Worthalter, Seelentröster, Überweltfrieden
Liebe Gemeinde,
was soll ich bloß schenken? Angemessen soll es sein, nicht zu aufdringlich, aber auch nicht zu banal. Da feiert die Kirche nun also heute ihren Geburtstag und wir sind die Geburtstagsgäste. Eingeladen wurden wir mit unserer Taufe. Eine ganz besondere Einladungskarte aus Wasser und Geist wurde rechtzeitig verschickt [und wir haben vorsorglich auch noch einmal eine Erinnerung aus Papier hinterhergeschickt]. Schön, dass Sie alle gekommen sind!
Wie bei jedem Geburtstagsfest gibt es heute auch ein richtiges Festessen. Der Hausherr selbst, Jesus Christus, gibt sich am Abendmahlstisch die Ehre, mit uns gemeinsam zu feiern. Für Essen und Trinken ist gesorgt.
Bleibt noch zu klären, was wir als Geschenk mitbringen wollen?
Schauen wir uns doch einmal den Predigttext des heutigen Pfingstfestes näher an, vielleicht finden wir dort ein angemessenes Geschenk. Bedeutsam aber nicht überheblich, persönlich ohne uns in den Vordergrund zu spielen.
Der Evangelist Johannes hat zumindest alles schon mal schön in Wörter eingepackt, wie es so die Art dieses Evangelisten ist – unverkennbar. Ich erinnere nur an den Anfang seines Evangeliums. Kunstvolle Hülle mit Worten, die man gar nicht auspacken möchte, so schön sind Sie.
Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott selbst war das Wort. [...] Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit. (Joh 1,1.14a)
Und auch hier in unserem Pfingstsonntagstextgeschenk:
Wer mich liebt, der wird mein Wort halten [...] und das Wort, dass ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. (Joh 14, 23a.24)
Johannes wickelt immer alles so schön ein. Vielleicht sollten wir zunächst erst mal ein wenig auspacken. Wir wollen ja wissen, was wir schenken. Wenn ich also versuche, die Einwickel- und Verwicklungswörter wegzudenken, dann kommen drei Dinge zum Vorschein:
Ein liebevoller Worthalter
Ein Seelentröster
Ein überweltlicher Friede
Dinge, die die Welt nicht braucht? – die Kirche aber ganz bestimmt!
Ein Worthalter,
ein liebevoller Worthalter. Kein Staubfänger fürs Regal, sondern ein kleiner Schatz kommt hier zum Vorschein. Worthalter halten nicht nur fest, sie bewahren und bewachen, sie schützen und pflegen das Wort, das sie halten. Und das Wort, das gehalten wird, ist mehr als eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Es glänzt, das Wort. Es glänzt in diesem Wort, die Herrlichkeit Christi, die Heiligkeit der Thora, Gottes Gesandter und Gottes Weisung sind in changierenden Farben in diesem Wortglanz zu entdecken. Wer mich liebt, der wird mein Wort halten. (Joh 14, 24) Liebe hält Wort und das Wort enthält Liebe: „Wer werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“
Das Wort, das dort gehalten wird, ist mehr als „richtig leben“ ist mehr als „sich nach Gottes Gebot richten“ Das Wort, das dort gehalten wird, ist uns von Christus gegeben als ein Schatz, den es zu bewahren und zu bewachen, zu schützen und zu pflegen gilt. Und auch Christus hat dieses Wort nicht von sich genommen, sondern hat es als Gesandtschaft des Vaters erhalten.
Der Worthalter, der liebevolle, kein Staubfänger fürs Regal. Er hält Herrlichkeit, Heiligkeit, hält Christus selbst und die Wohnung Gottes. „Wer mich liebt, ist Worthalter und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“
Wir schenken der Kirche zum Geburtstag Worthalter. Worthalter, das erste Geschenk zum Pfingstfest für die Kirche. Worthalterinnen und Worthalter das sind wir, geliebte Schätze und Wohnungen für Gott.
