(Hinweis: Liturgie zum Gottesdienst: s. unten "Downloads")
Was brauchst du wirklich!?
Liebe Gemeinde!
I Warum werde ich nicht satt?
An unserem Supermarkt hing lange Zeit ein Plakat. Von weitem sichtbar ist das Wort Krisenherd darauf zu lesen. Eine erloschene Feuerstelle und ein angerosteter Topf mit einem bisschen Wasser sind zu sehen. Wenn ich es betrachte, weiß ich sofort: Davon wird man nicht satt. Daraus wird keine Suppe mehr, nicht mal ne dünne. Mein schlechtes Gewissen überkommt mich. Was kann ich dagegen tun? Brot für die Welt klopft an.
Im Netz stoße ich auf ein ziemlich neues Lied der Gruppe „Die Toten Hosen“:
Das Lied trägt den Titel: Warum werde ich nicht satt!?
Jeden Sonntag zähle ich mein Geld, und es tut mir wirklich gut,
zu wissen wieviel ich wert bin, und ich bin grad hoch im Kurs.
Ich hatte mehr Glück als die meisten, habe immer fett gelebt.
Und wenn ich wirklich etwas wollte, hab' ich's auch gekriegt!
Warum werde ich nicht satt? (Warum werden wir nicht satt!?)
Campino beschreibt die Not eines Menschen, der – sagen wir es mal ehrlich – ein Luxusproblem hat. Zumindest auf den ersten Blick. Denn dieser Mensch hat eine Villa, 2 Autos, jede Menge Parties und und und. Trotzdem wird er nicht satt. Warum verrät er uns nicht – er stellt es nur fest…
Versuchen wir uns dieser Frage zu stellen. Warum werden Menschen nicht satt und was bewirkt das Gefühl, nicht satt zu werden?
II Wüste
Schauen wir dazu in die Bibel. Wir befinden uns irgendwo auf der Sinaihalbinsel. Das Rote Meer, wir haben eben davon gesungen, haben sie hinter sich. Das Meerwunder liegt Wochen, vielleicht sogar Monate zurück. Der Jubel und der Tanz der Miriam sind verstummt. Doch immer wieder erleben sie die kleinen Wunder des Alltags: Trinken dürfen sie in der Oase von Elim bei den 70 Palmen. Und sie lagerten sich am Wasser, heißt es dann ganz schön.
Doch sie sind noch nicht am Ziel. Sie brechen wieder auf… Die Schritte werden schwer. Wohin? Sie wissen es nicht. Wie lange noch? Keine Ahnung.
Lied Die Wüste vor Augen, Str. 1
Und dann passiert Folgendes:
Lesung 2. Mose 16,2.3;
Der Erzähler führt uns durch Höhen und Tiefen des Lebens in dieser Geschichte. Am Anfang steht das Murren. Denn so müssen wir nüchtern feststellen: Das Essen war knapp, Steine und Sand kann man nicht essen. Und sie waren viele! Wenn der Magen knurrt, werden Menschen unleidig. Dann handeln sie nicht solidarisch, sondern werden neidisch, vielleicht sogar bereit zu Gewalt und kriegerischen Kämpfen. Das Volk agiert seinen Frust an den Verantwortlichen aus. Brennend aktuell finde ich. Wutbürger im Zorn gegen die Obrigkeit. Da ist schnell alles Andere vergessen: die Freiheit, die kleinen Oasen zwischendurch, das Wunder am Schilfmeer.
Doch dann meldet sich Gott zu Wort: V 12-18
III Wunder
Eine tolle Geschichte. Der Höhepunkt ist für mich: Jeder hatte so viel, wie er zum Essen brauchte… Welch ein wunderbarer Satz. „So viel du brauchst“ titelte der Hamburger Kirchentag. Ja so ist es: Die einen sammeln viel, die andere wenig, es reicht für alle. Für die Schlanken und die Dicken, für Kinder und Erwachsene, Frauen und Männer. Sie wissen gar nicht so recht, was es ist und fragen Man hu? Was ist denn das?
Vielleicht war es eine Art Honigtau von der Tamariske, die auf dem Sinai wächst. Beduinen verwenden bis heute ähnliche Stoffe als Honigersatz. Er erhärtet sich in der Nachtkühle und kann eingesammelt werden. Übrigens auch bis heute in manchen Apotheken als Manna gekauft werden. Dasselbe gilt auch für das Wachtelwunder:
Dass hin und wieder mal ein Schwarm Zugvögel auf der Halbinsel durchfliegt, zu denen auch die ca. 18 cm große Wachtel gehört, ist nicht nur denkbar, sondern sogar nicht unwahrscheinlich, wie die Bibelwissenschaft uns lehrt. Also doch kein Wunder?
