Was ist Gottes Wille – und was nicht. Predigt zu Matthäus 3,13-17 – auch zum Terroranschlag in Paris - von Christoph Dinkel
3,13-17

Was ist Gottes Wille – und was nicht
Eine Predigt – auch zum Terroranschlag in Paris

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht in Matthäus 3,13-17. Es ist der Bericht über die Taufe Jesu:

Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen! Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er's geschehen. Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Liebe Gemeinde!

1. Jesu Taufe und unsere Taufe. Die Taufe Jesu ist die Urszene der christlichen Taufe. Wie Jesus getauft wurde, so wurde heute M. getauft, so wurden wir selbst einst getauft. Wer getauft ist, gehört zu Jesus. Wer getauft ist, gehört zu Gott. Und was für Jesus gilt, gilt auch für uns: Wir sind Gottes geliebte Kinder, seine Töchter und Söhne. Auf uns ruht das göttliche Wohlgefallen. Auch wir werden mit dem göttlichen Geist ausgestattet. Auch für uns steht der Himmel Gottes offen.

Die Taufe Jesu ist die Urszene der christlichen Taufe. Erstaunlich, dass diese Szene dann aber doch nicht ins christliche Glaubensbekenntnis aufgenommen wurde. Die Taufe hätte an sich gut reingepasst: Geboren von der Jungfrau Maria, getauft von Johannes dem Täufer, gelitten unter Pontius Pilatus – so hätte man das formulieren können. Doch offensichtlich gab es da eine Sperre. Die Taufe Jesu war nämlich für die Kirche der ersten Jahrhunderte schwer zu erklären. Wieso lässt sich der sündlose Gottessohn taufen, wo doch die Taufe nach klassischem Verständnis als Ritus der Sündenvergebung und als Zeichen eines neuen Lebens betrachtet wurde? Hatte Jesus das etwa nötig? Und warum lässt Jesus sich taufen von Johannes dem Täufer, der doch nur irgendein sonderbarer Wüstenprediger war? Auch das musste erklärt werden. Matthäus erklärt beides damit, dass Jesus durch seine Taufe „alle Gerechtigkeit“ erfüllen wollte. Das klingt für uns etwas sonderbar, meint aber, dass Gott es eben so gewollt hat und Jesus als gehorsamer Sohn das dann auch so macht. Die Taufe Jesu ist die Urszene, an solchen Urszenen gibt es nichts zu mäkeln. Der Wille Gottes alleine entscheidet.

2. Gehorsam gegen Gottes Willen. Für den Evangelisten Matthäus ist damit die Debatte beendet. Für uns aber ist daran ein Punkt interessant: Der Gehorsam. Ein schwieriges Wort. Unmittelbar sehen wir vor unserem inneren Auge einen strengen Lehrer, der mit erhobenem Zeigefinger den Schüler zum Gehorsam mahnt. Sollte das gemeint sein? Ja und Nein muss man darauf antworten. Ja, weil es dem Evangelisten wirklich darum geht, dass Gottes Wille gilt und dass Gottes Kinder diesen Willen zu befolgen haben. Jesus ist aus Sicht des Evangelisten Matthäus der eine exemplarische Mensch, der diesen Gehorsam in vollem Umfang leistet. Das zeichnet ihn vor allen anderen aus, das macht ihn zum Gotteskind, deshalb hat Gott an ihm auch sein besonderes Wohlgefallen. Und wir sind aus Sicht des Evangelisten gehalten, es Jesus nachzutun. Auch wir sind vor allem dann Kinder Gottes, wenn wir Gottes Willen tun. Der Evangelist Matthäus ist da tatsächlich wie ein strenger Lehrer. Er hat hohe ethische Maßstäbe und klare Vorstellungen davon, was geht und was nicht.

