Wir sind Schatzsucher - Themapredigt zum "Geocaching" von Karsten Willemer
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Wir sind Schatzsucher - Themapredigt zum "Geocaching" von Karsten Willemer

Wir sind Schatzsucher
Unterwegs mit Gott, Glauben, Vertrauen

Liebe Gemeinde,
wir sind Schatzsucher!  Wir sind unterwegs auf der Suche nach dem Schatz unseres Lebens. So lässt sich die Botschaft des Hebräerbriefes zusammenfassen. Der Schatz, das ist für ihn die Stadt Gottes, das himmlische Jerusalem, die „Stadt mit den festen Grundmauern, die Gott selbst entworfen und gebaut hat.“ Die Stadt ist ein Bild für das Ziel unseres Lebens. Ein Bild für alles Gute, das wir uns vorstellen können. Für das, was am wertvollsten ist. Ein Schatz eben. Der Schatz unseres Lebens.

Es gibt verschiedene Bilder, die dasselbe beschreiben wollen: Einige sagen: Der Himmel. Andere reden vom Paradies. Manche nennen es das Reich Gottes. Manchmal sagt man: Die Ewigkeit. Oder: Die neue Welt Gottes. Oder: die Vollendung. Der Hebräerbrief sagt: Die Stadt. Die zukünftige Stadt Gottes, die Stadt mit den festen Grundmauern. Er sagt damit auch: Es wird anders sein als unser Leben jetzt. Jetzt sind wir unterwegs. Auf der Suche. Jetzt leben wir wie Nomaden auf der Wanderschaft. Dann, eines Tages, werden wir am Ziel sein. Dann haben wir einen Ort, an den wir gehören. Dann hat die Suche ein Ende. Dann ist alles gut.

Jetzt ist es der Glaube, der uns trägt. Das Vertrauen auf das Ziel. Auf den Schatz, der uns erwartet.

Der Hebräerbrief erinnert an Abraham. Wer kennt ihn nicht, den berühmten Abraham aus der Bibel. Als ihren Erzvater sehen sie ihn alle an, die Christen, die Juden und die Muslime. Abraham ist der Mann, der auf die Wanderschaft gegangen ist, weil er Gott vertraut hat. Er hat seine Heimat verlassen und ist losgezogen, ohne zu wissen wohin. Allein mit dem Versprechen Gottes im Gepäck: Ich will dir ein Land und eine Zukunft geben.

So wie Abraham sind auch wir unterwegs, sagt der Hebräerbrief. Wir wandern wie er durch das Leben, ohne zu wissen wohin es uns führt. Alles, was uns bleibt ist das Versprechen Gottes: Ich will dir eine Zukunft geben.

Am 7. Februar 2013 hat ein neuer Mensch seine Wanderschaft begonnen. Der kleine Lukas hier kam an jenem Tag auf die Welt. Es war ein etwas verfrühter Aufbruch, und Lukas hatte die ersten Wochen ordentlich zu kämpfen. Nun ist er schon über ein Jahr unterwegs und steht doch noch ganz am Anfang.

„Ich will dir eine Zukunft geben.“ Das alte Versprechen Gottes: Heute gibt er es noch einmal ganz neu. Ich will dir eine Zukunft geben, Lukas. Ich will dich begleiten auf deiner Wanderschaft durch das Leben. Ich will dabei sein und mitgehen. Will dich stützen, wenn du stolperst und aufrichten, wenn du fällst. Wenn die Dunkelheit über dich hereinbricht, will ich dich ermutigen, und wenn die Verzweiflung dich befällt, will ich dich trösten. Ich will dich behüten wie einen Augapfel. Ich will dich beschirmen unter dem Schatten meiner Flügel.

Dieses Versprechen gibt Gott heute Lukas. Und er besiegelt es mit dem Wasser der Taufe. So kann Lukas in dem Vertrauen auf Gott aufwachsen, von dem der Hebräerbrief spricht. In dem Vertrauen, das bereits Abraham durch das Leben getragen hat.

Manch einem fällt es schwer, solch ein Vertrauen zu haben. Manch einer hält nicht viel von dem Glauben an Gottes Versprechen.

„Ich glaube nur, was ich sehe!“ So sagen manche Kritiker des Glaubens. Sie halten sich für vernünftig und wollen nur das für wahr halten, was sie sehen und begreifen können.

„Ich glaube nur, was ich sehe!“ Je länger ich diesen Satz höre, desto mehr wundere ich mich darüber. Kann man das wirklich ernst meinen? Will man sein Leben tatsächlich auf die Umweltreize begrenzen, die die eigenen Sinnesorgane wahrnehmen?
Es gibt so vieles, das ich nicht sehe, und doch würde kaum einer seine Existenz anzweifeln. Elektrischer Strom etwa: Ich sehe vielleicht seine Auswirkungen, wenn die Lampe brennt. Aber den Strom fließen sehe ich nicht.
Die Liebe kann man nicht sehen. Ich sehe zwar das Leuchten in ihren Augen und spüre das Kribbeln in meinem Bauch, das Gefühl der Verliebtheit. Aber die Liebe selbst, sie bleibt geheimnisvoll und unsichtbar.