Doch! Für Israel war es ein Wunder, eine Rettung aus Hungersnot, vergleichbar mit der Speisung der 5000, die von Jesus berichtet wird. Ein Wunder wird mit übernatürlichen Ereignissen – oder sagen wir besser – durch ein Handeln Gottes erklärt. Ja, hier ist es sogar noch mehr: Gott selbst spricht dazu (durch Mose): Er spricht zweimal: Einmal vorher: Ich habe euer Murren gehört! Ohne Vorwurf! Gott gibt das Versprechen: Ihr sollt Fleisch zu essen haben am Abend und am Morgen Brot. Am Morgen, nachdem sie die Speise vor Augen haben, spricht Gott ein zweites Mal: „Ein jeder sammle soviel er zum Essen braucht!“ Das ist eindeutig ein Gebot: Jeder soll/darf nur so viel sammeln, wie er braucht. Im Klartext: den anderen sollen sie nicht unnötigerweise etwas wegessen.
IV Was hilft gegen Hunger?
Hilft uns das gegen unseren Hunger, den spirituellen und den leiblichen? Ich bin ein bisschen vorsichtig, alles immer gleich auf die spirituelle Ebene zu schieben. Denn es gibt in unserem Land wirklich Menschen, die solchen Hunger haben, dass sie abends nicht satt werden. Das ist schrecklich. Und ich will ich nicht für mich die Hand ins Feuer legen, wie ich handeln würde, wenn ich nach Tagen des Hungers die Möglichkeit hätte, mich und meine Familie mit Essen zu versorgen. Und doch hat diese Geschichte eine leibliche und eine geistliche Seite.
Die zweifache Gottesrede und die ganze Geschichte lenken uns in eine doppelte Richtung: zu Gott und zu den Menschen. Gott sagt: Ich versorge dich. Er sagt allerdings auch: Bereichere dich nicht auf Kosten anderer. Dankbarkeit könnte meine Reaktion auf das Eine sein. Eine Grundhaltung, die auch Menschen außerhalb der Kirche formulieren. Die Therapeuten sagen: Danken macht glücklich, Loben zieht nach oben. Und die andere Devise heißt schlicht: Teilen, teilen, teilen und nicht raffen. Teilen macht glücklich. Geteilte Freude ist doppelte Freude, geteiltes Leid halbes Leid, sagt der Volksmund. Stimmt.
V Bekenntnis
Ich bekenne, dass ich selbst an diesen beiden Stellen immer wieder schuldig werde. Ich vergesse zu danken. Schreibe mir meine Erfolge auf die eigene Fahne. Ich bin so kompetent, so fleißig, so liebevoll. Au weia. , Und dann ertappe ich mich auch dabei, wie versuche, mitzunehmen, was geht, und ins Straucheln gerate mit meinen eigenen Werten. Nein, das wollte ich nicht, denke ich dann oft. Ich wollte ihm den Platz nicht wegnehmen, ich wollte nicht auf Kosten von ihr glänzen, ich wollte niemand übervorteilen. Und bin dann doch so schwach. Oh Je. Hätte ich doch mal ihn gedacht der sagt: Ich bin das Brot des Lebens….
Ich behaupte, vermute einmal: Damit ist die Wurzel vieler Kriege benannt: Wer hat den besten Platz im Konzert der Mächtigen? Wer hat Zugang zu Öl, Erdgas und anderen Ressourcen? Was im Kleinen beginnt, wird im Großen mit allen Zeichen des Schreckens sichtbar. So entstehen dann auch Spiralen der Gewalt und der Vergeltung, wie wir sie laufend in den Konflikten der Gegenwart sehen können.
VI Merry Christmas
Ich komme nun zu einem vielleicht überraschenden Transfer, zu einer Art Zusammenschau der Wüsten-Geschichte mit einer Geschichte aus dem 1. Weltkrieg. Ein Film mit dem Titel Merry Christmas hat davon vor nicht allzu langer Zeit berichtet.
An Weihnachten 1914 verlassen Soldaten, die Monate lang aufeinander geschossen haben, ihre Schützengräben. Deutsche und Franzosen. Was tun sie? Sie tauschen Tabak und Pudding, teilen Erinnerungsstücke und Heimatadressen, machen miteinander Musik und spielen Fußball. Ja, sie beerdigen sogar gemeinsam ihre Toten. Eine Sensation an der Front im Westen. Otto Hahn, damals Leutnant einer Fronteinheit, hält seinen Soldaten zwar einen Vortrag, dass ein deutscher Mann das nicht dürfe, schreibt aber an seine Frau nach Hause:“ Ich selbst freue mich im tiefsten Innern über diesen Frieden.“
Ein Wunder im Schützengraben. Ist da nicht auch Hoffnung für Israel und Palästina, den Sudan und Syrien? Ich kann es und will es nicht aufgeben, liebe Schwestern und Brüder, ich will weiter darauf hoffen und dafür beten. Wenn Männer zusammen mit ihren (verordneten) Feinden spontan eine Stunde oder eine Nacht Schluss mit Krieg machen, wenn das vor 100 Jahren in einem autoritären System möglich war, dann sollte es doch auch heute gelingen. Mit Gottes Hilfe, der ein Gott des Friedens ist und der Güte und der Barmherzigkeit und zu dir sagt: „Du sollst satt werden. Von mir bekommst du alles, was du brauchst.“ Amen.