„Er war ins Grab gesenket, der Feind trieb groß Geschrei;
eh er´s vermeint und denket, ist Christus wieder frei
und ruft Viktoria, schwingt fröhlich hier und da,
sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält.“
(Paul Gerhardt 1647, EG 112,2)
Liebe Gemeinde,
Viktoria! – so können und wollen wir rufen an diesem Ostermorgen.
Viktoria! – Christus ist wieder frei,
Christus – gekreuzigt und begraben
Christus – als Lebendiger gesehen von den Frauen, von Petrus und Jakobus und vielen Menschen, gesehen von Paulus.
Christus – von Gott auferweckt.
Und damit befreit vom Tod, Sieger über den Tod.
Der Held schwenkt fröhlich die Siegesfahne!
Unsere Osterlieder sind voller Osterfreude, Osterlachen, ansteckender Fröhlichkeit:
Wir wollen alle fröhlich sein!
Auf, auf mein Herz mit Freuden!
Die ganze Welt Herr Jesu Christ, in deiner Urstand fröhlich ist!
Lasst uns lobsingen vor unserem Gott, der uns erlöst hat vom ewigen Tod.
Der uns erlöst hat vom ewigen Tod!?
Wir freuen uns über die Auferweckung Jesu.
Aber wir fragen: Was bedeutet dies für uns heute, für mich ganz persönlich. Christus ist gestorben und auch heute sterben Menschen. Ich selbst lebe in einem vergänglichen, sterblichen Leib. Was bedeutet Jesu Auferstehung für unser, für mein Leben und Sterben heute? So fragen Menschen, liebe Gemeinde, seitdem von Jesu Auferstehung erzählt wird.
Die Gemeindeglieder in Korinth diese Fragen in einem Brief aufgeschrieben und ihn an den Apostel Paulus gesendet.
„Paulus, erkläre uns das bitte: Wie geht es zu bei der Auferstehung der Toten? Wir wissen, wir leben in einem vergänglichen Leib und werden sterben. Wir hören von Christi Auferstehung. Werden wir auch auferstehen? Wann und wie?“ Paulus antwortet mit einem Vergleich, mit einem Bild. „Ich stelle mir das so vor: Wir leben jetzt in einem sterblichen Leib. Dieser Leib gleicht einem Samen. Wir sterben. Wie der Same stirbt. Und dann gibt Gott uns einen unsterblichen, himmlischen, geistlichen Leib. Dieser Leib gleicht dem Leib der Blume, die aus dem Samenkorn hervorgeht. Zwei Leiber. Äußerlich ganz verschieden. Und doch verbunden. Gott gab uns den sterblichen Leib und Gott gibt uns den neuen, den unsterblichen, den geistlichen Leib. Wir sehen dies an Christus. Er starb am Kreuz. Er lebt neu als Auferstandener. Gott verschafft ihm neues Leben. Aber er lebt auch anders als wir Sterblichen. Er lebt im Geist.“ Die Korinther fragen weiter: Wie wird denn aus einem sterblichen, vergänglichen Leib ein unsterblicher, unvergänglicher? Dazu schreibt Paulus in seinem Antwortbrief und das ist der Predigttext für den heutigen Ostermontag (1Kor 15,50-58):
„Dass sage ich aber, liebe Brüder und Schwestern, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. 51Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. 54Wenn aber dies Vergängliche anziehen wird das Unvergängliche und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen in den Sieg. 55Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« 56Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.“
Und Paulus schaut auf das ganze Ostergeschehen und dankt Gott.
„57Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“
Liebe Gemeinde, Paulus nennt zwei wichtige Schlüsselworte. Zwei wichtige Oster-Schlüsselworte. Das erste Schlüsselwort ist: Verwandlung. Wir werden alle verwandelt.
Und das zweite ist: Anziehen. Ein Gewand anziehen. Ein altes Gewand ablegen und ein neues Gewand anziehen. Anders: Uns wird ein neues Gewand umgelegt. Wir werden neu gekleidet.
Paulus stellt gegenüber:
Der sterbliche Leib und der unsterbliche Leib. Das Vergängliche und das Unvergängliche. Das Irdische und das Himmlische, Geistliche.
Und er verwendet ein Bild:
Wir tragen jetzt das Gewand der Sterblichkeit. Gott wird uns dieses Gewand von den Schultern nehmen und uns ein neues Gewand umlegen. Das schöne Gewand der Unsterblichkeit. Wir werden verwandelt.
Geht so etwas, liebe Gemeinde?
Verwandlung von einem zum anderen, ganz plötzlich?
Verwandlung vom Kranken zum Geheilten.
Vom Gefangenen zum Freien.
Vom Hoffnungslosen zum Hoffenden.
Vom Blinden zum Sehenden?
Von der Karfreitagstrauer zum Osterlachen?
Das geht nicht einfach so, so die Erfahrung.
Da muss etwas geschehen, etwas passieren.