„Ich glaube nur, was ich sehe“? Ich halte diesen Satz für eine völlige Überschätzung unserer Sinnesorgane. Bereits für mich als Brillenträger würde er bedeuten: Ich habe einen begrenzten Glauben. Begrenzter als meine Söhne, die zwei echte Adleraugen sind.

Und denken wir an Sotschi in diesen Tagen. Denken wir an die Blinden, die dort bei den Paralympics Höchstleistungen erbringen beim Langlauf und beim Biathlon. Ich habe bis heute nicht kapiert wie das funktioniert mit dem Schießen, wenn man nichts sieht. Wenn der Satz „Ich glaube nur, was ich sehe!“ wahr wäre, dann wären alle jene Athleten in Sotschi arme glaubenslose Gesellen. Keine Augen, kein Vertrauen.
Das Gegenteil ist ja  der Fall. Wer sich als Skiläufer auf einen Begleitläufer verlässt, den er ebenso wenig sieht wie die Loipe, der zeigt ja mehr Vertrauen als jeder Sehende.

Nein, ich kann diesem Satz nichts abgewinnen. Umgekehrt müsste er lauten. Umgekehrt wird ein Schuh draus: „Ich sehe nur, was ich glaube!“

Ich kann nur das wahrnehmen, von dessen Existenz ich wenigsten eine Ahnung habe. Ich will das mit einem ganz praktischen Beispiel erklären.  

Die Welt ist voller Schätze, die gefunden werden wollen. Es sind kleine Schätze, nicht besonders wertvoll. Aber meistens liebevoll gemacht und versteckt. Bis vor etwa 2 Jahren habe ich nichts von diesen Schätzen gewusst. Und natürlich habe ich auch nie so einen Schatz gesehen. Und wenn ich ihn zufällig gefunden hätte, dann hätte ich ihn vielleicht gar nicht erkannt. Heute finde ich fast jeden Tag so einen Schatz. Denn inzwischen weiß ich, dass es sie gibt.

Ich rede von meinem Hobby, und Sie haben es vielleicht schon gemerkt.
Beim Geocaching verstecken wir kleine Schätze, die sogenannten Caches. Und wir suchen die Caches, die andere verstecken. Zum Reiz dieses Spiels gehört es, dass die Caches oft dort versteckt sind, wo viele Menschen sind. Und doch sehen die meisten Leute die Caches nicht.
„Ich sehe nur, was ich glaube!“ Ich erkenne nur das, von dem ich ahne, dass es da ist.

Ein anderes Beispiel: Als meine Frau das erste Mal schwanger war, begann ich plötzlich überall schwangere Frauen zu sehen. Dabei waren es nicht mehr als in den Jahren zuvor. Meine Wahrnehmung hatte sich verändert.
Noch ein Beispiel: Als ich 15 war, erschienen mir 30jährige als alt und faltig.
Wenn ich heute 30jährige anschaue, bin ich manchmal neidisch auf die Attraktivität der Jugend.

Was ich damit sagen will: Das entscheidende passiert nicht in unseren Augen, sondern im Kopf oder im Herzen oder in der Seele. Und deshalb meine ich, dass es heißen muss: „Ich sehe nur, was ich glaube!“

Sein Glaube, sein Vertrauen in Gott, hat Abraham den Mut gegeben, sein altes Leben hinter sich zu lassen und aufzubrechen in die Zukunft, die Gott ihm versprochen hat. Und ich bin sicher: Er hat es gesehen. Abraham hatte das Land vor Augen, das Gott ihm verheißen hat. Er hat es gesehen, und er war überzeugt, dass er es auch betreten werde, eines Tages.

Wer die Geschichte von Abraham gelesen hat – und es ist eine lesenswerte Geschichte – der weiß, dass Abraham sein ganzes Leben lang unterwegs war. Er blieb ein Wanderer, unterwegs auf der Suche nach dem Schatz seines Lebens.

Oft brauchte er viel Geduld, um am Vertrauen auf Gott festzuhalten. Gott hatte ihm unter anderem eine reiche Nachkommenschaft versprochen. Es dauerte lange, bis Abraham überhaupt einen Sohn bekam. Und dabei hatte er auch noch geschummelt, denn er hatte mit der Magd seiner Frau geschlafen, nach dem Motto: besser einen unehelichen Sohn als gar keinen.
Schließlich ist auch seine Frau Sara schwanger geworden, und sein Sohn Isaak wurde geboren.
Doch kaum hatte der ein ordentliches Alter erreicht, sollte Abraham ihn opfern. So sagte es Gott.
Eine finstere Geschichte ist das. Sie ist nur vom Ende her zu verstehen. Und auf dem Hintergrund, dass es damals wirklich Menschenopfer gab.
Wenn am Ende Gott den Ziegenbock schickt und befiehlt: Ihn sollst du opfern und nicht deinen Sohn, dann erkennen wir: Die Geschichte ist ein Protest gegen jedes Menschenopfer.

