Wir ernten, was wir säen? - Jesaja 58; 7-12 von Katrin Berger
58; 7-12

Man erntet, WIE VIEL man sät. Wer viel sät, erntet mehr, wer zu viel säht, erntet immer noch viel, nur wer da kärglich sät, der wird auch kärglich ernten (2. Kor 9,6-15).

Oder?

Man erntet, wie viel man sät! Wer viel ernten will, muss viel säen, muss etwas weg-, ab-, verlorengeben, um zu gewinnen.

Säen und Ernten, Geben und Nehmen. Ernten und säen. Nehmen und geben. Wenn-Dann. Ein Kreislauf. Des Jahres, des Lebens.

Man erntet, WO man sät. Im eigenen Garten, auf dem Boden, den man kennt. Man erntet, wo man sät. Das ist Leistungsgesellschaft. Das ist Gerechtigkeit.

Oder?

Auf dem beackerten Feld, nicht irgendwo in der fremden Welt. Nicht da wo die Steine und die Disteln sind und der Wind die Saat davonweht. (Mk 4,3-20).

Man erntet, WAS man sät. Aus Weizenkörner erwachsen Weizenähren. Aus Liliensamen werden Lilienblüten. Wer Vertrauen wagt, gewinnt Hoffnung. Wer Liebe lebt, bringt Frieden auf die Welt.

Wer barmherzig handelt, heilt. Regelmäßiger Gottesdienst bewirkt Gottesnähe.

Oder?

Man erntet, WIE VIEL und WO und WAS man sät! Zumindest wenn man die gewünschte Pflanzen mit rechtem Maß auf den geeigneten Boden sät … und dann alles nach Plan gedeiht.

Aber es gedeiht ja nicht immer nach Plan. Manchmal kommen doch Vögel und picken die Saat weg. Manchmal bleibt der Regen aus oder die Sonne scheint zu stark.

ERNTEKLAGE.

Manchmal gedeiht das Leben nicht nach Plan. Und die Saat der Nachbarn geht in deinem Garten auf. Und deine trägt bei unbekannten Menschen Früchte (aber weder sie noch du bemerken es)

Manchmal gedeiht das Leben nicht nach Plan. Und man erntet, was andere gesät haben. Vor Jahren.

ERNTEDANK.

Manchmal gedeiht das Leben nicht nach Plan. Und man erntest nicht, wie man gesät hast. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. (Psalm 126, 5) Manchmal gedeiht das Leben nicht nach Plan.

ERNTEPROPHETIE.

Manchmal gedeiht das Leben nicht nach Plan, Dann wird Vertrauen missbraucht, auf dem Weltmarkt mit Nahrungsmitteln spekuliert, Dann wird Liebe getötet,

und dem Selbstschutz geopfert. Dann wird Barmherzigkeit ausgenutzt - obwohl sie wird wohl eher beneidet in diesen Tagen- , wenn Asyl gewährt wird, und dadurch die Angst wächst.

Dann dient der Gottesdienst leider „nur“ einem selbst, im Sprechen des Gebets, das die eigenen Nöte auswendig wiederholt, im Singen des Liedes, so gewohnt,

im Lesen der eigenen Überzeugungen in den heiligen Büchern und vielleicht sogar im Verzicht auf die Welt und das Leben da draußen. So wächst Gemeinde selten.

ERNTEKLAGE.

Und doch haben wir in Levern so viel geerntet. Wir haben so viel geerntet, das wir nicht gesät haben, soviel hat uns Menschen und unsere Gemeinde am Leben gehalten.

Erntedank feiere ich heute für meine drei Jahre in Levern. Ich habe hier einen Garten geschenkt bekommen,und manchmal unter Tränen gesät. Ich habe geerntet, was andere gesät haben,

aber auch dort gesät, wo Gott allein weiß, ob und wann eine Saat aufgeht. Aber wirklich mehr als manchmal gedieh das Leben nach Plan.

ERNTEDANK.

Aber auch: Soviel haben wir gesät, und doch so wenig geerntet. Manchen guten Boden haben wir verloren, manche Menschen allein gelassen und enttäuscht. Ich auch.

