Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit der Geduld Gottes, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.
Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. (Röm 3,21-28)
I. Eine neue Bibel (ist mit auf der Kanzel)
Es ist nur Papier.
Papier und Farbe darauf.
Buchstaben. Worte. Sätze. Gedanken.
Ich streichle darüber.
Ganz dünn und durchscheinend. Wie Morgenlicht.
Ganz zart. Wie Seide.
Glatt. Wie Samt.
Man kann das leicht zerknittern. Zerreißen.
Wie meine Seele.
Es ist eine ganz neue Bibel.
Ich habe sie kaum zwei Wochen.
Luthers Bibel, wieder einmal überarbeitet.
Das hat er selbst ja gemacht, solange er lebte.
Immer wieder.
Geforscht. Gefragt. Geändert. Verbessert.
Wegen der Worte.
Auf der Wartburg hatte er sich hingesetzt,
im kleinen Stübchen mit der Schlafkammer nebenan.
Draußen riefen die Krähen im Sturm.
Da saß er und hat Worte gesucht.
Auf dem alten Papier, Griechisch und Latein.
Gedruckt auf raue Seiten.
»So spricht der Herr.«
Gott ins Herz gehört.
Und draußen gehört bei den Menschen.
Auf den Straßen und Gassen.
»Dem Volk aufs Maul geschaut«.
Und nun schreibt er selber.
Tinte auf Papier.
Die Gänsefeder kratzt bei jedem Buchstaben.
Angefangen hatte es mit Thesen.
Fünfundneunzig waren es geworden.
Schwarze Tinte auf bräunlichem Papier.
Dann gedruckt mit bleiernen Lettern.
Mit Briefen verschickt an die Kardinäle.
Und angepinnt an der Schlosskirchentür zu Wittenberg.
Viel ist passiert seitdem.
Nun: Wieder schreiben.
Wort um Wort.
Nicht sein Wort.
Worte von Paulus – von Lukas – von Johannes.
Worte von Gott.
Heilige Worte.
Papier ist dünn.
Aber Worte sind stark.
Worte, von denen man lebt.
»So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke,
allein durch den Glauben.« (Röm 3,28)
II. Vergilbt, blutig, verbrannt
Und es könnte so schön sein auf der Welt.
»Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert,
nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben
und demütig sein vor deinem Gott.« (Mi 6,8)
Es könnte so schön sein mit diesem Worten.
Die Herrlichkeit Gottes könnte durchscheinen.
Durch alles:
Durch Menschenworte und Menschentaten.
Dann würde die Liebe leuchten auf der Welt.
Wie Licht durch dünnes Papier.
Aber wir haben’s verloren.
Irgendwann wurde das Papier gelblich,
von all dem Schweiß und den Tränen.
Blut wurde vergossen.
Jeder Tropfen einer zu viel.
Das Papier färbte sich rot.
Und dann bräunlich wie die Erde auf all den Gräbern.
Und am Ende war es schwarz wie die Brandstätten dieser Welt.
Und die Herrlichkeit war dahin.
»Denn es ist hier kein Unterschied:
Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten.« (Röm 3,22f)
Und ich ja auch!
Ich wäre so gerne perfekt.
Oder wenigstens richtig.
Und gut.
Und immer so, wie Gott will.
Ich weiß ja, wie es geht.
»Du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seeleund mit all deiner Kraft
und deinen Nächsten wie dich selbst.« (Dtn 6,5)
Und manchmal gelingt es mir ja sogar.
Und euch auch.
Aber manchmal schaffe ich es auch nicht.
Manchmal zerknittere ich die Seelen der anderen wie dünnes Papier.
Und ich reiße Seiten aus Lebensbüchern heraus.
Streiche Worte durch, die doch so wichtig waren.
Oder ich schreibe anderen Worte ins Stammbuch, die weh tun und traurig machen.
Und dann tut es mir leid, aber es ist geschehen.
Das steht ja auch schon auf den dünnen Seiten in meinem Bibelbuch,
aufgeschrieben von einen ganz verzagten Paulus:
»Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.
Ich elender Mensch. Wer wird mich erlösen?« (Röm 7,19)
III. Ins Herz geschrieben
Und dann lese ich wieder die Worte.
Starke Worte auf zartem Papier.
»Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten,
und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung,
die durch Christus Jesus geschehen ist.« (Röm 3,23)
Da ist einer, der sieht, was ich nicht alleine kann.
All das, was ich sollte.
All das, was ich will.
Alles, was ich so gern würde.
Richtig sein.
Und Gott schreibt mir ins Herz:
Schau auf Jesus.
Und höre. Und lies.
Was du nicht selber schaffst, das mache ich.
Es ist alles getan. Von Jesus.
Glaub´ es mir.
»Den hat Gott für den Glauben hingestellt als Sühne in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher begangen wurden in der Zeit der Geduld Gottes, um nun in dieser Zeit seine Gerechtigkeit zu erweisen, auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist aus dem Glauben an Jesus.« (Röm 3,25f)
Und auf einmal wird es gut.
Ich lese die Worte, zart wie Papier.
Stark wie die Liebe.
Diesen Worten will ich glauben.
»So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke,
allein durch den Glauben.« (Röm 3,28)
IV. Bis ans Ende
Das glaube ich.
Diese Worte reichen.
Für ein ganzes Leben.
Für eine ganze Welt.
Sie trösten mich, wenn ich es nicht schaffe.
Wenn ich wieder einmal nicht richtig bin, dann geben die Worte mir Mut.
»Sei getrost, geh hin, dein Glaube hat dir geholfen.« (Lk 17,19)
Und dann gehe ich hin und lebe.
Mit Gott. Mit Jesus. Mit den anderen.
Und einmal, am Ende, ist alles klar.
»Herrlichkeit der Kinder Gottes«.
Dann wird das Papier durchsichtig wie Glas.
Auch das schmutzige Lebenspapier.
Die Blutflecken.
Und die schwarzverbrannte Weltgeschichte.
Dann, am Ende, scheint die Herrlichkeit nicht nur durch.
Dann sehen wir sie.
Und Gott von Angesicht zu Angesicht.
Und alles ist gut.
Gott in uns. Wir in ihm.
Und »Gott alles in allem«. (1.Kor 15,28)
Amen.