Zu Siegern bestimmt - Predigt zu 1. Korinther 9, 24-27 von Karsten Matthis
9,24-27

Zu Siegern bestimmt - Predigt zu 1. Korinther 9, 24-27 von Karsten Matthis

Zu Siegern bestimmt

Liebe Gemeinde,

„ich bin dann mal weg.“ nicht nur Prominente wie „Hape“ Kerkeling sind aufgebrochen, um auf dem Jakobsweg zu pilgern, sondern unbekannte Zeitgenossen werden zu Pilgern. Die Zahl derjenigen, die sich nach Santiago de Compostela aufmachen, steigt von Jahr zu Jahr. Im letzten Jahr betrug sie nach Schätzungen über 200.000 Pilger, davon rund 10% aus Deutschland. Mittlerweile wurde das Buch Kerkelings „Ich bin dann mal weg.“ kurzweilig verfilmt, was zu einem weiteren Anstieg der Pilger führen könnte. Die Motive aufzubrechen sind vielfältig. Einige  Pilger möchten „einfach mal weg“, aussteigen, aus dem Kreislauf des Alltags entfliehen. Für andere ist es ein langer Weg der Selbsterfahrung.

Der 800 km lange Pilgerweg ist nicht gerade bequem zu erwandern. Auf steinigen und schmalen Pfaden über die Pyrenäen hinweg geht es dem einen Ziel entgegen: Dem Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Galicien. Um die Stempel an den Stationen im Pilgerpass und am Ende eine Urkunde zu erhalten, ist viel Disziplin und Geduld notwendig. Einige Pilger müssen vor Erschöpfung aufgeben und versuchen es im Jahr darauf, den Pilgerweg zu schaffen.

Liebe Gemeinde, unser heutiger Predigttext aus dem 1. Korintherbrief hat ebenfalls mit einem großen Ziel zu tun, welches nur mit viel Ausdauer und Disziplin erreicht werden kann. Am Ende eines langes Laufes oder eines herausfordernden Faustkampfes in der Arena gibt einen Siegerkranz begleitet vom Beifall und Jubel der Zuschauer.

Paulus liebte es, seinen Gemeinden in anschaulichen Bildern zu schreiben. Im 9. Kapitel des 1. Korinther Briefes greift er Bilder aus dem antiken Sport auf. Der Apostel erinnert an Laufwettbewerbe, Boxkämpfe und an die begehrten Siegerkränze. Damals wie heute war Sport populär und mobilisierte die Massen. Vor den Toren Korinths gab es alle zwei Jahre die Isthmischen Spiele, welche auf der Landenge, dem Isthmus, abgehalten wurden.

Es ist gut möglich, dass Paulus im Jahr 51 n. Chr. Zuschauer bei diesen Spielen gewesen ist. Ob der Apostel begeistert von den Wettkämpfen war und sich von der Stimmung im Stadion mitreißen ließ, darüber wissen wir nichts. Jedenfalls waren die Bilder so faszinierend für ihn, dass er die Wettbewerbe in Worte festgehalten hat.

Sportler werden als Vorbilder beschrieben: Sie trainieren ihre Körper und leisten tagtäglichen Verzicht. Sie essen wenig und entsagen dem Alkohol. Sie sind auf den Wettkampf fixiert und streben dem Wettbewerb konzentriert entgegen. Sie haben sich auf einen langen Lauf eingestellt, den sie als Sieger beenden wollen.

Paulus sieht die Christen auf einer ähnlich langen Strecke als Wettkämpfer im Glauben. Christen sollen danach streben, ein tieferes Verständnis im Glauben zu gewinnen. Die Enthaltsamkeit und der Verzicht der Sportler auf übermäßige Nahrung und Wein ist für die Christen ein Vorbild. Wer sich nach dem Glauben ausstreckt, der leistet Verzicht und verfolgt konsequent sein Ziel, Vertiefung im Glauben zu erlangen. Der Glaube will gelebt, erlernt und trainiert werden, um die Krone des Lebens zu erreichen, über die der Seher Johannes in seiner Offenbarung (Offb. 2,10) schreibt.

Dies hört sich sehr nach individueller Leistung an, aber Paulus ist es ernst mit dem Glauben. Er selbst ist ein Langläufer im Glauben mit einem ganz langen Atem. Der Apostel war ein Wanderer auf steinigen und staubigen Straßen der Antike. Vor weiten Reisen schreckte er nicht zurück. Bis zum äußersten Westen der antiken Welt nach Spanien will er reisen (Röm. 15, 24 u. 28). Vielleicht waren ihm die Säulen des Herakles auf Gibraltar geläufig. Nach Rom, Athen, Ephesus und Korinth und anderen Orten im römischen Reich hat er es geschafft.

Er schont sich nicht, wird geprügelt, erkrankt und wird gefangen gesetzt - nur um des Evangeliums willen. Der Apostel nimmt keinerlei Rücksicht auf seinen kranken Körper und missioniert bis hin zur Selbstaufopferung. Er will anderen nicht zur Last fallen, legt seine Hände nicht in den Schoß, sondern übt sein Handwerk des Zeltmachers weiter aus. Trotz dieser Mehrfachbelastungen schreibt und schreibt er.

