Was wäre wenn… - Predigt zu Jesaja 2,1-5 von Rainer Claus
Putin hat gute Laune. Soeben hat er sich mit dem ukrainischen Präsidenten getroffen und vereinbart: alle Waffen werden verschrottet.
Stattdessen will man zusammenarbeiten besonders in der Landwirtschaft.
Die russische Panzerproduktion soll umgewandelt werden in Traktorenbau.
Auch Assad sitzt neben Putin am Tisch und unterzeichnet den Friedensvertrag. Die Waffen werden schweigen in Syrien. Neuwahlen sind angesetzt. Zwei Drittel der Waffen sind schon von den Vereinten Nationen eingesammelt worden. Endlich Frieden. Schon nächsten Monat wird das Aufbauprogramm beginnen und viele Menschen auf der Flucht können zurückkehren.
Auch Donald Trump zückt seinen Stift. Amerika wird Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Die Autoindustrie wird umgebaut. Null-Emission statt Dreckschleuder, hat Trump getwittert. Great!
Erdogan ist gerade beschäftigt. Er gibt eine Pressekonferenz und erläutert dem Korrespondenten der Welt gerade seine neue Linie. Der freie Journalismus soll gestärkt werden. Alle inhaftierten Journalisten sind schon frei gelassen worden. „Das war Unrecht“, sagt Erdogan selbstkritisch, „das müssen wir jetzt wieder in Ordnung bringen.“ Angela Merkel guckt nachdenklich aus dem Fenster. Soeben hat Deutschland alle Waffenexporte verboten. Auch Kleinfeuerwaffen, Pistolen, die so oft in falsche Hände geraten oder sogar von Kindersoldaten verwendet werden, dürfen nicht mehr exportiert werden. Stattdessen soll Bildung exportiert werden. Ein globales Schulprogramm wird aufgebaut.
Sie guckt aus dem Fenster und blickt hinab vom Berg. Unten wird gefeiert. Statt brennender Autos und Steinewerfer sieht man Lagerfeuer und Kinder mit Stockbrot. Die Menschen feiern den Frieden. Das wurde aber auch mal Zeit, denkt Angela. Ich war schon urlaubsreif.
Wäre das nicht schön? Ein Friedensgipfel oben auf dem Berg und alles wird gut.
Wir haben uns an die schlechten Nachrichten gewöhnt, an Krisenmanagement, das nur noch das Schlimmere verhindert, aber keine wirklichen Schritte zum Frieden bringt.
Die Realität sieht gerade anders aus.
Was wäre wenn…
Es tut gut, sich eine andere Wirklichkeit vor Augen zu malen.
Was wäre, wenn Du morgen aufwachst und alles ist anderes.
Mit diesem Satzanfang fängt ein neuer Blick an.
Das Mögliche durchzuspielen, sich inspirieren zu lassen, die Zukunft neu zu erfinden.
Diese Welt braucht große Panoramafenster mit einem Weitblick.
Es braucht Menschen, die einen Möglichkeitssinn haben, die mehr sehen, weiter blicken und tiefer. Menschen, die sehen, was möglich sein könnte. Die zurückblicken an den guten Anfang, als Gott sagte: Siehe alles ist gut. Der Blick auf die Anfänge ist in der Bibel immer auch ein Blick auf das Morgen.
Es braucht Möglichkeitsmenschen.
Die nicht nur das Hier und Jetzt sehen, sondern auch die Tage, die kommen werden. Am Ende aller Zeit. An Tagen wie diesen werden wir unendlich sein. Möglichkeitsmenschen glauben: Bei Gott ist mehr möglich, als wir uns vorstellen können.
Diesen Blick hatten die Propheten. Sie haben gesehen, was kommen wird, hatten Träume und Visionen. Sie haben großartige Bilder beschrieben, die Menschen seit Jahrtausenden zu Suchenden und Sehnenden macht.
Hören wir Worte von Jesaja.
Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN! (Jes 2,1-5)
Eine Völkerwallfahrt auf den Berg, wo sich alle treffen, Frieden schließen, Recht sprechen und gemeinsam nach Wegweisung fragen.
Wo Gott keine Chiffre für Trennung und Gewalt ist, sondern ein Licht für die Suchenden. Ein Gott, der die Vielfalt der Menschen liebt und zusammenhält.
Was für ein grandioses Panorama.
Das ist unmöglich, sagen die einen.