Schauen wir uns das nächste Geschenk an:
Ein Seelentröster,
das wird immer wieder gerne verschenkt. Eine originelle Geschenkidee für unsere Kirche diese junggebliebene alte Dame mit leicht depressiven Zügen, oder ist das noch die Midlife-Crisis? Wer Seelentröster im Internet bestellen will, findet interessante Treffer:
An oberster Stelle steht natürlich: Schokolade. Aber auch ein Aroma Schaumbad mit dem Namen Seelentröster wird zum Kauf angeboten und dann noch - neben jeder Menge Ratgeberliteratur und Musikangeboten - das kleine Sorgenfresserchen. Das mit einem Reisverschluss statt Mund ausgestattete Plüschwesen soll Kindern als Kummerkasten dienen können. Eine Form sich mitzuteilen, Trost zu finden, wo reden nicht hilft, oder niemand da ist, mit dem man reden könnte.
Der Evangelist Johannes kennt unsere modernen Seelentröster nicht. Den Seelentröster, den er in unserem Pfingstsonntagstextgeschenk eingepackt hat, ist niemand anderes als der Heilige Geist, der Paraklet, wie der Heilige Geist im Johannesevangelium genannt wird. Zum Pfingstfest keine ganz unwesentliches Geschenk, das die Kirche da erhält. Allerdings sieht der Heilige Geist als Seelentröster doch etwas anderes aus als der feurige Begeisterer, der Massenbekehrer oder der Ekstatiker, der Menschen in fremden Zungen reden lässt.
Der Heilige Geist, wie ihn Johannes vorstellt, der Seelentröster, ist einer, der erinnern wird, an alt Bekanntes, der neu lehren wird, was im Laufe der Zeit verloren gegangen ist. Der Heilige Geist, der Tröster hält aktuell, was Christus als Gotteswort gelebt hat: „Aber der Tröster, [...] der wird euch alles lehren, was ich euch gesagt habe.“
Dieser Heilige Geist ist weniger Feuer und Wind eher Schokolade und Schaumbad. Ist weniger spektakulär, ist vielmehr „Seelentröster“ - wie Schokolade: Süßigkeit gegen das Bittere im Leben. „Seelentröster“ - ein warmes Schaumbad, das einhüllt und uns umgibt wie Gottes Liebe.
Seelentröster, Sorgenfresser, „lasst euch nicht entmutigen“ (Joh 14,27 NGÜ), „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“ (Joh 14,27 LTH).
Ob dieses Geschenk ankommen wird, zum Geburtstag der Kirche?
Bleibt das letzte Geschenk
Frieden, der nicht von dieser Welt ist, haben wir mitgebracht. Nein, wir haben ihn nicht mitgebracht: Er wurde uns gelassen und wird uns gebracht. Im Auswickeln dieses letzten Pfingstsonntagstextgeschenkes wird besonders deutlich, wie kunstvoll Johannes alles eingewickelt hat. Es ist ein eigenartiges Vorhandensein des Abwesenden, das uns geschenkt wird. „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Die Anwesenheit des Abwesenden, die Gabe des Überlassenen, durchwebt den ganzen Text und macht ihn gerade so zu einem himmlischen Geschenk, das auf der Erde nirgends zu haben ist. Gottes Liebe, der Heilige Geist und nun der Friede. Was wir der Kirche heute zum Geburtstag bringen, ist immer auch schon da, in ihr, in uns, die wir Kirche sind:
„Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ Was Jesus zurücklässt, wird er uns bringen. Was wir schon haben, wird eine Gabe sein. Halten und empfangen, geben und beschenkt sein, Himmel und Erde, Gegenwart und Zukunft, das alles ist in diesem Pfingstsonntagstextgeschenk ineinander gewickelt.
Gehalten von einem trinitarisches Gottesband, das alles umgibt. Der Vater, der dem Sohn das Wort sendet. Der Geist der im Namen des Sohnes gesandt wird vom Vater. Ein dreifacher Knoten hält dieses Geschenk zusammen.
Ich finde, Es ist ein passendes Geschenk. So können wir kommen und Geburtstag feiern, so gratulieren wir heute, der Jubilarin und bringen ihr mit, was wir entdeckt haben: die liebevollen Worthalter, die getrösteten Geistbegnadeten, die mit Gottesfrieden beschenkten.
Dieses Geschenk an die Kirche, das wir im Text des Johannesevangeliums eingewickelt gefunden haben, sind wir selbst. Wir können uns zum Geburtstag der Kirche nur selbst schenken. Und wir tun es demütig als selbst beschenkte.
Amen
Predigtlied: Taizé - Frieden, Frieden (www.youtube.com/watch?v=hgBX4K9MJOU)