshaus. Ohne Erfolg.
Auch in alltäglichen Dingen ist man hinterher schlauer: Wenn sich das Schnäppchen im Internet als eine Mogelpackung herausstellt, von der man besser die Hände gelassen hätte. Wenn man auf Facebook diesen einen Satz zu viel geschrieben hat. Oder wenn man die Schmerzen im Fuß unterschätzt hat und der Heilungsprozess sich ewig hinzieht.
Es wäre schön, wenn man es „jetzt“ schon wüsste. Wie man sich in diesem einen Moment verhalten könnte, damit alles im Gleichgewicht bleibt. Ob man an dieser Stelle seine Meinung unbedingt einbringen oder besser schweigen sollte. Oder wie diese komplizierte Gebrauchsanweisung richtig zu verstehen ist.
Die Personen, die viele Jahre später die Worte des Propheten Jeremia zu einer Schriftrolle zusammengestellt und auf sein Leben und seine Zeit zurückgeschaut haben, wussten es hinterher auch besser. Sie haben im Nachhinein auf die große Katastrophe zurückgeschaut, die die Stadt Jerusalem und das ganze Land getroffen haben. Sie haben noch die schlimmen Ereignisse vor Augen, wie die Stadt geplündert, der Tempel zerstört, die Oberschicht verschleppt worden ist. Sie kennen Geschichten, wie ganze Familien auseinandergerissen, wie Hoffnungen auf eine frohe Zukunft verschüttet und wie großes Vertrauen in das Leben untergegangen sind. Und sie haben auch versucht, Antworten auf die Frage zu finden, wie man dies alles mit dem Glauben an Gott in Verbindung bringen kann.
Wenn man selbst mittendrin ist, kann man vieles noch nicht wissen, sondern höchstens fragen, wann der Himmel wieder aufgeht.
Der Prophet Jeremia ist auch mittendrin gewesen, als er diese Worte an die Bewohner von Jerusalem gesprochen hat:
„So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR“ (Jeremia 9,22-23).
Jeremia hat auf der einen Seite geahnt, dass da etwas Gewaltiges auf ihn und die Stadt zurollt, das man nicht mehr stoppen kann. Das Land ist längst zu einem Spielball der umliegenden Großmächte geworden. Jede Form von Überheblichkeit könnte das Ende der politischen Eigenständigkeit bedeuten
Auf der anderen Seite hat er gehofft, dass den Menschen endlich die Augen aufgehen. Sie müssten es doch längst wissen: Es ist jetzt nicht mehr die Zeit, in der man sich brüsten kann, wie schlau man doch ist und wie gut man bislang alles hinbekommen hat. Es ist nicht der Augenblick um lauthals zu verkünden, wie stark man doch ist und wie spielend man doch bisher alles geschafft hat. Und es ist auch nicht der Moment auf seinen Reichtum zu pochen und auf seine Beziehungen zu vertrauen, die bisher immer geholfen haben.
Wenn jetzt überhaupt die Zeit ist, sich mit etwas zu brüsten, dann - so Jeremia - mit Gott. „Wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne“ (V.23a).
Kennen ist noch einmal mehr als wissen. Vielleicht wissen Sie den Namen von der Person, die heute Morgen neben, vor oder hinter Ihnen im Gottesdienst sitzt. Aber kennen ist noch einmal etwas anderes.
Jemanden kennen bedeutet noch mehr: Begreifen, was einen Menschen ausmacht. Verstehen, warum jemand so reagiert. Aufzählen können, was einen einzigartig macht. Nachvollziehen, was ihm heimlich zu schaffen macht oder worüber sie immer noch nicht hinweg gekommen ist.
Und Gott zu kennen ist auch etwas anderes, als nur zu wissen, dass es ihn gibt. Jeremia ist sich sicher, Gott so gut zu kennen, dass er auch in Zeiten, die sich niemand ausgesucht hat, da ist und verlässlich da bleibt. Es ist sein großes Anliegen, dass die Menschen dies von Gott erwarten können, sich nicht wieder eigenmächtig verrennen und dann jammern, wie es nur dazu kommen konnte.
Es ist Jeremia wichtig, dass man Gott gerade jetzt kennt. Wo man mittendrin ist und nicht weiß, wie diese eine Sache ausgeht. Wenn man die sicheren Gewässer schon längst verlassen hat und kurz vor einem Zusammenprall steht, bei dem man ganz schön ins Kippen kommen kann. Und wo man alles verspielen oder vielleicht nochmal mit einem blauen Auge davon kommen kann.
Aber Jeremia kennt auch die Menschen seiner Zeit. Die politisch Verantwortlichen, die lieber auf die eigene militärische Stärke oder auf aberwitzige Bündnisse gegen damalige Weltmächte setzen. Er kennt die religiösen Führenden, die das Land und die Menschen in Sicherheit wiegen und beschwichtigen und sagen: „Es wird alles gut bleiben.“ Und er kennt das Königshaus, das lieber mit seinem Partymanager den nächsten Event vorbereitet, als sich um soziale Gerechtigkeit zu kümmern.