Und dennoch stimmt das mit dem strengen Lehrer dann am Ende nicht. Denn beim Willen Gottes geht es nicht etwa um irgendwelche Kleinigkeiten, die man ausgefressen hat und die besser zu unterlassen wären. Gott ist nicht kleinlich, er ist auch nicht pingelig. Für den Evangelisten geht es beim Gehorsam gegen den Willen Gottes vielmehr um die großen Themen: um Gerechtigkeit, um Frieden, um Barmherzigkeit. In den Seligpreisungen sagt Jesus: Selig sind die Friedensstifter, denn sie sollen Gottes Kinder heißen. Und in seinen Erzählungen zeigt Jesus ja, worum es geht, wenn er Menschen das Leben rettet, wenn er sie gesund macht, wenn er Ausgestoßene in die Gemeinschaft aufnimmt und mit ihnen isst und trinkt, wenn er lebensfeindliche Regeln aufhebt, damit Menschen frei werden und leben können. All das heißt Gott Gehorsam zu sein – und das sind lauter wunderbare Dinge, die die Welt schöner machen und die Menschen zu einem besseren Leben verhelfen. Für den Evangelisten Matthäus zeigt sich der christliche Glaube in der Tat – und Jesus ist uns Vorbild im Tun des Gerechten, des Heilsamen, des Hilfreichen. Denn das ist der Wille Gottes, dem es gehorsam zu sein gilt.

3. Das Gegenteil von Gottes Willen. Es geht dem Evangelisten Matthäus darum, dass wir den Willen Gottes tun. Was das ist wird auch daran erkennbar, wenn man überlegt, was das Gegenteil des Willen Gottes ist. Wenn Gott das Gute ist und das Gute will, dann ist das Gegenteil davon das Böse. Seit alters wird dieses Böse in der Religion in mythologischer Sprache beschrieben. Man spricht vom Satan oder vom Teufel. Dass es den Teufel wirklich gibt, glauben heute in unserem Land zum Glück nur noch wenige. Aber was die Alten mit diesem mythologischen Wort sagen wollten, das verstehen auch wir ganz genau: Der Teufel oder Satan steht für das Böse, für alles Gemeine, für das, was Menschen klein macht und unterdrückt, der Teufel steht für Gewalt und Willkür, für zerstörerischen Mächte und unheilvolle Zusammenhänge, für den Missbrauch von Macht, für Verbrechen und Terroranschläge. Der Terroranschlag vom Donnerstag in Paris gegen die Redaktion des französischen Satireblatts Charlie Hebdo war in der Sprache der Mythologie ein Anschlag des Teufels. Das Morden von Boko Haram in Nigeria, der Krieg in Syrien – all das sind teuflische Anschläge gegen den Willen Gottes, gegen das Gute.

Gleich nach seiner Taufe, so erzählt der Evangelist Matthäus, wird Jesus versucht. Der Teufel erscheint ihm und macht interessante Vorschläge: Jesus soll aus Steinen Brot machen und er soll von der Zinne des Tempels springen. Als Gottessohn müsse er das doch können und Gott habe ihm ja verheißen, dass seine Engel ihn tragen werden. Jesus ahnt schon, dass das keine guten Vorschläge sind und weist sie mit Zitaten aus dem Alten Testament zurück. Da kommt noch ein dritter Vorschlag: Wenn Jesus den Teufel anbete, werde er ihm die Herrschaft über die ganze Welt geben. Auch diese Probe besteht Jesus. Er verweist auf die ersten beiden Gebote: Gott allein soll man anbeten, sonst nichts und niemanden. Da räumt der Teufel das Feld und die Engel Gottes kommen zu Jesus und dienen ihm. (vgl. Matthäus 4,1-11)

Diese mythologische Erzählung macht deutlich: Wer sich erwählt und besonders begnadet fühlt, der ist in besonderer Gefahr: Ich bin Gottes Sohn – was soll mir noch geschehen? Gottes Geist ist mit mir – wie sollte ich mich irren können? Gottes Wohlgefallen ruht auf mir – wie sollte mir nicht alles gehören und alles erlaubt sein? Die Versuchung, die Jesus erlebt, erleben ganz viele Menschen, die sich in besonderer Weise hervorgehoben und auserwählt fühlen, sei es durch Begabung oder durch Erfolg oder durch Herkunft. Ihnen allen zeigt Jesus, welchen Einflüsterungen sie zu widerstehen haben. Maßstab des Guten ist nicht die eigene Großartigkeit, sondern der Wille Gottes, das Tun des Gerechten, des Heilsamen, des Hilfreichen.