Nur wenig neuen Boden haben wir beackern können, manchmal hat uns einfach die Kraft gefehlt, manchmal auch die Struktur, die Richtung und Perspektive.

Gott hat uns gefehlt, glaube ich. „Wo warst du und wo bist du, Gott?“

ERNTEKLAGE.

Dann haben wir weiter gemacht, wie vorher. So dass es irgendwie noch ganz gut weiterging mit uns. Wir haben gehofft, dass das reicht. Aber mit den anderen sind wir nur kleine Schritte weitergekommen.

Wir haben „gemacht und getan“1, aber die Ernte ist kärglich! Wie viel mehr Menschen engagieren sich ehrenamtlich in unserer Kirche? Wie viel mehr Menschen besuchen unsere Gottesdienste und Veranstaltungen?

Wie viel mehr haben wir als Gemeinde Levern der Region Stemwede und ihren Menschen gedient im letzten Jahr? Es ist nicht mehr, manchmal sogar weniger. Oder?

ERNTEKLAGE in Levern,

eine Woche nach der Wahl in Deutschland.

Wie vor vielen Jahren in Jerusalem, wie in Jesaja steht:

,,Warum haben wir „gemacht und getan“, aber du siehst es nicht an? Wir haben uns gedemütigt, aber du erkennst es nicht an!" (Jes 58, 3)

Und Gott antwortet beim Propheten Jesaja:

„Soll das etwa ein „Machen und Tun“ sein, wie ich es mir aussuche: Ein Tag, an dem sich die Menschen demütigen? Sollen sie den Kopf hängen lassen, sich in Sack und Asche betten? Wird etwa so etwas ein „Machen und Tun“ genannt und ein Tag, der Gott gefällt? (Jes 58, 5). Ist nicht eher dies ein „Machen und Tun“, wie es mir gefällt:

Fesseln des Unrechts öffnen, (…), Misshandelte als Freie entlassen, (…)? Geht es nicht darum? Mit Hungrigen dein Brot zu teilen, umherirrende Arme ins Haus zu führen! Wenn du Leute nackt siehst, bekleidest du sie, vor denen, die zu dir gehörten versteckst du dich nicht“ (Jes 58, 5-7)

ERNTEPROPHETIE.

Wenn du so säst, dann erntest du meine Nähe.„Dann wird dein Licht wie die Morgenröte hervorbrechen, eilends wächst deine Wunde zu.
Dann wird deine Gerechtigkeit vor dir hergehen, der Glanz Gottes sammelt dich auf.
Dann wirst du rufen, und Gott wird dir antworten. Du schreist um Hilfe, und Gott wird sagen: ,,Hier bin ich!" (Jes 58, 8-9)

Wenn du so säst, dann erntest du Gottes Nähe.

„Wenn du aus deiner Mitte das Joch wegräumst, das Fingerzeigen und die üble Nachrede, und wenn du dich ganz den Hungrigen hingibst und die Niedergedrückten sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufstrahlen, deine Dunkelheit wird wie der Mittag sein. Dann wird dich Gott beständig leiten, den unbändigen Durst deiner Lebenskraft stillen und deine müden Knochen wieder munter machen. Dann wirst du wie ein bewässerter Garten sein und wie eine Wasserquelle, deren Wasser nicht täuschen. Dann werden deine Leute die Trümmer der Vorzeit aufbauen und die Grundmauern von Generationen wieder aufrichten. Du wirst heißen: ›Lückenschließerin‹ und ›die die Pfade wiederherstellt zum Bleiben‹. (Jes 58, 9-12)

ERNTEPROPHETIE.

Wenn du so säst, erntest du Gottes Nähe.

Immer noch: Säen und Ernten, Aber anders: Geben und Nehmen. Ernten und sähen. Wieder Wenn-Dann. Ein Kreislauf, aber anders. Und mit Unterbrechung.