Ich kann mir nur annähernd vorstellen, wie schwer es für Jeremia gewesen sein muss, seine Mitmenschen zu überzeugen. Er ist einer der wenigen seiner Zeit gewesen, die diese große Katastrophe haben kommen sehen, die die Stadt Jerusalem und das ganze Land dann auch tatsächlich überrollt haben. Und er hat sich wie kaum ein anderer gefragt: „Was kann man von Gott noch erhoffen, wenn man das Gefühl hat, dass etwas auf einen zukommt, was man nicht mehr in der Hand hat. Was kann man von Gott erwarten, wenn man sich wie in einem falschen Film vorkommt und meint, man müsste doch jetzt endlich aufwachen und alles wäre nur ein seltsamer Traum gewesen.
Wie gut kann man Gott überhaupt kennen? Worin können wir bei ihm ganz sicher sein, vor allem dann, wenn wir merken, dass unsere Wünsche und die tatsächliche Wirklichkeit weit auseinanderklaffen?
Die Personen, die all die Worte des Propheten Jeremia später zusammengestellt und in Fassung gebracht haben, haben Gott so gut gekannt, dass sie diese Worte im Nachhinein in das Buch hinzugefügt haben: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung“ (Jeremia 29,11).
Sie sind sich ganz sicher gewesen. In allen Ereignisse, die wir uns nicht ausgesucht haben, durch alle Begebenheiten hindurch, die uns wie eine große oder kleine Katastrophe erscheinen, ist Gott da und weicht nicht von unserer Seite. Er trägt mit. Er hält mit aus. Er hofft und bangt mit. Er gibt Kraft zum Aushalten und schenkt Mut, es ganz anders zu probieren.
Oft weiß man das erst hinter. Oft kann man erst im Nachhinein sagen: „Ich bin nicht alleine gewesen. Ich habe Gott an meiner Seite gespürt. Wie ich das nur geschafft habe. Nein, nicht ich alleine. Mit Gottes Hilfe bin ich da durchgekommen. Kaum zu glauben, dass ich wieder nach vorne sehen kann. Vielleicht anders, als ursprünglich gedacht. Und ich kann wieder hoffen. Vielleicht nicht mehr so überschwänglich wie bisher. Aber dennoch spüre ich Boden unter den Füßen. Und vor allem: Ich habe Gott wieder ein Stück weit näher kennengelernt als einen, der „Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden“ (V.23).
Aber wir leben nicht im Nachhinein. Wir leben jetzt. Und hier. An dem Ort, an dem wir gerade sind. Unter diesen Gegebenheiten, die wir uns nicht immer ausgesucht haben. Und das Leben ist nicht immer ein Wunschkonzert, in dem wir alles, was uns nicht gefällt, wegklicken können.
Ich entnehme den Worten des Propheten Jeremia, der aus einer ganz anderen und für mich völlig fremden Zeit kommt, dass Gott da ist, wenn es darauf ankommt. Er lässt die Menschen nicht im Stich. Vor allem dann, wenn ich mit meinem Wissen am Ende bin. Wenn ich merke, dass ich mit meinen eigenen Kräften da nicht mehr rauskomme. Oder wenn ich an einen Punkt komme, wo auch meine ganzen Absicherungen mir nichts mehr nützen. Dann ist Gott da. An meiner Seite.
Der Wochenspruch für diese Woche sagt es so: „Wir liegen vor dir mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit“ (Dan.9,18). Eine schöne Ergänzung zu den knappen Worten des Propheten Jeremia. Darauf vertrauen dürfen, dass an unserer Seite bleibt, wenn wir mittendrin sind. Mit seiner Barmherzigkeit. Mit Aussichten auf „Zukunft und Hoffnung“, auch wenn ich diese im Moment für mich noch nicht ausmachen kann.
„Das Leben wird immer vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“ (Selma Lagerlöf).
Wir bekommen keine Garantie, dass wir immer nur auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Wie wir auch andererseits keinen Sparkommissar vor die Nase gesetzt bekommen wollen, der uns gängelt und vorschreibt, was wir zu tun und was zu unterlassen hätten.
Wir können wohl immer erst im Nachhinein her ein Gesamtbild von Gott zusammenstellen, wie die Personen, die das Buch Jeremia zusammengestellt und auf das bewegte Leben des Propheten und die große Katastrophe geblickt haben. Erst in der Rückschau lässt sich aus Bildern und Einzelgeschichten ein Ganzes erstellen. Dazu soll dann auch die Erfahrung gehören, dass Gott an den entscheidenden Eckpunkten da gewesen, an unserer Seite geblieben und alles, was uns zu schaffen machte, mitgetragen hat.
Und jetzt, wenn wir wieder einmal mittendrin sind, soll uns diese Zuversicht nicht ausgehen, die der Wochenpsalm in einem Vers so umschreibt: „Groß ist deine Güte, Herr! Du hältst sie bereit für die Menschen, die dich ernst nehmen. Vor aller Augen zeigst du sie denen, die bei dir Zuflucht suchen (Psalm 31,20 nach der Übersetzung „Hoffnung für Alle“).
Und die Gegenwart Gottes, die höher und tiefer und näher ist als alles menschliche Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Perikope