Vieles ist möglich, sagte sich Stefan Nau. Er war Kunstschmied und hat im September 1983 ein Schwert genommen und zu einer Pflugschar um-geschmiedet. Schwerter zu Pflugscharen. In Wittenberg, im Hof des Lutherhauses und viele Menschen waren dabei. Wer hätte es für möglich gehalten, dass daraus ein Symbol für die friedliche Revolution wird.
Wer hätte es für möglich gehalten, dass Mauern verschwinden.
Schwerter zu Pflugscharen – das ist möglich. In Deutschland heißt es an vielen Orten: Campus statt Kaserne. Alte Kasernen werde in Orte der Bildung umgewandelt. Besonders in Rheinland-Pfalz hatte man es erst nicht für möglich gehalten, dass man den Abzug der Amerikaner verkraftet. Aber jetzt sind aus den Kasernen moderne Universitäten geworden. Campus statt Kaserne. Das könnte man ja auch für unser Gymnasium am Mühlenweg sagen. Dort wurden mal junge Leute für den zweiten Weltkrieg gedrillt. Heute werden sie auf Beruf und Leben vorbereitet. Geht doch.
Geht doch, sagt auch Malala. Das pakistanische Schulmädchen wurde von den Taliban in den Kopf geschossen, weil sie ihr Recht auf Bildung wahrnehmen wollte. Sie überlebte und kämpft seither für das Recht auf Bildung. Ihr Ausspruch ist um die Welt gegangen. Sie sagte: „Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Stift und ein Buch können die Welt verändern.”
Sollte es da nicht auch möglich sein, dass Deutschland seine Waffenexporte verbietet oder jedenfalls deutlich einschränkt?
Wäre es nicht möglich dass wir nicht Weltklasse sind beim Verkauf von Waffen, sondern das für uns die Welt eine Klasse ist, in der wir gemeinsam den Frieden lernen?
Vielleicht fragen wir einmal unsere Bundestagsabgeordneten vor der Wahl, was sie für möglich halten.
Jesaja malt mit seinen Worten ein Friedensbild vor unseren Augen.
An Tagen, die kommen werden, wird es so sein. Am Ende der Zeit.
Das könnte auch nach Vertröstung klingen, nach Verschieben und Flucht aus der Wirklichkeit.
Aber Jesaja endet sein Bild ganz praktisch mit einer Aufforderung:
Kommt und lasst uns nun wandeln im Licht des Herrn. (Jes 2,5)
Jesaja blickt auf das große Finale und das gibt Kraft für den nächsten Schritt. Schon jetzt ist vieles möglich. Jesajas großes Bild endet mit der Aufforderung:
Kommt und lasst uns jetzt wandeln im Licht des Herrn.
Ich will mein Schwert umschmieden.
Meine Worte sind gelegentlich scharf und schneidend, ich merke gar nicht, wie tief mein so dahin gesagtes Wort eindringt in deinem Herzen.
Ich will achtsam sein, behutsam Worte sagen, die wie Samenkörner wachsen können, Worte, die etwas zum Blühen bringen, die Dich stärken und Dir Mut machen.
Ein „Danke“ sagen oder einen Moment, den ich mit dir erlebt habe, in Worte fassen und ihn ins Licht halten. Das macht ihn wertvoll, diesen Moment. Das pflanzt den Frieden.
Schwerter zu Pflugscharen. Ich fang schon mal an. Mit meinen Gedanken und Worten, mit meiner kleinen Welt.
Als Jesus unterwegs war mit den Menschen, da hat er geheilt, getröstet, geliebt und Gott blitzte auf in jedem seiner Worte. Da dachten die Menschen: Jetzt ist es soweit. Jetzt sind die Tage da, von denen Jesaja und die anderen gesprochen haben.
Ja, sagt Jesus, aber anders als gedacht. Der Friede Gottes ist schon da. Er ist mitten unter euch.
Also machen wir mit. Jesaja setzt uns ein Bild in den Kopf und ins Herz.
Schwerter zu Pflugscharen.
Oder auch: Hassworte zu Liebeserklärungen, „fake news“ zu „good news“, Kasernen zum Campus, Bauen anstatt Bomben, Gitarre anstatt Knarre, Tee trinken anstatt in Angst versinken, im Kanon singen anstatt Parolen brüllen, Bleistiftminen anstatt Landminen, Gespräche suchen anstatt Feinde verfluchen.
Euch fällt bestimmt noch mehr ein oder…?
Amen.