Und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack. Auch weil wir wissen, dass seitdem tausende von Söhnen und Töchtern geopfert wurden. Nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern auch dort, wo sich Männer und Frauen sogenannten höheren Zielen unterordnen mussten.
Oder wir denken an die vielen Kinder, die jung sterben mussten. Die nicht so ein Glück hatten wie Isaak. Wir denken an die vielen Eltern, denen Gott keinen Ziegenbock schenkte, der für ihren Sohn oder ihre Tochter hätte sterben können.

Wer so etwas erlebt, und deshalb am Glauben zweifelt, der kann viel mehr auf mein Verständnis hoffen als die sogenannten Vernünftigen, von denen vorhin die Rede war.

Abraham hat es geschafft, seinen Glauben nicht zu verlieren. Er hat es geschafft, sein Vertrauen auf Gott zu bewahren so lange er lebte. Es gab zwar kritische Momente, doch insgesamt hat ihn der Glaube an Gott sein Leben lang getragen.
So ist er zum Vorbild geworden. Für den Schreiber des Hebräerbriefes ebenso wie für uns heute.

War es ein leeres Versprechen, auf das Abraham sein Vertrauen gesetzt hat? War der Glaube an das Land der Verheißung hohl und ohne Substanz? Der Hebräerbrief sagt: Nein! Denn das Land der Verheißung – oder mit den Worten des Hebräerbriefes: „die Stadt mit den festen Grundmauern“ wartet in der Zukunft auf uns. In der Zukunft, die dieses Leben übersteigt.

Zurzeit Abrahams dachte man vor allem an die Zeit zwischen Geburt und Tod. Wer ein gutes Leben hatte, der spürte das ganz direkt, und man nahm an: ein solcher Mensch ist von Gott geliebt. Zurzeit des Hebräerbriefes hatte man bereits erkannt. Unser Leben ist eingebunden in einen größeren Zusammenhang. Die Zeit zwischen Geburt und Tod ist nur ein Teil eines längeren Weges. Und den Schatz finden wir am Ende des Weges.

Das ist keine Jenseitsvertröstung. Jenseitsvertröstung  würde ja bedeuten: In diesem Leben ist alles schlecht und im Himmel ist alles gut. Ja, im Himmel ist alles gut, das stimmt wohl. Aber hier ist eben nicht alles schlecht.  Es gibt Zeiten im Leben, da kommt mir das so vor, als ob alles schlecht sei. Wenn die Freundin Schluss macht etwa. Oder wenn ein lieber Mensch stirbt. Das eigene Kind gar. Oder ich selbst erkranke an einer schlimmen Krankheit. Habe einen schweren Unfall.

Es gibt Situationen, da sehe ich keine Zukunft mehr. Da kann ich nicht glauben, dass irgendetwas jemals gut sein könnte. Viele Menschen erleben solche Situationen, Jeden Tag. Viele haben es erlebt. Und die meisten von ihnen haben die Erfahrung gemacht: Irgendwann ist es besser geworden. Nicht immer gut. Aber besser. Zumindest an guten Tagen.

Die leidvollen Erfahrungen bleiben. Doch sie  stehen nicht alleine. Neben ihnen stehen die Erfahrungen von Glück die wir an anderen Tagen gemacht haben.
Alle unsere Erlebnisse, die guten und die schlimmen, sie ordnen sich ein in den größeren Zusammenhang des Lebens.

Und für den Glaubenden heißt das: Auch in den größeren Zusammenhang, der über das irdische Leben hinausgeht. Wir sind in Gottes Hand, sagt der Glaube. Und weil wir in Gottes Hand sind, geht unser Leben gut aus. Das ist Glück in seiner ursprünglichen Form: Dass es gut ausgeht.

Ja, wir sind Schatzsucher. Wir sind unterwegs nach dem Schatz unseres Lebens. Zum Glück sind wir nicht alleine auf der Suche. Gott ist bei uns. Er geht mit.

Amen.


Der Ablauf des Gottesdienstes:

Vorspiel
Begrüßung
Eingangslied  EG 346,1-3 Such, wer da will, ein ander Ziel
Psalm 17, 1-9+15 (Im Wechsel gesprochen)
Gloria patri
Entfaltetes Kyrie mit EG 178.11 Herr, erbarme dich
Eingangsgebet
Lesung  Hebräer 11,8-10
Lied EG 607,1-5 Vertrauen wagen
Predigt
Predigtlied EG 395,1-3 Vertraut den neuen Wegen
Taufe
Lied Danke-Tauflied
Fürbitten
Lichterbaum: Die Gemeindeglieder haben die Möglichkeit in einer Gebetsstille Kerzen am Lichterbaum zu entzünden)
Vaterunser
Abkündigungen
Segenslied EG 171,4 Bewahre uns, Gott
Entlassung und Segen
Nachspiel
 

Perikope
Datum 21.05.2014
Kapitel / Verse: 11,8-10