Da muss eine Krankheit besiegt werden,
da muss eine Mauer durchbrochen werden,
da muss ein neuer Geist einziehen,
da muss Licht aufscheinen.
Was geschieht bei der Verwandlung des toten Jesus in den Lebendigen? Er hat nun einen neuen Leib, er ist bei Gott und zugleich überall im Geist.
Da geschieht: Gott, der Schöpfer, schafft neues Leben, da, wo alles am Nullpunkt ist, da, wo nur noch Tod herrscht. Verwandlung. Gott verwandelt uns. Er belässt uns nicht in der Sterblichkeit. Er durchdringt uns mit dem Unvergänglichen, Bleibenden. Gott legt uns den Mantel der Unsterblichkeit um. Er besiegt die Macht des Todes über uns.
Ich sinne über das Bild vom Leib des Samens und dem Leib der Blume, über das Bild vom Ablegen des Mantels der Sterblichkeit und dem Anziehen des Mantels der Unsterblichkeit nach. Ich habe weiter Fragen.
Stirbt mein äußerer Leib? Bleibe ich als Person erhalten und bekomme dann einen neuen Leib? Ziehe ich den einen Mantel aus und den anderen an? Ist mit meinem Tod alles aus? Was kommt dann?
Paulus würde antworten: Es ist alles aus. Gott aber macht einen neuen Anfang für mich. Er gibt den einen und den anderen Leib. Er bleibt und seine Liebe bleibt, trotz Nullpunkt Tod. Das sehen wir an Christus.
Was fangen wir an mit dieser Osterbotschaft, liebe Gemeinde? Wir stellen den Tod zur Rede: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?
Wir nehmen das Osterlicht wahr, das in die Welt scheint. In diesem Licht können wir sehen: Die Weisheit der guten Schöpfung Gottes. Gottes Schöpfermacht, die neues Leben schafft. Die Liebe, die bleibt und stärker ist als Gewalt, Tod und Hass.
Wir danken Gott an diesem Osterfest: Dir, Gott sei Dank, der Du uns den Sieg über den Tod gibst durch unsern Herrn Jesus Christus! Und wir wollen fröhlich singen: Auf, auf mein Herz mit Freuden.
Amen.
„Mitten in der Welt beleuchtet das Osterlicht
die Weisheit der Schöpfung
trotz Torheit der Welt.
Mitten in der Zeit erneuert das Osterlicht
das Leben trotz Vergänglichkeit.
Mitten in der Zeit motiviert das Osterlicht
zur Nächstenliebe trotz Hass.“
(Theißen, Gerd: Glaubenssätze. Ein kritischer Katechismus, Gütersloh 2012,199.)
1. Welche Predigtsituation steht Ihnen vor Augen?
Die Predigt entfaltet die Epistellesung für den Ostermontag. Ich werde die Predigt in der Dorfkirche von Erfurt-Marbach in einem Abendmahlsgottesdienst am Ostersonntag halten. Ich rechne mit 50 bis 60 Gottesdienstbesuchern. Dem Gottesdienst geht die liturgische Feier des Ostermorgens in der Kirche und ein Osterfrühstück der Gemeinde voraus. Ich erwarte engagierte Gemeindeglieder der Kerngemeinde und Bewohner des gutbürgerlichen Vorortes sowie Ostergäste. Der Gottesdienst wird musikalisch durch den Chor des örtlichen Musikvereins gestaltet.
2. Was hat Sie bei der Predigtvorbereitung beflügelt?
Mich hat die Frage der Korinther an Paulus nach der Relevanz des Auferstehungsgeschehens für das persönliche Leben beschäftigt. Spannend finde ich den Gedanken der Verwandlung und die Bilder vom Leib des Samens und der Blume sowie des Anziehens. Paulus ringt mit dem Thema und versucht Worte zu finden. Diesem wollte ich nachspüren und Worte finden, die heutige Fragen aufgreifen. Ein wahrlich „schwerer“ Predigttext soll zu einer fröhlichen Oster-Predigt führen.
3. Welche Entdeckung wird Sie weiter begleiten?
Auferstehung ist das Ergebnis von Gottes Schöpfungshandeln. Solches Schöpfungshandeln ist auch am Werk, wenn wir von der Gottesblindheit zur Wahrnehmung der Gegenwart der Liebe Gottes im eigenen Leben, im Nächsten und in der Welt geführt werden. Gott selbst öffnet uns für seine Gegenwart – da geschieht österliche Neuschöpfung im Geist (im Anschluß an Dalferth, I.: Auferweckung, Leipzig 2023, 126f).
4. Was verdankt diese Predigt der abschließenden Bearbeitung?
In den Vorarbeiten habe ich einige lebensweltliche Beispiele für Verwandlung und das Anziehen des neuen Gewandes der Unvergänglichkeit erzählerisch entfaltet. Sie helfen zur Veranschaulichung, setzen aber auch neue Fragen frei. Ich habe sie weggelassen. Die Suche nach Worten zu diesem Paulustext ist eine echte Herausforderung. Vielleicht regt mein Versuch andere an!