Nicht alle Briefe hat er mit eigener Hand geschrieben, vielmehr seinen Schülern diktiert. Voller Konzentration, Poesie und Sprachwitz diktiert er seine Briefe an die frühen christlichen Gemeinden. Immer vom Ernst getrieben. So schreibt Paulus: Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predige (1. Kor. 9, 16).

Die gute Nachricht seines Heilandes soll Gestalt in Korinth gewinnen. Im Alltag der Gemeinde hat der Geist des Evangeliums spürbar zu sein. In Freiheit sollen die Glieder der Gemeinde zusammenkommen, nicht streiten und nicht übereinander richten, sondern dem Siegeskranz des Glaubens gemeinsam entgegengehen. Doch dieser Siegerkranz ist noch viel mehr wert, als es im Sport der Fall ist. Jener Siegerkranz verwelkt nicht. Der Kampf um den Glauben ist viel mehr wert. Dieser Weg des Glaubens bedeutet in der Gemeinschaft mit Gott zu sein und damit in Freiheit zu leben. Die Gesetzmäßigkeiten der Welt mit seinen Forderungen nach Leistung und Gegenleistungen, sind im Glauben aufgehoben.

Diese geschenkte große Freiheit, in der die Kinder Gottes leben dürfen, darf nicht dazu führen, dass man den Glauben nicht ernst nimmt. Die Ernsthaftigkeit des Sportlers, sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, soll für die Korinther Ansporn sein.

Liebe Gemeinde, diese Worte und Bilder aus dem Sportlerleben klingen nicht nach dem Paulus, der alles allein vom gnädigen Gott abhängig macht, der die Menschen gerecht sprechen kann. Nicht die individuelle Lebensleistung macht gerecht: Allein aus Gnade seid ihr gerecht geworden (Röm. 3,28). 

Vielleicht ist der Apostel an jener Stelle des 1. Korinther Briefes mit seinen sportlichen Vergleichen beim ersten Hören missverständlich. Paulus spielt aber gar nicht auf mögliche Leistungen im Glauben an, nicht auf fromme Werke, nicht auf eine antrainierte Frömmigkeit. Es geht dem Apostel um die Ernsthaftigkeit und Konzentration auf den Glauben. Glaube ist für Paulus kein Wettbewerb, der Vergleichspunkt ist nicht der sportliche Sieg, sondern die Eigenschaften des Sportlers: Zielstrebigkeit und Enthaltsamkeit.

Paulus will keinen Leistungswettbewerb „Frömmigkeit“ zu etablieren, sondern ihm ist darum gelegen, dass der Glaube sich auf der langen Strecke des Lebens bewähren muss. Wie im Stadion, in dem große Hitze herrschen kann und die Bahnen staubig sind, so gibt es im Leben der Christen viele Stolpersteine, die das Ziel unerreichbar erscheinen lassen. Zur Zeit der frühen Christen waren die Gemeinden vielen Anfeindungen seitens des Staates und der heidnischen Bevölkerung ausgesetzt. Misstrauisch blicken Römer und Griechen auf diese vermeintlich neue Sekte. Synagogengemeinden haben die Jesus-Anhänger in ihrer Mitte nicht mehr akzeptieren können. Es kam zu schmerzlichen Trennungen und Verwerfungen.

Standhaft im Glauben zu sein, dazu bedarf es wie bei einem Boxer echte Nehmerqualitäten. Nackenschläge sind wegzustecken und das Bekenntnis zu Christus, dem Auferstandenen, gilt es mutig zu verkünden. Letztendlich müssen Christenmenschen in ihrem damaligen feindlichen Umfeld einen langen Atem haben, um den Siegerkranz zu erringen. Die Ernsthaftigkeit im Glauben qualifiziert Christen für das Reich Gottes, welches jetzt schon zu erahnen ist und einst vollendet werden wird.

Wir Christen sind Pilger, keine bleibende Stadt ist uns  gegeben, eine künftige suchen wir (Hebr. 3,14). Unser Ziel ist klar, aber wir haben lange Wege zu gehen. Wir kämpfen mit vielen widrigen Umständen, die wir nicht vorhersehen können. Oft kommen wir zu spät, wie auf einer Pilgerreise zu einer Herberge, die schon geschlossen hat. Ein Starkregen hält die Pilger oft tagelang auf. Wenn sie sich eine Verletzung zuziehen, dann müssen sie pausieren, und warten bis sie jene Blessur ausgeheilt haben. Krankheiten werfen uns aus der Bahn, danach müssen wir den Weg ins Leben zurückfinden. Unsere Pilgereise durchs Leben, der lange Lauf über die Jahrzehnte, ist voller Überraschungen und glücklichen Wendungen. Mit viel Rückenwind überschreiten wir Täler, finden Abkürzungen und genießen herrliche Ausblicke.

Liebe Gemeinde, füge Gott, dass wir Geduld und Ausdauer im Glauben nicht verlieren- mit anderen und mit uns selbst. Dass wir aber das Ziel unsere Lebens erreichen, dies hat Gott für uns vorherbestimmt. Der Sieg ist uns gegönnt, denn bevor wir richtig gestartet sind, hat Gott die Hand in der Taufe auf uns gehalten.  Anders als im Sport oder auf einer Pilgerreise hat Gott uns längst zu Siegern bestimmt.

Bleib uns gnädig Gott, führe uns auf der rechten Bahn, schütze und begleite auf dem Weg des Glaubens. Amen