Wieder: Säen und ernten, aber nicht im eigenen Garten, nicht auf dem eigenen Feld, sondern wirklich bei den anderen in ihrer Welt. Dort wo Unrecht passiert:

Land enteignet, Menschen entrechtet werden. und wie Sklaven gehalten auf Plantagen. Um unseren Kaffee, unsere Schokolade, unser Coltan aus den Bergen für unsere Smartphones zu ernten, während drum herum der Krieg tobt und die Vergewaltigungen. Wenigstens ein wenig FairTrade säen. Die Menschen dort sind nicht nur Jesu Brüder und Schwestern, es sind auch unsere. Wieder säen, aber etwas anderes ernten. Lichtwerden und Heilsein.

Strahlend vor Glück und ganz und gar. „Dann wird deine Gerechtigkeit vor dir hergehen und der Glanz Gottes sammelt dich auf.“ (Jes 58, 8)

Wieder: Säen und ernten, aber ohne zu berechnen, wieviel man säen muss, um genügend Ernte zu haben im nächsten Jahr. Säen, ohne zu wissen, was man erntet, weil Gott beim FairTrade alles verwandelt.

Die Grundmauern von Gottes Stadt wieder aufbauen, Grundrechte säen für alle für sehr lange. Lücken in diesen Mauen ausbessern, jedes Leben schützen vor den Angriffen derer, die mehr Gott, mehr Stadt, mehr Land, mehr Rechte, mehr Geld, mehr „Ich und meine Angst“ für sich wollen. Die Wege in Gottes Land ausbessern und nie damit aufhören. Immer wieder, im Frühling, im Sommer, im Herbst, im Winter. Denn es gibt viele Wege und nicht nur eine Einbahnstraße. Und jeder Weg ist kompliziert und verschlungen, weil man aus unterschiedlichsten Richtungen in die Stadt kommen muss, sonst ist der Weg für manche zu lang und für manche zu kurz.

Gottes Gerechtigkeit mit einzusäen, heißt, säen in Ewigkeit und manchmal auch schnell Spott und Schmerz zu ernten. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. (Psalm 126, 5).

Ein Kreislauf, aber anders, sehr lang, und mit Unterbrechung.

Gottes Gerechtigkeit mit einzusäen geht nicht ohne Gemeinschaft,

nicht immer wieder Sonntags schon davon zu ahnen, schon davon schmecken und sich daran stärken. Die Verheißung gilt, Gott ist da, in jedem Gottesdienst.

Ohne Wenn-Dann, ohne Bedingung.

,,Weil es dann nicht auf dich ankommt, nicht auf uns, sondern nur auf Gott." (Jes 58, 13-14)

Mögen wir so leben: Sie und ihr hier, ich woanders. Leben, in Glück und mit Gott und ganz und gar mehr ernten wollen als Existenzsicherung. Säen ohne Angst vor Verwandlung,

ohne den Boden oder die Pflanze besitzen zu wollen, ohne die schnellen Ernte zu erwarten. Säen auch mit Klage manchmal, aber auch mit Dank und Unterbrechung und nicht ohne der Prophetie Jesaja zu glauben:

„Dann wird dein Licht wie die Morgenröte hervorbrechen, eilends wächst deine Wunde zu.
Dann wird deine Gerechtigkeit vor dir hergehen, der Glanz Gottes sammelt dich auf.
Dann wirst du rufen, und Gott wird dir antworten. Du schreist um Hilfe, und Gott wird sagen: »Hier bin ich!«. Dann wird dich Gott beständig leiten, den unbändigen Durst deiner Lebenskraft stillen und deine müden Knochen wieder munter machen.
Dann wirst du wie ein bewässerter Garten sein und wie eine Wasserquelle, deren Wasser nicht täuschen
. (Jes 58, 8-10)

In diesem Säen und Glauben stärke und bewahre euch Gott.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

 

1 ! Statt Fasten kann man unsere religiöse Praxis m. E. besser als „Machen und Tun“ beschreiben. Deshalb ersetze ich im Folgenden „Fasten“ durch „Machen und Tun“.

Perikope
01.10.2017
58; 7-12