4. Gotteskinder – Teufelskinder. Die Taufe Jesu ist die Urszene der christlichen Taufe. An Jesu Taufe sehen wir, was uns Gott verheißt und auch, was damit genau nicht gemeint ist. Gerade auf das Letztere muss heute hingewiesen werden. Es gibt ja in der Kirche die verbreitete Rede, dass Gott alle Menschen bedingungslos liebt und annimmt. „Gott macht keine Unterschiede, Gott hat sie alle lieb“, heißt es im Kinderlied. Das gilt in gewisser Weise tatsächlich: Gottes Liebe gilt den Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung und auch ihrer Religionszugehörigkeit. Wie Christen Gottes Kinder sein können, so können es ganz gewiss auch Muslime, Hindus und Juden sein. Und selbst Menschen, die etwas ausgefressen haben, selbst Verbrecher nimmt Gott an und schließt sie in seine Liebe ein – allerdings nur jene, die ihre Verbrechen bereuen. Wer sich seiner Verbrechen brüstet, wer seine Verbrechen wie die Mörder von Paris gar meint im Namen Gottes zu begehen – der ist kein Kind Gottes, sondern – ich rede in der Sprache des Mythos – ein Kind des Satans und des Teufels. Er ist ein Werkzeug der finsteren Mächte der Zerstörung. Der mythische Ort, an den solche Menschen gehören, ist die Hölle. Dort sind sie dann in der Gesellschaft von Bin Laden, Hitler, Stalin und all den anderen Menschlächtern.

5. Der Glaube der Gotteskinder. Zum christlichen Glauben, zum Leben als Kind Gottes gehört es, dass man den Versuchungen des Teufels widersteht und sich am Willen Gottes orientiert, daran, was gerecht ist, heilsam und hilf-reich für den Nächsten. Zu diesem Glauben wollt Ihr als Eltern und Paten Eure Tochter M. erziehen. Diesen Glauben sollt Ihr als Konfirmandinnen und Konfirmanden verstehen und Euch aneignen. In diesem Glauben bestärken wir uns gegenseitig in diesem Gottesdienst.

Viele von Ihnen und Euch sind erschüttert über die Ereignisse von Paris, über die Welle brutaler terroristischer Gewalt, die seit Jahren über den Globus schwappt. Manchmal fällt es einem schwer, in einem solchen Umfeld die Zuversicht und das Gottvertrauen zu bewahren und auf eine gute Zukunft für die Welt und für unsere Kinder zu hoffen. Die Zeiten, in denen Jesus gelebt hat, werden kaum freundlicher gewesen sein als unsere. Und doch hat Jesus fest daran geglaubt, dass Gottes Macht stärker ist als die des Teufels. In einem Wort Jesu heißt es: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz (Lukas 10,18). Aus diesem mythischen Bild von der schon gebrochenen Macht des Bösen hat Jesus die Kraft geschöpft, den Mächten des Bösen zu widerstehen und entgegenzutreten. Die bösen Mächte sind dabei zu verlieren. Noch toben sie in der Welt, aber wir werden sie zurückdrängen. Für die Getauften steht der Himmel Gottes schon offen, von dort breitet sich Gottes neue Welt aus. Sie nimmt uns in Dienst. Weil ihnen der Himmel offen steht, widerstehen die Kinder Gottes dem Bösen, sie stiften Frieden, wo Gewalt herrscht. Wo Wunden sind, heilen sie, wo Menschen Hilfe brauchen, packen sie tatkräftig an.

Martin Luther hat zur Taufszene Jesu gesagt: „Noch heutigen Tages ist der Himmel offen über die ganze Welt. Merke, dass diese Geschichte nicht zu Ende ist.“ Gottes Geschichte ist nicht zu Ende. Durch die Taufe nimmer er M., nimmt er uns alle mit in diese Geschichte hinein. Er zeigt uns den offenen Himmel und er zeigt uns seinen Willen, damit wir das tun, was gerecht ist, was heilsam ist und was zum Guten hilft. – Amen.

(Zitat von Martin Luther aus Predigt von 1544, zit. nach: Ulrich Luz, Evangelium nach Matthäus, 153, Anm. 25. Auch sonst verdankt die Predigt viele Impulse dem Kommentar von Ulrich Luz)

 

Perikope
11.01.2015
3,13-17